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LG Berlin erklärt Vertragsrücktritt der Bayerischen Beamtenkrankenkasse (Versicherungskammer Bayern) für unwirksam und verurteilt diese zum Schadenersatz wegen mangelhafter Beratung.

Landgericht Berlin, Az.: 23 O 238/11

Der Kläger entschloss sich im Jahre 2009 - aufgrund eines Werbeangebotes der BBK -  zu einem Versicherungswechsel von der Gothaer Krankenversicherung zur BBK. Im Rahmen der Beantragung des neuen Versicherungsvertrages lass der Versicherungsvertreter der BBK dem Kläger die Gesundheitsfragen aus dem Antrag vor, ohne dass dieser die Fragen selbst dabei mitlesen konnte. Außerdem wurde über die Frage des Verlustes der gesamten Alterungsrückstellungen kurz gesprochen. Anfang 2010 erlitt der Kläger einen Schlaganfall. Im Rahmen ihrer Leistungsbearbeitungsprüfung ließ sich die BBK eine Schweigepflichtentbindungserklärung seitens des Klägers erteilen. Mittels dieser fand die BBK heraus, dass nicht sämtliche Gesundheitsfragen ihres Antragsformulars zutreffend beantwortet worden waren. Daraufhin erklärte die BBK gegenüber dem Kläger den Rücktritt vom Versicherungsvertrag gemäß § 19 des Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Mit seiner erhobenen Klage begehrte der Kläger gerichtliche Feststellung dahingehend, dass der Rücktritt unwirksam sei und sein Versicherungsvertrag folglich fortbestehe. Außerdem begehrte der Kläger gerichtliche Feststellung dahingehend, dass ihm die BKK seinen zukünftigen Beitragsschaden ersetzen müsse, der ihm daraus entstehen wird, dass er die     - im Alter Beitragsmindernden – Alterungsrückstellungen (beim Vorversicherer gebildet) durch den Versicherungswechsel verloren habe.

Die 23. Versicherungsspezialkammer des LG Berlin gab dem Kläger - durch ihren Vorsitzenden Richter - vollständig Recht. Ein gesetzliches Rücktrittsrecht steht dem Versicherer nur dann zu, wenn er seinen zukünftigen Versicherungsnehmer in Textform (!) zu den gefahrerheblichen Vertragsumständen befragt hat. Dies setzt voraus, dass der zukünftige Versicherungsnehmer die Gesundheitsfragen während der Beantwortung so vor Augen hat, dass er diese selbst mitlesen kann. Selbst eine nachträgliche Überlassung des bereits ausgefüllten Fragebogens genügt dem Textformerfordernis nicht (str.). Da der Kläger die Gesundheitsfragen während seiner Befragung im vorliegenden Fall - unstreitig - nicht persönlich mitlesen konnte, waren diese folglich nicht gesetzeskonform i.S. des § 19 Abs. 1 VVG (in Textform) gestellt. Folgerichtig sprach das Gericht der BBK ein Rücktrittsrecht ab; der Vertrag besteht unverändert fort. Darüber hinaus sprach das Gericht dem Kläger einen Schadenersatzanspruch wegen mangelnder Beratung seitens des Versicherungsvertreters der BBK zu. Dieser hatte es unterlassen, den Kläger auf die überaus gravierenden Folgen des Verlustes seiner - beim Vorversicherer bereits gebildeten umfänglichen Alterungsrückstellungen - ausdrücklich sowie verständlich hinzuweisen.

Anmerkung Rechtsanwalt Wegner, Fachanwalt für Versicherungsrecht:

Versicherungswechsel sind heutzutage an der Tagesordnung. Aufgrund ständig steigender Versicherungsprämien sowie provisionshungriger Versicherungsvertreter (und Makler) werden die privat krankenversicherten gezielt für einen Wechsel ihrer bestehenden Krankenversicherung interessiert. Es wird offensiv mit günstigeren Versicherungsprämien im Neukundengeschäft der Krankenversicherungen geworben. Zweierlei wird dem interessierten Kunden dabei zumeist verschwiegen: 1. Ein Wechsel der Krankenversicherung ist, aufgrund der umfangreichen Gesundheitsfragen, stets mit erheblichen Risiken verbunden. Wer überblickt schon, gerade im fortgeschrittenen Alter, seine gesamte Vorerkrankungsgeschichte. Werden gefahrerhebliche Umstände aber nicht vollständig(!) im Antrag angegeben, so steht dem Versicherer grundsätzlich ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu. Der Versicherungsschutz gerät in Gefahr! Das Rücktrittsrecht führt neben dem Verlust der Krankenversicherung leider zumeist auch zur Leistungsfreiheit der Versicherung (Sie erhalten keine Erstattung ihrer Arzt- oder Krankenhausrechnungen!) Dem Versicherungskunden drohen dann - oftmals Existenzgefährdende - finanzielle Einbußen.     2. Der Verlust der Alterungsrückstellungen wird verharmlost dargestellt oder überhaupt nicht besprochen. Gerade bei langjährig privat krankenversicherten Menschen führt dieser Verlust im Rentenalter zu massiven (alterungsbedingt zusätzlichen) Beitragssteigerungen. Diese Rückstellungen dienen der Versicherung, bei der sie gebildet worden sind, nämlich im Rentenalter  zur Beitragsabsabfederung. Sind Sie betroffen von einem Rücktritt, einer Kündigung oder gar einer Vertragsanfechtung seitens Ihres Krankenversicherers, so wird Ihnen der Gang zu einem Fachanwalt für Versicherungsrecht nicht erspart bleiben, sofern sie nicht im überteuerten Basistarif einer anderen Versicherung landen wollen. Nur der Fachanwalt für Versicherungsrecht kann Ihren Vertrag - und damit zumeist zusammenhängend ihre Leistungsansprüche – u.U. noch retten, indem er genauestens prüft, ob die Versicherung im Rahmen der Beantragung des Vertrages wirklich alles richtig gemacht hat. Dies ist überraschend oft nicht der Fall! Ein Tipp zu guter Letzt: Erteilen Sie Ihrem Versicherer NIEMALS eine gesonderte Schweigepflichtentbindungserklärung! Schalten sie den Fachanwalt für Versicherungsrecht umgehend ein, sobald der Versicherer (plötzlich) damit anfängt, sich für Ihre  Krankheitsgeschichte zu interessieren.


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