
Anfechtung
Anfechtung wegen arglistiger Täuschung / vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung
Die Bedeutung der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung ist seit Einführung des neuen Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) im Jahre 2008 noch weiter gewachsen. Dieses Rechtsinstitut ist unterdessen das Hauptinstrument mit die BU-Versicherung im Rahmen der Leistungsprüfung reagiert, wenn sie meint, der Versicherte hätte bei Vertragsschluss Gesundheitsfragen falsch beantwortet. Andere Reaktionsmöglichkeiten, wie der Rücktritt vom Vertrag sind ebenso in den Hintergrund getreten, wie das vom neuen Versicherungsvertragsgesetz geschaffene Rechtsinstitut der Vertragsanpassung.
Im sog. Leistungsfall, d.h. dann, wenn der Versicherung der Antrag des Versicherten auf die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente vorliegt, beginnt diese zunächst mit der Prüfung, ob der Versicherte bei der (häufig längere Zeit zurückliegenden Antragstellung) möglicherweise eine (oder mehrere) sog. vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung/en begangen hat. Diese bestehen z.B. in der fehlerhaften Beantwortung der sog. Gesundheitsfragen. Dieser Prüfung widmen sich die Versicherungen sehr genau. Sie haben grundsätzlich das Recht bei Krankenversicherungen, Arbeitgebern etc. Informationen über Arztbesuche und Krankheiten einzuholen. Sollten beim Abgleich mit den Antragsunterlagen Widersprüche auftreten, nimmt das die Versicherung regelmäßig sofort zum Anlass, vom Vertrag zurückzutreten oder diesen wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Eine weitere Prüfung seiner Leistungspflicht kann sich der Versicherer dann ersparen.
Zu beachten ist, dass v.a. die sog. vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung - welche zur Anfechtungsmöglichkeit des Versicherers wegen arglistiger Täuschung führen kann - „Standardprogramm“ im Rahmen der Leistungsprüfung zählt. Wenn der Versicherte die Entscheidung hinnimmt und sich nicht gerichtlich zur Wehr setzt, ist er mit seinen – oft jahrelang teuer bezahlten Ansprüchen – sofort außen vor!
Die Anfechtung des Vertrages oder der Rücktritt durch die BU-Versicherung ist in der Regel vermeidbar, da die Rechte der BU-Versicherer bei der Datenerhebung und Abfrage sind in den letzten Jahren durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung erheblich eingeschränkt worden sind. Wenn der Vertragsschluss weniger als 10 Jahre zurückliegt, sollten Sie sich vor Antragstellung unbedingt anwaltlich beraten lassen. Auch wenn Sie glauben, alle Gesundheitsfragen richtig und korrekt beantwortet zu haben, zeigt die Praxis, dass diese Wahrnehmung der Versicherungsnehmer oft trügt.
Hat die Berufsunfähigkeitsversicherung die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder den Rücktritt bereits ausgesprochen, kann ein dieser wegen unwirksamer Datenerhebung oder auch wegen Beratungsverschulden des Versicherungsvermittlers unwirksam sein.
Versicherungsunternehmen machen in aller Regel bereits rein vorsorglich von einem vermeintlichen Anfechtungsrecht Gebrauch, allein um ggf. die entsprechenden Fristen nicht zu versäumen. Eine genaue Prüfung, ob der Versicherungsnehmer tatsächlich arglistig getäuscht hat, oder ihn ggf. gar keine Schuld an dem Vorwurf trifft, findet meist gar nicht statt.
Die Anfechtung wird durch die BU-Versicherung in der Regel wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung ausgesprochen. In diesem Zusammenhang kommen verschiedene Fallkonstellationen in Betracht:
Der häufigste Vorwurf gegen den Versicherungsnehmer geht dahin, bei Vertragsschluss die sog. Gesundheitsfragen nicht korrekt beantwortet zu haben. Weiterhin wird nicht selten behauptet, der Versicherte hätte falsche Angaben zu einem Einkommen bzw. zu seiner Tätigkeit bei Vertragsabschluss gemacht oder er habe besondere Risiken (wie z.B. gefährliche Hobbys) verschwiegen. Ebenfalls relevant ist der Vorwurf, bereits bestehende BU-Verträge nicht oder nicht in der korrekten Höhe angegeben zu haben.
Häufig sind es letztlich aber nicht die Versicherungsnehmer, die der Täuschungsvorwurf trifft, sondern unseriöse Vermittler (Makler oder Versicherungsvertreter), für die nur das Interesse an der Provision im Vordergrund steht und die sich dafür nicht scheuen, ihre Kunden schlecht oder gar falsch zu beraten. Dies kann sowohl bei einem Neuantrag
LG Berlin, Urteil v. 15.01.2013 (gegen Ergo Lebensversicherung)
LG Ravensburg, Urteil vom 19.09.2013 (gegen Nürnberger Lebensversicherung)
LG Berlin, Urteil v. 26.07.2016 (gegen HUK-Coburg Lebensversicherung)
LG Berlin, Urteil v. 12.06.2017 (gegen Nürnberger Lebensversicherung)
LG Aachen v. 28.01.2021 (gegen Allianz Lebensversicherung)
OLG Koblenz Urteil v. 15.03.2023 (gegen Württembergische Lebensversicherung)
oder aber auch bei einer Umdeckung des Vertrages geschehen
(siehe Urteil LG Neuruppin v. 19.03.2024).
Nicht selten sind es aber auch Ärzte, welche Diagnosen an Versicherungen weitergeben, welche entweder nie gestellt worden oder aber nie gegenüber den Patienten kommuniziert worden sind. Gleichwohl werden Patientenunterlagen bei Anfrage der BU-Versicherung freimütig vom Arzt weitergegeben, so dass es der Patient ist, welcher dann das Nachsehen hat. Überdies halten Berufsunfähigkeitsversicherung ihre Versicherten rechtswidrig an, Schweigepflichtentbindungen für die Ärzte zu erteilen, um dann rechtswidrig dort Patientenakten anfordern zu können
Urteil LG Hamburg v. 08.02.2018 (gegen Baloise)
Falls ein Versicherer die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ausgesprochen hat, empfehlen wir, sich umgehend anwaltlich beraten zu lassen und selbst keine weitere Korrespondenz mit dem Versicherer zu führen! Sollten Sie irgendwelche Zweifel daran haben, ob sie bei Vertragsschluss korrekt beraten worden sind, empfehlen wir Ihnen dringend, sich vor Stellung des BU-Leistungsantrages beraten zu lassen!
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