Gesetzliche Unfallversicherung
Arbeitsunfall
Die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall und somit durch die Berufsgenossenschaft zu entschädigendes Ereignis, erfolgt nach komplizierten und für den juristischen Laien kaum nachvollziehbaren Kausalitätskriterien. Neben dem Unfall ist somit eine weitere Voraussetzung für die Annahme eines versicherten Arbeitsunfalls die versicherte Tätigkeit einer Person. Für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall sind häufig Fragen der Beweislast entscheidend, welche in vielen Fällen erst im Klageverfahren geklärt werden können.
Wegeunfall
Wenngleich sich der Wegeunfall vom Arbeitsunfall dergestalt unterscheidet, dass er sich nicht während der versicherten Tätigkeit ereignet und der oben erwähnte innere Zusammenhang formal nicht erfüllt scheint, gilt er dennoch als eine „Spielart“ des Arbeitsunfalls und stellt somit einen Versicherungsfall dar.
Bei der Beurteilung der haftungsbegründenden Kausalität ist für die häufigsten Fälle festzustellen: Handelt es sich bei der Arbeit des Betroffenen um eine versicherte Tätigkeit, so sind Hin- und Rückweg versichert. Hierbei stellen sowohl Hin- als auch Rückweg eine versicherungsrechtliche Einheit dar. Somit gilt: Ist der Hinweg versichert, dann ist es auch der Rückweg; im Umkehrschluss ist der Rückweg nicht versichert, wenn es auch der Hinweg nicht war.
Verlässt der Versicherte den Weg nach oder von der Arbeitsstätte mit der Absicht ausschließlich privaten Dingen des eigenwirtschaftlichen Bereichs nachzugehen, stellt sich hierbei zwingend die Frage nach dem Beginn und dem Ende des Versicherungsschutzes.
Hierbei werden im wesentlichen der Abweg der Umweg und die Unterbrechung unterschieden. Welcher Tatbestand hier im Einzelnen vorliegt und die Beantwortung der Frage, ob hier eine Eintrittspflicht der Berufsgenossenschaft gegeben ist, lässt sich ausschließlich an den Umständen des Einzelfalls festmachen und setzt den Einblick in die Verwaltungsakte voraus.
Unfallfolgen
Neben der Feststellung, dass es sich dem Grunde nach um einen Unfall infolge versicherter Tätigkeit handelt, ist die zweite bedeutende Frage die nach dem Umfang hierdurch bewirkter dauerhafter Gesundheitsstörungen.
Ein Hauptproblem in der Auseinandersetzung mit der BG ist dabei die Frage, ob der Arbeitsunfall tatsächlich nur – wie von den Berufsgenossenschaften regelmäßig vorgetragen – eine Gelegenheitsursache und somit kein entschädigungspflichtiges Ereignis darstellt. Eine zusätzliche Verschärfung erfährt dieses Problem nicht zuletzt wegen des in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Alles-oder-nichts-Prinzip. Dies will heißen, dass die Berufsgenossenschaft dann für den gesamten Gesundheitsschaden voll eintritt, wenn der zugrundeliegende Arbeitsunfall zumindest eine wesentliche Bedingung für den Körperschaden darstellt; tut er dies nicht, ist er also nur Gelegenheitsursache, ergibt sich kein Leistungsanspruch gegen die gesetzliche Unfallversicherung. Etwaige Schadensquoten, wie im Sachversicherungsrecht, gibt es im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht.
So kann selbst ein Freizeitunfall mittelbare Folge eines früheren Arbeitsunfalls sein und somit der Entschädigungspflicht der Berufsgenossenschaft unterfallen, wenn die durch den früher erlittenen Arbeitsunfall verursachte Beeinträchtigung entweder bei der Entstehung oder aber dem Ausmaß der Folgen des zeitlich späteren Freizeitunfalls wesentlich mitgewirkt hat.
Nicht nur körperliche Gesundheitsschäden stellen eine wesentliche Bedingung für anzuerkennende Unfallfolgen dar; vielmehr sind auch diejenigen Vorgänge im Bereich der Psyche und des Geistigen hinsichtlich ihrer rechtlichen Bedeutung zu würdigen und werden zunehmend auch geltend gemacht.
Leistungen
Im Falle der Anerkennung eines Versicherungsfalls als Arbeitsunfall haben Versicherte weitreichende und äußerst vielschichtige Ansprüche gegenüber der Berufsgenossenschaft.
Dies liegt vor allem darin begründet, dass die Unfallversicherungsträger durch den Gesetzgeber verpflichtet worden sind, den durch den Eintritt eines Versicherungsfalls verursachten Gesundheitsschaden des Versicherten, in Gestalt einer geminderten Erwerbsfähigkeit, entweder zu beseitigen oder aber zu bessern und insgesamt die Auswirkungen des Versicherungsfalls zu erleichtern.
Hierzu weist der gesetzlich normierte Leistungskatalog zahlreiche Hilfestellung geldwerter oder aber berufshilflicher Natur aus, deren Ausreichung seitens der Berufsgenossenschaften immer rigider, oftmals erst nach zähem Ringen vor dem Sozialgericht, erfolgt. Nachfolgend stellen wir nur die wesentlichsten, in der anwaltlichen Praxis am häufigsten streitbefangenen Leistungen vor.
a) Leistungen zur Heilbehandlung und Rehabilitation
Getreu dem Grundsatz „Prävention vor Rehabilitation und Rehabilitation vor Rente“ hat die Berufsgenossenschaft im Vorfeld der Gewährung einer Verletztenrente ein originäres Interesse an der vollständigen Ausschöpfung aller medizinischen Maßnahmen und rehabilitierenden Eingliederungsversuche des Versicherten.
Hierzu gewährt sie neben der medizinischen Erstversorgung und ärztlichen Behandlung zu ihren Lasten auch die vollständige Übernahme der medizinischen und beruflichen Rehabilitation einschließlich aller hierzu benötigten Hilfsmittel. Im Hinblick auf die Qualitätssicherung bedienen sich die Berufsgenossenschaften hierzu eines Netzes sogenannter D-Ärzte (Durchgangsärzte).
Hierbei handelt es sich in der Regel um seitens der Berufsgenossenschaften besonders geschulte und gleichsam instruierte Unfallchirurgen, die das besondere berufsgenossenschaftliche Heilverfahren im Sinne der Sicherstellung des Behandlungserfolgs zu überwachen haben. In der Praxis ist dies für Versicherte nicht immer vorteilhaft, da besonders „kooperative“ D-Ärzte seitens der Berufsgenossenschaft auch gern mit gutachtlichen Stellungnahmen zur Höhe der MdE des Versicherten beauftragt werden, deren Ergebnisse oftmals die gebotene Objektivität vermissen lassen und die körperlichen Einschränkungen des Versicherten in der Weise beschönigen, dass die MdE und mithin die Rente möglichst gering ausfallen.
Derartige Gefälligkeitsgutachten werden vorwiegend von unmittelbar in berufsgenossenschaftlicher Trägerschaft befindlichen Unfallkliniken und hier besonders von deren Chefärzten erstellt. Trotz des gesetzlich normierten Durchgangsarztverfahrens haben Versicherte dennoch grundsätzlich freie Arztwahl. Diese ist nur unter der Bedingung eingeschränkt, das Art und Schwere der Verletzung ausdrücklich das besondere berufsgenossenschaftliche Heilbehandlungsverfahren erfordert. Aber auch dann hat der Versicherte immer noch die frei D-Arzt-Wahl.
b) Verletztengeld / Übergangsgeld
Analog zum Krankengeld hat das Verletztengeld Lohnersatzfunktion und dient somit dem Ersatz infolge von Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Entgeltes. Die Höhe des Verletztengeldes orientiert sich anders als das Krankengeld an keinen Beitragsbemessungsgrenzen sondern ist begrenzt durch den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Höchstjahresarbeitsverdienst; es beträgt 80% des Bruttoregelentgelts, maximal das Nettoentgelt und kann somit geringfügig höher ausfallen als das Krankengeld.
Es setzt mit dem Ablauf der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber ein und wird solange gezahlt, wie der Versicherte infolge des Versicherungsfalles arbeitsunfähig ist; jedoch in der Regel (von der es auch hier Ausnahmen gibt) nur bis zur Vollendung der 78. Woche. Im Falle einer Wiedererkrankung setzt diese Ausreichungsfrist von vorne ein.
Unbeschadet der 78 Wochen endet das Verletztengeld stets auch dann, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Versicherten nicht mehr zu rechnen ist und somit die Prüfung zur Gewährung der Verletztenrente zu erfolgen hat. Ferner endet das Verletztengeld regelmäßig auch dann, wenn dem Versicherten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (früher Berufshilfe) gewährt werden. Das während dieser Maßnahmen gewährte Übergangsgeld beträgt normalerweise 68 % vom Verletztengeld, in seltenen Ausnahmen 75 %.
c) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Berufshilfe)
In Abhängigkeit von der Eignung und Neigung des Versicherten kommen hier eine Vielzahl von Leistungen in Betracht, die ganz grundsätzlich auch zum beruflichen Aufstieg erbracht werden können. Hierbei hat die Berufsgenossenschaft regelmäßig einen großen Ermessensspielraum.
Im Hinblick auf die berufskundliche Beratung bedient sich der Versicherungsträger sogenannter „Berufshelfer“, die den Versicherten unter Umständen bereits während der medizinischen Rehabilitation am Krankenbett aufsuchen und das weitere Prozedere erörtern.
Die berufliche Rehabilitation umfasst Hilfen zur Erhaltung des alten oder aber zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes. In speziell dafür eingerichteten Berufsförderungswerken (BFW), die auf jede erdenklich Behinderung eingestellt sind und über einen eigenen ärztlichen Dienst verfügen, kann hier von notwendigen Berufsfindungsmaßnahmen über den sogenannten Reha-Vorbereitungslehrgang bis hin zur Umschulung die ganze Bandbreite zu Lasten der BG erfolgen.
Sollte sich eine Umschulung als unzweckmäßig erweisen, hat der Unfallversicherungsträger im Rahmen seines vielfältigen Leistungskatalogs ebenfalls die Möglichkeit ergänzende Leistungen an den Arbeitgeber des Versicherten auszureichen, die diesem die Fortbeschäftigung des Versicherten erleichtern soll. Hier kommen sowohl Lohnzuschüsse als auch ergonomische Hilfsmittel in Frage.
In diesem Zusammenhang erscheint es notwendig darauf hinzuweisen, dass die berufliche Rehabilitation – zu deren Gewährung die Berufsgenossenschaften gesetzlich verpflichtet sind – erst dann abgeschlossen ist, wenn eine vollständige Wiedereingliederung des Versicherten erreicht wurde.
Oftmals versuchen sich die Unfallversicherungsträger ihrer diesbezüglichen Pflichten dergestalt zu entledigen, dass sie eine erfolgreiche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt schon nach banalen Schulungen, die als berufsqualifizierende Maßnahmen deklariert werden, den Erfordernissen des Arbeitsmarktes aber in keiner Weise gerecht werden, behaupten, und sich somit weiterführender Maßnahmen entziehen wollen. Hier gilt es konsequent den Klageweg zu beschreiten.
d) Verletztenrente / Unfallrente
In denjenigen Fällen, in denen die durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit verursachten Gesundheitsschäden nicht folgenlos ausheilen, namentlich wo sowohl die Heilbehandlung als auch die Rehabilitation versagt haben, leisten die Berufsgenossenschaften unter äußerst engen Voraussetzungen eine Verletztenrente.
Diese, von Versicherten häufig begehrte Form der Entschädigung, die nicht selten eine „Begehrensneurose“ (Rentenneurose) entfacht, welche interessanterweise unter bestimmten Voraussetzungen als eigenständiger mittelbarer Folgeschaden wiederum kausal dem Versicherungsfall zugerechnet werden kann und somit adäquat zu entschädigen wäre, ist auf dem Fachgebiet der gesetzlichen Unfallversicherung der Hauptstreitgegenstand und entfacht landesweit eine Flut von Klagen vor den Sozialgerichten.
Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Unfallversicherungsträger trotz eines schon über Jahre anhaltenden Trends der Degression von Leistungsfällen - welcher offenbar mit der allgemeinen Verunsicherung der Arbeitnehmer angesichts stetig wachsender Arbeitslosigkeit, vor allem aber mit der Angst vor dem krankheitsbedingten Verlust des eigenen Arbeitsplatzes zu tun hat und sie offenbar daran hindert berechtigte Ansprüche geltend zu machen - im Hinblick auf die Gewährung von Leistungen einen äußerst rigiden und versichertenfeindlichen Kurs fahren.
Versicherte haben dann Anspruch auf Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls, ungeachtet ob hier ein Arbeitsunfall oder aber eine Berufskrankheit zugrunde liegt, über die 26. Woche nach Eintritt des Versicherungsfalls hinaus um wenigstens 20 v.H. (vom Hundert) gemindert ist.
Ist allerdings die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge mehrerer Versicherungsfälle (z. B. zeitlich gestaffelter Unfälle) gemindert, so müssen die Gesamt-Vomhundertsätze summarisch ebenfalls 20 v.H. betragen, um jeden Versicherungsfall an sich mit Rente zu entschädigen.
Hierbei ist die individuelle Erwerbsfähigkeit des Versicherten das durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützte Rechtsgut. Sie bezeichnet die Fähigkeit des Versicherten, sich unter Nutzung von Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, die sich ihm dort nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten auftun, eine Lebensgrundlage zu schaffen.
Vielfach wird von Versicherten der Begriff der Erwerbsfähigkeit mit dem der Arbeitsfähigkeit gleichgesetzt. Dem ist nicht so. Entscheidend ist nicht so sehr der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der damit einhergehende Funktionsverlust sowohl unter medizinisch-sozialen als auch unter wirtschaftlich-juristischen Aspekten. Hierbei ist im Gegensatz zur Rechtsfigur der Arbeitsunfähigkeit auf das gesamte Erwerbsleben abzustellen. Mit welchem Vomhundertsatz (Prozentsatz) die jeweilige Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu bewerten ist, lässt sich mathematisch nicht genau festlegen, sondern allenfalls annähernd bestimmen. Hierbei ist es üblich Stufen zu wählen, die durch die Zahlen 10, allenfalls 5 oder 3 teilbar sind.
Somit ist die MdE-Bewertung in erster Linie eine Ermessensentscheidung des Unfallversicherungsträgers (nicht etwa des Gutachters, wenngleich dieser natürlich die Entscheidung vorbereitet), der stets eine gewisse Schwankungsbreite (der Toleranzwert liegt bei 5 v.H.) eigentümlich ist.
Ist es durch einen Versicherungsfall zu einer Schädigung gleich mehrerer Organe oder Körperteile gekommen, verbietet sich die einfache Summation der Einzelwerte. Diese könnten hier leicht mehr als 100 % betragen. Vielmehr werden hier die Einzelleiden zu einer Gesamtschau gebracht und entsprechend bewertet. Dies setzt jedoch voraus, dass die Schätzungsgrundlagen richtig ermittelt und gewürdigt wurden und die Schätzung selbst nicht auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht. Die anwaltliche Praxis zeigt, dass dies in den häufigsten diesbezüglichen Streitständen der Fall ist.
Unfallbegutachtung ist im Kern Funktionsbegutachtung. Demnach ist grundsätzlich die durch die schädigende Einwirkung verursachte Funktionseinbuße als MdE zu bewerten. Etwaige mit einer Verletzung einhergehende Schmerzzustände sind bei den Unfallfolgezuständen, die in den MdE-Tabellen enthalten sind, bereits mitberücksichtigt; nur äußerst starke Schmerzen, die sich nach Art und Umfang glaubhaft dem Normbereich entziehen, können eine höhere MdE zur Folge haben.
Für die Höhe der Verletztenrente sind also im Wesentlichen zwei Faktoren maßgebend. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ( MdE ) zum einen und die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes zum anderen. Hierbei handelt es sich um den Gesamtbetrag aller Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen des Versicherten im Jahr vor dem Versicherungsfall.
Die Zahlung der Verletztenrente beginnt an dem Tage, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (die Zahlung von Übergangsgeld ist hiervon nicht berührt). Bestand kein Anspruch auf Verletztengeld setzt die Rentenzahlung am Tage nach dem Versicherungsfall ein.
Für die Dauer von drei Jahren nach dem Eintritt des Versicherungsfalls wird die Verletztenrente als vorläufige Entschädigung gezahlt. Hierbei wird sie häufig nicht als monatliche Rente sondern als sogenannte Gesamtvergütung geleistet. Während dieser drei Jahre kann die Berufsgenossenschaft jederzeit die MdE neu festsetzen und die Rente jederzeit entziehen.
Spätestens mit Ablauf des Dreijahres-Zeitraums hat der Unfallversicherungsträger die Dauerrente festzustellen. Diese wird dann – für den Fall, dass sie nicht befristet wurde und keine wesentlichen Veränderungen in den Verhältnissen eintreten – lebenslänglich gezahlt.
Ob und wann eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten ist, die die Herabsetzung oder gar den Entzug einer Rente rechtfertigen, ist ebenfalls immer wieder streitig und führt zu Klageverfahren gegen die Verwaltungsbehörde.
Die Änderung der Verletztenrente in Gestalt einer Herabstufung oder des Wegfalls ist vornehmlich dann möglich, wenn eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen (gemeint sind diejenigen Verhältnisse, die den rentenberechtigenden Tatbestand erfüllten) eingetreten ist, die im Hinblick auf die MdE eine Änderung von mehr als 5 v.H. bewirkt hat und zudem mehr als drei Monate andauert. Gemeint ist hier also eine Verbesserung des Gesundheitszustands, die sich der Versicherte zurechnen lassen muss.
Im Falle der Verschlimmerung sind im Gegenzug auch Erhöhungen der Rente vorgesehen. Auch ein Abfindung von Renten hat der Gesetzgeber vorgesehen. Eine solche kann nur auf Antrag des Versicherten und auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung der Berufsgenossenschaft erfolgen. Einen Rechtsanspruch auf Abfindung der Verletztenrente haben Versicherte regelmäßig nicht.
Im Hinblick auf eine ermessensfehlerfrei Entscheidung hat der Unfallversicherungsträger zunächst zu prüfen, ob stabile Verhältnisse dergestalt eingetreten sind, das ein Absinken der MdE des Versicherten nicht mehr zu befürchten ist. Ferner muss der Versicherte voraussichtlich das statistische Lebensende erreichen. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass der Versicherte im Falle der Abfindung nicht sozialhilfebedürftig wird (bei Alkoholikern und Spielern wäre ein Zweckentfremdung zu befürchten). Nach neuem Recht muss die Verwendung der Mittel jedoch nicht mehr angezeigt werden.
Hierbei gilt es wie folgt zu unterscheiden: Bezieher von Renten mit einer MdE von unter 40 v.H. werden nach einer festgelegten Formel mit einem lebenslangen Kapitalwert abgefunden. Bei Renten mit einer MdE ab 40 v.H. erfolgt die Abfindung nur über einen Zeitraum von längstens 10 Jahren und nur bis zur Hälfte des Zahlbetrages. Im Falle der leistungsfallbedingten gesundheitlichen Verschlechterung lebt die Rente in Gestalt des für den Umfang der Verschlimmerung festzusetzenden Grades der MdE wieder auf (Differenz zwischen der neuen und der bereits abgegoltenen MdE).
Das Verfahren
Gegen einen Bescheid des Unfallversicherungsträgers, durch den der Versicherte in seinen Rechten beschwert wird - dies sind regelmäßig ablehnende Bescheide - kann er binnen eines Monats, nachdem der Bescheid bekannt gegeben wurde, sowohl schriftlich als auch mündlich zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde, Widerspruch einlegen.
Ist auf den Antrag des Versicherten hin ein Bescheid nicht ergangen, so kann der Versicherte hier die förmliche Bescheiderteilung – notfalls im Wege der Untätigkeitsklage – einfordern.
Um einer drohenden Verfristung entgegenzuwirken, gilt es die sogenannte Widerspruchsfrist in der Rechtsbehelfbelehrung dringend einzuhalten. Andernfalls würde der Bescheid bestandskräftig und wäre nur noch unter unverhältnismäßig hohem Aufwand anfechtbar.
Wenngleich eine Begründung zum Widerspruch formal nicht notwendig ist, ist sie dennoch zweckmäßig. Hierin sollte klar umrissen werden, welche Vorbehalte gegen den Verwaltungsakt (hier die Bescheidung eines Antrags) bestehen und in welcher Hinsicht man sich in seinen Rechten beschwert fühlt. Der Unfallversicherungsträger ist nun gehalten, seine Entscheidung nochmals zu überprüfen und dem Widerspruch entweder abzuhelfen oder aber einen Widerspruchsbescheid zu erteilen.
Selbst wenn das Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) und selbst das erstinstanzliche Klageverfahren vor dem Sozialgericht auch vom juristischen Laien als Widerspruchsführer geführt werden darf, ist aus unserer Sicht bereits bei diesem Verfahrensstand die Beauftragung eines auf das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung spezialisierten Anwalts nahezu unverzichtbar. Die Erfahrung zeigt hier deutlich, dass ohne Rechtsanwalt geführte Vorverfahren überdurchschnittlich oft mit einem ablehnenden Widerspruchsbescheid enden und somit in ein Klageverfahren münden, wo bei professioneller Vertretung eine Einigung im Vorfeld u.U. möglich gewesen wäre.
Anders als der juristische Laie hat der Anwalt bereits bei der Akteneinsicht die Möglichkeit Verfahrensfehler zu erkennen und entsprechend zu rügen. Darüber hinaus können bereits im Vorverfahren gezielt Anträge gestellt werden, die die Beweissituation für das Klageverfahren erheblich verbessern können. Somit ist dem Anwalt eine unmittelbare Einflussnahme auf den Fortgang des Verfahrens – ganz im Sinne seiner Mandantschaft – möglich.
Sollte auch im Widerspruchsverfahren die Durchsetzung eines Leistungsanspruchs nicht gelungen sein, verbleibt nunmehr der Instanzenweg der Sozialgerichtsbarkeit. Im Hinblick auf die Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes ist nunmehr Klage vor dem Sozialgericht (erstinstanzliches Verfahren) geboten. Hierbei unterliegt auch das Sozialgericht dem Amtsermittlungsgrundsatz (siehe oben).
In Abhängigkeit davon, welche Feststellungen mit der Klage begehrt werden, z.B. Gewährung von Verletztenrente oder aber die Anerkennung einer Berufskrankheit, wird das Sozialgericht eigene Ermittlungen durchführen, Unterlagen einfordern und Auskünfte einholen.
Im Klageverfahren kann ferner Beweis erhoben werden durch die Einholung von unabhängigen Sachverständigengutachten. Dies ist insbesondere bei Verfahren gegen die Berufsgenossenschaften unverzichtbar, da sich deren Bescheide im Hinblick auf den medizinischen Sachverhalt – welcher oftmals streitig ist und um den es im Kern geht – ausschließlich auf ihre eigenen, sich oftmals in wirtschaftlicher Abhängigkeit zur Auftraggeberin befindlichen Sachverständigen stützt, und deren Objektivität oft nicht gegeben ist.
Dieser Missstand wird von uns regelmäßig gerügt und die Beauftragung eines vom Gericht zu benennenden (also gänzlich unparteiischen) Sachverständigen beantragt. Darüber hinaus bietet das Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch die Möglichkeit der Einschaltung eines von uns beauftragten Arztes, der den medizinischen Sachverhalt nochmals – im Rahmen einer erneut durchzuführenden Begutachtung – analysiert und seine Sicht der Dinge nochmals vorträgt. Bei diesen medizinischen Fragestellungen arbeiten wir seit Jahren vertrauensvoll mit mehreren Fachärzten zusammen.
Die Entscheidung des Sozialgerichts ergeht in der Regel durch Urteil, selten durch Gerichtsbescheid. Hiergegen verbleibt die Berufung beim Landessozialgericht und ggf. die Revision beim Bundessozialgericht. In der Mehrzahl der Fälle sind Rechtsbehelfe über das erstinstanzliche Verfahren hinaus nicht notwendig, da bei der Beauftragung eines unabhängigen Sachverständigen recht schnell zutage tritt, dass die Verwaltungsakte der Berufsgenossenschaften rechtswidrig und somit zurückzunehmen sind.
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