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KG Berlin: Rücktritt und Anfechtung der Central Krankenversicherung AG wegen arglistiger Täuschung bleibt unwirksam; wenn der Vertreter bei Vertragseingang den in Rede stehenden OP-Bericht zu den Akten genommen hat (Auge und Ohr).

Central muss sich das Tun ihrer Agenten von der Deutschen Vermögensberatung im Rahmen der sog. "Auge-und Ohr - Rechtsprechung" zurechnen lassen.

LG Berlin, Urteil vom 27.09.2013, 23 O 149/12

KG Berlin, Beschluss vom 14.02.2014, 6 U 189/13 (Hinweisbeschluss)

Unser Mandant hatte im Jahre 2009 bei der von uns verklagten Krankenversicherung einen Versicherungsantrag auf Abschluss einer privaten Krankenkostenvollversicherung (PKV) gestellt. Dieser wurde seitens der Versicherung in der Folgezeit angenommen. Im Rahmen der Abrechnung seitens unseres Mandanten eingereichter Arztrechnungen erhielt die Versicherung im Jahre 2010 Kenntnis davon, dass sich unser Mandant im Jahre 2007, somit vor Antragsstellung, einer Bandscheiben- OP unterzogenen hatte. Da diese OP im Versicherungsantrag nicht angegeben worden war, erklärte die Central - aufgrund angeblich arglistiger Täuschung - die Anfechtung des Vertrages gemäß § 22 des  Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Zugleich trat sie vom Vertrag zurück gemäß § 19 Abs. 2 VVG.

Der Vertrag wurde seiner Zeit vermittelt durch einen sog. Mehrfachvermittler (Mehrfachagent) für die Central, nämlich der Fa. Allfinanz Deutsche Vermögensberatung. Die Vermittlung erfolgte im „Central- ServiceCenter Berlin Süd“. Dem dortigen Mitarbeiter, dessen Identität sich letztlich nicht mehr aufklären ließ, hatte unser Mandant - im Beisein seiner Ehefrau - im Zuge der Antragsstellung eine Kopie des OP- Berichts (Bandscheiben- OP) aus dem Jahre 2007 ausgehändigt. Dieser wurde in den Räumen des „Central- ServiceCenter Berlin Süd“ seitens eines Mitarbeiters der Deutschen Vermögensberatung kopiert und an unseren Mandanten sodann zurückgegeben.

Im Rahmen unserer außergerichtlichen Tätigkeit machten wir die Central darauf aufmerksam, dass ihr - aufgrund der erfolgten Übergabe des OP- Berichts an den Mitarbeiter des für sie tätigen Mehrfachagenten - rechtlich bekannt war, dass unser Mandant vor Antragsstellung eine Bandscheiben- OP hatte. Die Central bestritt diesen Vorgang, so dass wir Klage zum LG Berlin erheben mußten.

Im Rahmen des Klageverfahrens wurde unser Mandant vom LG Berlin angehört; seine Ehefrau sowie zwei Mitarbeiter der Allfinanz Deutsche Vermögensberatung wurden als Zeugen gehört. Im Anschluss an diese Beweisaufnahme stand nicht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts fest, dass unser Mandant der Versicherung (arglistig, vorsätzlich oder fahrlässig) eine Vorerkrankung verheimlicht hatte. Es war der - insoweit beweisbelasteten - Versicherung nicht gelungen diesen Beweis zu führen. Im Gegenteil, das Gericht war sogar  überzeugt davon, dass der OP- Bericht tatsächlich in den Räumen des „Central- ServiceCenter Berlin Süd“ einem Mitarbeiter der Deutsche Vermögensberatung  ausgehändigt worden war. Fraglich blieb allerdings bis zum Schluss, welchem Mitarbeiter ganz konkret der OP- Bericht übergeben worden war. Weder unser Mandant noch dessen Ehefrau erkannten diese Person im Prozess wieder. Das Landgericht Berlin entschied, dass es letztlich nicht darauf ankommen könne, ob der Kläger die genaue Person erkennen und konkret benennen könne. Insofern käme es ausschließlich darauf an, dass das Antragsgespräch seiner Zeit mit einem Agenten der Central in deren Räumen erfolgt sei. Diesen Umstand hatte die Versicherung auch nicht bestritten. Damit stand für das LG Berlin - aufgrund der glaubhaften Zeugenaussage der Ehefrau unseres Mandanten hinsichtlich der erfolgten Übergabe des OP- Berichtes - fest, dass die Versicherung sich die Kenntnis ihres Agenten vom Inhalt des OP- Berichts - aufgrund der gängigen „Auge und Ohr- Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofes (BGH) - zurechnen lassen muss. Dementsprechend wurde die Versicherung zur Fortführung des Vertrages verurteilt.

Im Rahmen des anschließenden Berufungsverfahrens versucht die Central das Urteil des LG Berlin noch zu Fall zu bringen mit der Argumentation, der Kläger habe letztlich ja nicht sagen können, welchem Mitarbeiter konkret er den OP- Bericht übergeben habe. Dies könne nur zu Lasten des Klägers gehen, mit dem Ergebnis, dass dieser einen hinreichenden Sachvortrag zur erfolgten Übergabe letztlich nicht erbracht habe. Das Kammergericht Berlin sah dies anders und bestätigte das erstinstanzliche Urteil des LG Berlin vollumfänglich. Es führte insoweit wörtlich aus:

Darlegungs- und Beweisbelastet für die Voraussetzungen der … abgegebenen Anfechtungs- und Rücktrittserklärung ist die Beklagte. Zutreffend stellt das Landgericht fest, dass der Klägervortrag … genügt. Denn die Beklagte bestreitet nicht, dass der Kläger das Antragsgespräch … mit einem Mitarbeiter ihres Central- ServiceCenter Berlin Süd und damit einem Versicherungsagenten im Sinne der „Auge und Ohr- Rechtssprechung“ geführt hat… Zudem hat der Kläger ausreichend substantiiert zum Ablauf dieses Antragsgespräches vorgetragen und insoweit behauptet, er habe dem Agenten der Beklagten … sämtliche Operationsunterlagen zum Kopieren übergeben. Dass der Kläger den Agenten nicht namentlich benennen kann, führt nicht zu der Feststellung, sein Vortrag sei nicht ausreichend substantiiert… Letztlich ist vorliegend eine konkrete Namensnennung … aus Rechtsgründen … nicht erforderlich, weil zwischen den Parteien außer Streit steht, dass der Kläger das Antragsgespräch jedenfalls mit einem Agenten der Beklagten im Sinne der „Auge und Ohr- Rechtssprechung“ geführt hat.“

Anmerkung Ra Wegner:

Der vorliegende Fall lehrt dreierlei:

Erstens, schließen Sie einen Vertrag immer im Beisein mindestens eines Angehörigen oder guten Bekannten ab, der für alle tatsächlichen Vorgänge später ggf. als Zeuge zur Verfügung steht;

Zweitens, schließen Sie Verträge besser immer direkt über einen Vermittler bzw. Agenten der Versicherung -  also nicht über einen Makler - ab, da nur dann die „Auge und- Ohr Rechtsprechung“ des BGH zur Anwendung kommt. Diese besagt, dass alles was dem Vermittler bzw. Agenten bekannt gegeben wird gleichzeitig auch der Versicherung bekannt gegeben ist (rechtliche Fiktion);

Drittens, achten Sie stets darauf, dass der Vermittler bzw. Agent Ihre Angabe auch in den Versicherungsantrag aufnimmt; übergebene Unterlagen lassen Sie sich am besten quittieren.

Kontaktieren Sie uns und nehmen Sie unser  Angebot einer kostenlosen Ersteinschätzung  wahr!


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