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BGH: Die Prämienerhöhung der privaten Krankenversicherung ist unzulässig, wenn die Rechnungsgrundlage für die Erhöhung nicht mitgeteilt wird. Rückforderung zulässig.

BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 –

Der Kläger war bei der Beklagten privat krankenversichert. Die Beklagte informierte den Kläger im November 2014 schriftlich über eine Beitragserhöhung zum 1. Januar 2015. In diesem Schreiben fand sich ein fett gedruckter Hinweis auf nähere Erläuterungen in der Anlage "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2015". In dieser Anlage hieß es zur Frage "Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung in der Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegeergänzungsversicherung?" auszugsweise:

"Mit Ihrer privaten Kranken-/Pflege-Versicherung sichern Sie sich lebenslang eine optimale Versorgung. In der privaten Krankenversicherung (PKV) stehen Ihnen alle Möglichkeiten der modernen Medizin offen - und das ein Leben lang! Denn die einmal vertraglich vereinbarten Leistungen sind lebenslang garantiert.

Ihr privater Krankenversicherungsschutz berücksichtigt darüber hinaus den medizinischen Fortschritt bei Diagnostik, Therapiemethoden und Medikamenten. Mit dem medizinischen Fortschritt wächst also der Umfang Ihres Versicherungsschutzes.

Damit wir unser Leistungsversprechen dauerhaft einhalten können, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich alle Beiträge überprüfen. Dies erfolgt in der Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegeergänzungs-Versicherung für jeden einzelnen Tarif, getrennt nach Alter und - für Verträge, die vor dem 21.12.2012 abgeschlossen wurden - zusätzlich nach Geschlecht.

Bei der Überprüfung vergleichen wir die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen. Weichen die Zahlen um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab, müssen die Beiträge angepasst werden. Hierzu sind wir gesetzlich verpflichtet.

Neben den Leistungsausgaben beeinflussen weitere Faktoren den Beitrag:

Steigende Lebenserwartung

Kapitalmarktsituation

Entwicklung des Versichertenbestandes

Diese Information hält der Bundesgerichtshof für unzureichend und gab dem Kläger Recht, der die gezahlte Prämienerhöhung von dem Versicherer zurückforderte.

Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Versicherungsprämie in der privaten Krankenversicherung erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung veranlasst hat.

Ein Versicherungsnehmer kann den Mitteilungen zur Prämienerhöhung der Beklagten nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat. Die "Informationen zur Beitragsanpassung" beschreiben in allgemein gehaltener Form die jährliche Durchführung der Prämienüberprüfung, ohne das Ergebnis der aktuellen Überprüfung mitzuteilen. Der Versicherungsnehmer muss daraus nicht den Schluss ziehen, dass die beschriebenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Prämienerhöhung in diesem Fall eingetreten sind. Die Mitteilungen der Beklagten beschränken sich auf einen allgemeinen Hinweis auf einen Anstieg der medizinischen Kosten in den letzten Jahren. Schon wegen dieses Mangels der Mitteilungen konnten die Prämienerhöhungen keine Wirkung entfalten. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob weitere Beanstandungen hinsichtlich der Klarheit der Mitteilungen berechtigt sind.

Anmerkung RA Zeitler:

Jährliche, zum Teil drastische Prämienerhöhungen der privaten Krankenversicherer sind keine Seltenheit. Versicherte hinterfragen diese und werden durch die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs darin bestärkt. Der BGH stellt klar, dass eine Prämienerhöhung – unabhängig von ihrer inhaltlichen Richtigkeit – auch formale Anforderungen stellt. So muss der Versicherer die Rechnungsgrundlage für die Prämienerhöhung mitteilen. Rechnungsgrundlage für die Neufestsetzung der Versicherungsprämie in der privaten Krankenversicherung sind die Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten. Teilt der Versicherer die Rechnungsgrundlage der Prämienerhöhung nicht mit, ist diese schon aus rein formalen Gründen unzulässig.

Unabhängig davon, ob Krankenversicherern derartige formale Fehler bei den Begründungen ihrer Prämienanpassungen unterlaufen, sind Beitragserhöhungen ggf. auch inhaltlich unbegründet und nicht gerechtfertigt, was Versicherte ebenfalls gerichtlich überprüfen lassen können.  

Kontaktieren Sie uns und nehmen Sie unser Angebot einer kostenlosen Ersteinschätzung wahr!

 

 

 

 


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