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LG Köln: Der Einsatz eines Privatdetektivs durch die Central Krankenversicherung, war ebenso unzulässig wie die Vertragskündigung, da die „Verdachtslage“ durch die Detektei der Central selbst provoziert worden war!

Landgericht Köln

Urteil v. 01.10.2008 Az. 20 O 208/07

 

LG Köln: Der Einsatz eines Privatdetektivs durch die Central Krankenversicherung, war ebenso unzulässig wie die Vertragskündigung, da die „Verdachtslage“ durch die Detektei der Central selbst provoziert worden war!

 

 

Der Kläger, von Beruf Geschäftsführer eines Bettenhandels für Schlafzimmereinrichtungen, unterhält bei der Beklagten eine Krankentagegeld Versicherung nach Tarif TNB42 mit einem Krankentagegeldsatz von 132,94 €. Die RB/KT 94 und RB/KT 99 sind Gegenstand des Vertrages. Die Beklagte erhöhte mit Wirkung zum 01.01.2007 ihre Beiträge.

Wegen eines Bum-out-Syndroms wurde der Kläger ab dem 12.06.2006 bis Ende Februar 2007 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Mehrere vertrauensärztliche Untersuchungen der Beklagten bestätigten die Arbeitsunfähigkeit. Seit Januar 2007 suchte er etwa zweimal wöchentlich für jeweils ca. 1 Stunde die Filiale in Berlin auf, sprach mit seinen Mitarbeitern, gab Anweisungen und führte Telefonate.

Am 29.12.2006 versuchte ein Mitarbeiter der Beklagten, den Kläger telefonisch zu erreichen. Ein Mitarbeiter des Klägers gab an, der Kläger werde später im Betrieb erscheinen, er habe unregelmäßige Arbeitszeiten. Daraufhin fragte die Beklagte am 16.01.2007 unter Zuhilfenahme der Detektei Y. und deren Mitarbeiter Herrn R. telefonisch an, wie man sich auf eine offene Stelle bewerben könne. Ihm wurde mitgeteilt, dass sich der Kläger zwar im Hause befinde, er sich aber schriftlich bewerben solle. Später am selben Tag fragte der Ermittler R. bei dem klägerischen Unternehmen an, ob der Ankauf von 120 Matratzen für ein Hotel in den Philippinen möglich sei. Der Ermittler R. bat, da es sich um einen größeren Auftrag handele, die Preisverhandlungen mit dem Chef - also dem Kläger - persönlich zu führen. Es wurden auch entsprechende Verhandlungen geführt: Bei einem weiteren Besuch am 01.02.2007 beobachtete der Ermittler R. den Kläger im Gespräch mit zwei Kundinnen. Ihm gegenüber äußerte der Kläger, er habe Stammkunden, die ausschließlich telefonisch bestellten, weshalb er noch „Schreibkram“ erledigen müsse. Die Beklagte zahlte Krankentagegeld in Höhe von 3.456,44 € letztmals mit Leistungsabrechnung vom 12.02.2007 für den Zeitraum 21.12.2006 bis 15.01.2007 an den Kläger.

Mit Schreiben vom 01.03.2007 erklärte die Beklagte die fristlose Kündigung des gesamten Versicherungsverhältnisses und forderte den Kläger auf, ihr 1.785,- € „zurück zu zahlen“. Der Kläger widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 05.03.007. Mit diesem Schreiben übersandte er auch sein Schreiben vom 09.12.2006, mit dem er die Beklagte nach Möglichkeiten einer teilweisen Wiederaufnahme der Tätigkeit gefragt hatte. In einem späteren Schreiben teilte er mit, dass er sich über eine einvernehmliche Regelung der Angelegenheit freuen würde. Die Beklagte antwortete daraufhin mit Schreiben vom 17.04.2007 und stellte fest, dass vom behandelnden Arzt Herrn Dr. P.  100% Arbeitsunfähigkeit attestiert worden sei und dass während dieses Zeitraums keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen werden dürfe. Sie bot an, die Vollkostenversicherung nahtlos weiterzuführen. Die Krankentagegeldversicherung bliebe hiervon unberührt. Wörtlich heißt es weiter: „Sofern Sie unsere Forderung von 1.785,- € ausgleichen und die Beendigung der Krankentagegeldversicherung akzeptieren, würden wir den übrigen Versicherungsschutz wieder in Kraft setzen.“

In der Folgezeit wurde ein Makler, Herr D., für den Kläger tätig. Mit undatiertem Schreiben, das bei der Beklagten am 27.04.2007 einging, hatte dieser zunächst versucht, eine andere einvernehmliche Regelung, insbesondere unter Einbeziehung auch des Krankentagegeldvertrages, zu erzielen. Mit Schreiben vom 16.05.2007 teilte der Makler dann der Beklagten mit, dass der Kläger das gemachte Angebot akzeptiere und sofort nach Urlaubsrückkehr die damit in Zusammenhang stehende Forderung überweisen würde. Daraufhin sagte die Beklagte mit Schreiben vom 23.05.2007 zu, den Kranken- und Pflegeversicherungsschutz wieder in Kraft zu setzen, sobald der Kläger den erforderlichen Rückforderungsbeitrag überwiesen habe. Nachfolgend setzte die Beklagte, nachdem der Kläger die 1.785,- € bezahlt hatte, die Verträge bis auf den Krankentagegeldvertrag wieder in Kraft. Bei den als Rückforderung geltend gemachten 1.785,- € handelte es sich tatsächlich um die Kosten für die Dienste des Detektivbüros Y.

Der Kläger behauptet, er habe bereits mit Schreiben vom 09.12.2006 bei der Beklagten angefragt, unter welchen Voraussetzungen ein teilweises Arbeiten möglich sei. Er habe auf sein Schreiben keine Antwort erhalten und sei deswegen davon ausgegangen, dass eine teilweise Wiederaufnahme der Tätigkeit zur Existenzsicherung möglich sei. Er ist der Ansicht, der Einsatz eines Privatdetektivs durch die Beklagte sei unzulässig gewesen und die Kosten seien nicht erstattungsfähig.

 

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe seine berufliche Tätigkeit ohne vorherige Mitteilung wieder aufgenommen. Sie ist der Ansicht, die Kündigung sei aufgrund der Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit trotz Bestehens von Arbeitsunfähigkeit berechtigt. Darüber hinaus sei zwischen den Parteien ein Vergleich abgeschlossen worden, so dass über die Rechtmäßigkeit der Kündigung nicht mehr entschieden werden müsse.

Mit Schriftsatz vom 17.03.2008 hat der Kläger die Anfechtung des Vergleichs wegen arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 1.785,- € aus §812 Abs. 1 Satz 1 1. Fall BGB. Er hat 1.785,-€ an die Beklagte gezahlt. Ein Rechtsgrund für diese Leistung besteht nicht.

Ein Rechtsgrund ist nicht in dem zwischen der Beklagten und dem Vertreter des Klägers, Herrn D., geschlossenen Vergleich zu sehen, da dieser durch die mit Schriftsatz des Klägers vom 17.03.2008 erklärte Anfechtung des Vergleichs wegen arglistiger Täuschung gemäß § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig ist. Der Kläger hat die Anfechtung durch seinen Prozessbevollmächtigten gegenüber der Beklagten erklärt, § 143 Abs. 1 BGB.

Ein Anfechtungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, da die Beklagte den Kläger über die Grundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung von 1.785,-€ arglistig getäuscht hat. Eine arglistige Täuschung setzt eine vorsätzliche Täuschung zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Die Beklagte verlangte mehrfach mit an den Kläger gerichteten Schreiben ausdrücklich die „Rückzahlung“ eines bestimmten Betrages, während sie tatsächlich die Erstattung von Detektivkosten als Schadensersatz anstrebte. Die Täuschung der Beklagten verursachte beim Kläger eine Fehlvorstellung über das Bestehen von Rückforderungsansprüchen der Beklagten. Dies geht auch aus dem Schreiben des Klägers vom 05.03.2007 hervor, In dem er angibt, bereit zu sein, etwaig zu viel gezahltes Krankentagegeld zurückzuerstatten.

Es kommt hinzu, dass die Beklagte aufgrund der Tätigkeiten des Klägers im Januar 2007 nicht nur die Krankentagegeld Versicherung, sondern auch die Kranken- und Pflegepflichtversicherung des Klägers kündigte. Mit Schreiben vom 17.04.2007 und stellte sie ihm in Aussicht, die Kranken- und Pflegepflichtversicherung erst dann wieder in Kraft zu setzen, wenn er zur Zahlung der 1.785,- € bereit sei. Die hervorgerufene Fehlvorstellung veranlasste den Kläger zum Abschluss des Vergleichs.

Die Anfechtung erfolgte auch innerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB, denn der Kläger erfuhr erst nach Zahlung der 1.785,- € am 29.05.2007, dass es sich bei der geltend gemachten Rückzahlung um eine Schadensersatzforderung handelte.

Ein Rechtsgrund ergibt sich auch nicht aus einem Anspruch der Beklagten auf Erstattung der Detektivkosten aus positiver Vertragsverletzung, § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Versicherungsvertrag. Ein Anspruch auf Ersatz aller notwendigen Aufwendungen als Detektivkosten besteht dann, wenn der Vertragspartner anlässlich eines konkreten Tatverdachts einen Detektiv eingeschaltet hat und der andere Teil tatsächlich einer vorsätzlichen Vertragsverletzung überführt wird.

Es kann offen bleiben, ob das Einschalten des Detektivs R. als Verleitung zum Vertragsbruch bereits unzulässig war. Dies könnte der Fall sein, da der Ermittler einen besonders lukrativen Vertragsschluss in Aussicht stellte und ausdrücklich die Vertragsverhandlungen mit dem Betriebsleiter führen wollte (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2006, 465).

Es bestand - entgegen der Auffassung der Beklagten - bereits kein ausreichender konkreter Tatverdacht für die Einschaltung des Ermittlers. Denn die durch Mitarbeiter des Klägers am 29.12.2006 erteilte Auskunft, dieser befinde sich nicht im Betrieb, da er unregelmäßige Arbeitszeiten habe, genügt nicht als konkreter Verdachtsmoment. Denn es liegt nahe, dass Mitarbeiter gegenüber Außenstehenden nicht angeben, ihr Chef sei arbeitsunfähig, sondern dass sie andere Gründe für seine Abwesenheit benennen. Die weiteren Verdachtsmomente für eine Aufnahme der beruflichen Tätigkeit durch den Kläger ergaben sich erst ab dem 16.01.2007 aufgrund der Einschaltung des Detektivs.

 

 

Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet, da das Versicherungsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten nicht beendet wurde. Es fehlt an einem Kündigungsgrund. Ein Kündigungsgrund gem. § 314 BGB setzt voraus, dass Tatsachen vorliegen, die dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar machen. Für die private Krankenversicherung ist dabei im Hinblick auf ihre soziale Funktion anerkannt, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung erst dann gegeben ist, wenn der Versicherungsnehmer in besonders schwerwiegender Weise die Belange des Versicherers seinem Eigennutz hintanstellt. Das ist vor allem der Fall, wenn er sich Versicherungsleistungen erschleicht oder zu erschleichen versucht (BGH VersR 1985, 54; VersR 2007,1260).

Ein Erschleichen von Versicherungsleistungen liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer Krankentagegeld wegen Arbeitsunfähigkeit verlangt und dem Versicherer zwar die Arbeitsunfähigkeit mitteilt, nicht aber den Umstand, dass er seinen Beruf ungeachtet der Arbeitsunfähigkeit praktisch voll ausübt. Bei der wertenden Betrachtung, ob dem Versicherer ein Festhalten am Vertrag noch zugemutet werden kann, kommt es insbesondere darauf an, ob es sich bei der durchgeführten Tätigkeit um eine wirtschaftlich orientierte und auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit handelt oder um bloße Arbeitsversuche, ob die vorgenommene Tätigkeit eine für das Berufsbild typische darstellt oder sich auf gelegentliche formelle Tätigkeiten beschränkt und schließlich auch, ob der Versicherer davon unterrichtet wird oder ob - auch nach Anfrage - eine durchgeführte Tätigkeit geleugnet wird. Entscheidend ist auch, ob der Versicherungsnehmer im Zeitpunkt seiner beruflichen Tätigkeit noch Krankentagegeld bezogen hat oder ob der Versicherer die Leistungen vorher eingestellt hat, was zu einem eingeschränkten Vertrauen darauf, dass der Versicherungsnehmer nicht arbeite, führt (BGH VersR 2007,1260).

Der Kläger hat im Januar seinen Betrieb mehrfach besucht. Anlässlich dieser Besuche sprach er mit seinen Mitarbeitern, gab Anweisungen und führte Telefonate. Aus dieser Tätigkeit des Klägers ergibt sich für den Zeitraum bis zum 15.01.2007 kein Kündigungsgrund, da ein Nach-dem-Rechten-Sehen für die Dauer von einer Stunde zweimal in der Woche noch keine Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit darstellt.

Für eine intensivere Tätigkeit des Klägers bestehen keine Anhaltspunkte. Aus den durch Mitarbeiter des Klägers erteilten telefonischen Auskünften, der Kläger befinde sich im Geschäft, lässt sich nicht schlussfolgern, dass sich der Kläger tatsächlich dort aufhielt. Es ist naheliegend, dass Mitarbeiter nach außen gegenüber Kunden eine Arbeitsunfähigkeit des Betriebsleiters nicht offen legen. Mehrfach traf der Ermittler der Beklagten den Kläger auch nicht im Geschäft an.

Auch im Hinblick auf die Geschehnisse ab dem 16.01.2007 war der Beklagten unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ein Festhalten am Versicherungsvertrag zumutbar. Erst ab diesem Zeitpunkt wurde der Ermittler R. tätig, erklärte zunächst, sich auf eine offene Stelle bewerben zu wollen, und bat dann - unter Vortäuschung eines Großauftrages - um ein persönliches Gespräch mit dem Kläger, der kurz darauf im Geschäft erschien, ein Verkaufsgespräch führte und dem Ermittler per Fax ein Angebot zukommen ließ. In diesem Zeitraum war das Vertrauen der Beklagten darauf, dass der Kläger seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachging, weniger schutzwürdig, da der Kläger bereits ab dem 16.01.2007 keine Krankentagegeldzahlungen mehr erhielt.

 

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Büchner, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Medizinrecht:

 

Der Rechtsstreit war vollkommen überflüssig, weil zum Zeitpunkt unserer Klageerhebung der BGH einen mehr oder weniger deckungsgleichen Fall, ebenfalls gegen die Central Krankentagegeldversicherung bereits entschieden hatte – worauf wir die Central auch hingewiesen hatten.

Trotz der Kenntnis des gegen sie ergangenen BGH-Urteils war die Central zu keinem Kompromiss bereit und hielt sowohl an der rechtswidrigen Vertragskündigung als auch an der Rückforderung der Kosten für die beauftragte Detektei fest. Die Hoffnung der Central Krankenversicherung, dass das Landgericht Köln den Sachverhalt vielleicht anders beurteilt, als kurz zuvor der BGH erfüllte sich nicht und sie wurde einmal mehr verurteilt!


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