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LG Ravensburg: Nürnberger BU-Versicherung beruft sich nicht weiter auf Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und zahlt zur Abfindung des Vertrages € 55.000.

Nach Anhörung unserer Mandantin in der mündlichen Verhandlung stand für das Gericht fest, dass diese nicht arglistig gehandelt hat.

LG Ravensburg, Az.: 1 O 78/13

Unsere Mandantin hatte im Jahre 2009 eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Nürnberger Lebensversicherung abgeschlossen. 2011 beantragte sie Leistungen aus der BU-Versicherung, da ihre behandelnden Ärzte sie für berufsunfähig ansahen. Die Nürnberger nahm den Leistungsantrag zum Anlass, die Angaben unserer Mandantin im Versicherungsantrag zu überprüfen. Dabei stellte sich heraus, dass der Antrag falsche Angaben hinsichtlich der Höhe der Versicherungsleistung einer weiteren (anderen) BU- Versicherung enthielt. Diese Tatsache beruhte allerdings darauf, dass der Versicherungsmakler unserer Mandantin es versäumt hatte, den bereits bestehenden Versicherungsschutz entsprechend anzupassen, so dass beide BU-Versicherungen zusammen eine zu hohe Versicherungsleistung aufwiesen. Dies nahm nunmehr die Nürnberger zum Anlass, unserer Mandantin eine arglistige Täuschung zu unterstellen und den Versicherungsvertrag anzufechten.

Außergerichtlich legten wir der Nürnberger ein Schreiben des Maklers vor, in welchem dieser bestätigte, dass es allein aufgrund seines Versäumens dazu gekommen war, dass die bereits bestehende BU- Versicherung nicht angepasst worden war. Die Nürnberger lehnte die Rücknahme ihrer Anfechtungserklärung dennoch mit dem Argument ab, dass es darauf nicht ankäme, da der Makler schließlich nicht in ihrem Auftrage, sondern im Auftrage unserer Mandantin tätig geworden war.

Insofern war Klage geboten, welche von uns am 25.04.2013 am Landgericht Ravensburg anhängig gemacht wurde. Es wurde vorgetragen, dass es zwar richtig sei, dass ein Versicherungsmakler grundsätzlich im Auftrage seines Kunden tätig wird und unsere Mandantin sich folglich dessen Fehlleistung zurechnen lassen muss.

Anderseits - und das hatte die Nürnberger außergerichtlich nicht akzeptieren wollen - kommt es für die Frage der Arglistigkeit eines Versicherungsnehmers darauf an, ob dieser selbst wissentlich und vorsätzlich falsche Angaben im Versicherungsantrag macht. Dies trifft nur in denjenigen Fällen zu, wo der Versicherungsnehmer um den Fehler seines Maklers weiß (und diesen gegenüber seiner Versicherung nicht richtig stellt) oder gemeinsam mit dem Makler versucht die Versicherung zu täuschen. Beides lag hier nicht vor, da unsere Mandantin sich darauf verließ, dass der langjährige Makler ihrer Familie sich gewissenhaft um ihre sämtlichen Versicherungsangelegenheiten kümmert.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am LG Ravensburg am 19.09.2013 wurde unsere Mandantin vom Gericht ausführlich zur Frage des Zustandekommens des Vertrages angehört. In der Folge erklärte das Gericht, dass es von der Unwirksamkeit der Anfechtung und somit vom Fortbestand der BU- Versicherung zu Gunsten unserer Mandantin ausgeht. Für den Fall, dass eine vergleichsweise Einigung nicht zustande kommt, stellte das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Aussicht, da die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit unserer Mandantin von der Nürnberger weiter bestritten wurde und entsprechende Ermittlungen auch im Rahmen der Antragstellung - aufgrund der sofort ausgesprochenen Anfechtung – nie geführt worden waren.

Angesichts der Aussicht, den Rechtsstreit vielleicht um Jahre fortsetzen zu müssen, erklärte sich unsere Mandantin bereit, dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag zu folgen, welcher beinhaltete, dass die Nürnberger Versicherung einen Betrag i.H.v. € 55.000,00 zur Abfindung und Beendigung des Vertrages zahlte.

Anmerkung RA Dr. Büchner:

Der Fall veranschaulicht ein typisches Verhaltensmuster, welches BU-Versicherungen im Rahmen der Leistungsregulierung regelmäßig an den Tag legen.

Alle Gesellschaften prüfen, nachdem der Leistungsantrag des Versicherten eingegangen ist zunächst sehr genau und aufwendig, ob man dem Versicherungsnehmer vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen nachzuweisen kann, um damit eine Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung begründen zu können. Auf diese Weise hat man sogar zweierlei erreichen. Zum einen muss man den geltend gemachten Versicherungsfall nicht weiter prüfen und zum anderen ist man den erkrankten Kunden, durch die Vertragsanfechtung für immer los.

Dabei soll hier nicht darüber hinweggegangen werden, dass der Vorwurf an unsere Mandantin, bei Vertragsschluss zu einem bereits bestehenden Vertrag falsche Angaben gemacht zu haben, grundsätzlich eine Anfechtung durchaus rechtfertigt. Allerdings handelte unsere Mandantin keineswegs arglistig, wie sich spätestens bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung herausstellte, sondern sie vertraute auf das Handeln und die falschen Zusicherungen des Versicherungsmaklers Dussler, welcher die Nürnberger empfohlen und von dieser auch die Provision für den Vertragsabschluss erhalten hat.

Hier liegt auch das eigentliche Problem des Falles. Gerade BU-Versicherungen, wie die Nürnberger Lebensversicherung, welche ihr Neugeschäft fast ausschließlich über Versicherungsmakler (und nicht über firmeneigene Agenturen) generieren, ziehen sich – wenn sie glauben, im Leistungsfall eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung aussprechen zu können – gern darauf zurück, dass sie mit dem Handeln des möglicherweise unseriösen Maklers nichts zu tun haben, da dieser ja rechtlich selbständig sei und im „Lager“ des Versicherten steht.

Während Anbieter, welche eigene Agenturen betreiben, sich eventuelle Beratungspflichtverletzungen ihrer Vertreter zurechnen lassen müssen, glauben Versicherer wie die Nürnberger, dass sie das nichts angehen muss. In diesem Zusammenhang sollte man wissen, dass die Zusammenarbeit von BU-Versicherungsgesellschaften ohne eigenen Agenturvertrieb mit Maklern oft weit enger ist, als man vielleicht glaubt. Diese Gesellschaften beschäftigen i.d.R. sog. Maklerbetreuer und Bezirksdirektoren, welche fast ausschließlich damit befasst sind, „ihren Maklerbestand“ zu pflegen. Dies bedeutet, dass man die Versicherungsmakler im jeweiligen Bezirk regelmäßig besucht oder anspricht, um sie vom eigenen „Produkt“ zu überzeugen. Inwiefern Makler letztlich von der Betreuung bzw. der Provision oder tatsächlich vom Produkt überzeugt sind, ist am Ende schwer zu beurteilen. Allerdings fallen uns immer wieder Versicherungsmakler auf, die ihren Kunden regelmäßig Verträge mit ein und derselben Gesellschaft anbieten.

Im vorliegenden Fall war das Landgericht Ravensburg nach der Anhörung unserer Mandantin davon überzeugt, dass nicht sie es war, die arglistig gehandelt hat, sondern – wenn überhaupt – der Makler Dussler, welcher seinen Fehler ja auch eingeräumt hatte. Das von der Nürnberger immer wieder vorgetragene Argument, dass man sich das Verhalten des Maklers nicht zurechnen lassen müsse, ließ das Gericht vollkommen zu Recht nicht gelten, weil es darauf auch nicht ankommt. Vielmehr war das Gericht offenbar davon überzeugt, dass jedenfalls keine Arglist bei unserer Mandantin vorgelegen hat, so dass die Rechtsgrundlage für die von der Nürnberger ausgesprochene Anfechtung entfallen war.

 

Im Ergebnis können wir unsere Mandanten und alle Versicherungsnehmer nur immer wieder ermutigen, Anfechtungen wegen arglistiger Täuschung nicht hinzunehmen. Aus unserer Erfahrung verursacht allein der Vorwurf der Täuschung bei vielen Mandanten ein Schuldgefühl, welches dazu führt, dass man sich nicht wagt, dagegen anzugehen, dies ist aus unserer Erfahrung in aller Regel der falsche Weg.

Um es noch einmal klarzustellen: Es gibt durchaus Versicherungsnehmer, die sich einen Vertrag durch arglistiges Verschweigen von Vorerkrankungen erschleichen wollen. In diesen Fällen haben Versicherungen selbstverständlich die Möglichkeit von ihrem Anfechtungsrecht Gebrauch zu machen. Die Praxis zeigt aber, dass solch ein Verhalten die Ausnahme ist. In der Masse der Anfechtungsfälle sind Versicherungsnehmer durch Vertreter oder Makler nicht ausreichend oder gar nicht darüber belehrt worden, wie wichtig die genaue Beantwortung der Gesundheitsfragen ist. Im Gegenteil, häufig werden die Fragen bagatellisiert und der Eindruck erweckt, dass sich die BU-Versicherung nur für besonders schwerwiegende Vorerkrankungen interessiert. Dies nützt in aller Regel aber nur dem Vermittler, welcher seine Provision einstreicht und dem Versicherer, der über Jahre Beiträge kassiert – ohne im Versicherungsfall leisten zu müssen.

Kontaktieren Sie uns und nehmen Sie unser  Angebot einer kostenlosen Ersteinschätzung  wahr!


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