
OLG Koblenz: Generali Lebensversicherung wird zur Zahlung aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung verurteilt. Welche Diagnose den Erkrankungen zugrunde liegt, ist dabei letztlich nicht entscheidend.
OLG Koblenz (10. Zivilsenat), Urteil vom 09.10.2024 – 10 U 258/22; BeckRS 2024, 27324 (unser Az. 115/18)
Die Generali Lebensversicherung (seinerzeit noch als AachenMünchener Lebensversicherung) lehnte den BU-Antrag mit Schreiben vom 10.08.2016 ab und verblieb auch in der Folgezeit bei ihrer Ablehnung. Unsere Mandantin hatte vorgetragen, sie habe zuletzt in gesunden Tagen den Beruf einer selbstständigen Friseurin ohne Mitarbeiter im eigenen Friseursalon mit einem Tätigkeitsumfang von acht bis neun Stunden pro Tag bei einer fünf bis sechs Tage – Woche ausgeübt. Sie litt an einer Spondyloarthritis, einer bilateralen ISG Arthritis, einer Sakroiliitis sowie allergischem Asthma. Aufgrund dieser Erkrankungen war sie seit November 2015 zu mindestens 50% berufsunfähig in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf. Aufgrund von starken Schmerzen im Stehen und Sitzen sowie Bewegungseinschränkungen der Beine und Arme, die auf die vorgenannten Diagnosen zurückzuführen seien, war es ihr nicht mehr möglich, die anfallenden Arbeiten in ihrem Friseursalon für längere Zeit als zwei bis drei Stunden täglich auszuüben.
Die Generali hatte den Antrag unserer Mandantin mit der Begründung abgelehnt, eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit sei nicht nachgewiesen, gleichwohl zumindest die Hausärztin eine Berufsunfähigkeit als Friseuerin bestätigt hatte. Die Generali sah darin keinen Anlass für weitere Ermittlungen und war auch außergerichtlich nicht bereit, den Sachverhalt weiter zu ermitteln, so dass wir zunächst Klage am Landgericht Koblenz erheben mussten.
Das Landgericht Koblenz hat nach Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens entschieden, dass der Klägerin ab November 2017 Leistungen gemäß dem Versicherungsvertrag zu gewähren sind.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es insbesondere nach den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. B, und seinen mündlichen Erläuterungen davon überzeugt sei, dass die Klägerin an einer undifferenzierten Spondyloarthritis erkrankt sei. Der Sachverständige habe bei ihr den typischen Verlauf, insbesondere das Vorliegen der Leitsymptome der Erkrankung schon im 37. Lebensjahr festgestellt und andere Gründe für die bei der Klägerin vorliegende Symptomatik ausgeschlossen. Auch wenn die Beklagte eingewendet habe, die Diagnose sei aufgrund fehlender Entzündungswerte der Klägerin nicht objektivierbar, so habe der Sachverständige dargelegt, im Rahmen der MRT-Untersuchung deutliche Zeichen für abgelaufene und immer wiederkehrende Entzündungen gefunden zu haben und fehlende Entzündungswerte seien keine Voraussetzung für diese Diagnosestellung. Insbesondere die von der Klägerin empfundenen unverhältnismäßigen Schmerzen bei einem Druck auf das Kreuzbein und die deutlich funktionelle Beeinträchtigung beim Finger-Boden-Abstand-Test seien nicht auf die Adipositas der Klägerin zurückzuführen. Die Ausführungen des sehr erfahrenen Sachverständigen seien von einer großen Sachkunde geprägt. Der Sachverständige habe überzeugend ausgeführt, dass der Klägerin gemessen an ihrem Berufsbild eine Tätigkeit von mehr als zwei bis drei Stunden täglich trotz entsprechender Medikation schmerzbedingt und wegen der damit zusammenhängenden Einschränkung der Fingerbeweglichkeit nicht mehr möglich sei. Dies decke sich auch mit den Aussagen der Zeugen, die ein verlangsamtes Arbeitstempo, Schmerzäußerungen der Klägerin während der Arbeit und krankheitsbedingte Absage von Terminen, was vorher nicht vorgekommen sei, bekundet hätten. Es sei auch keine weitergehende Auseinandersetzung des Sachverständigen mit den einzelnen Teiltätigkeiten des von der Klägerin dargelegten Berufsbildes erforderlich. Es liege auf der Hand, dass eine Friseurin im Allgemeinen und die Klägerin bei ihrem zugrundeliegenden Berufsbild im besonderen Maß auf die Arbeit mit ihren Händen angewiesen sei; dies ziehe sich durch die von der Klägerin dargelegten und von den Zeugen bestätigten Teiltätigkeiten. Insoweit sei die Einschätzung einer zeitlichen Belastbarkeit der Klägerin in Bezug auf die Gesamttätigkeit ausreichend. Der Eintritt der Berufsunfähigkeit bei der Klägerin sei nach der gut nachvollziehbaren Darstellung des Sachverständigen auf November 2017 zu datieren, da ab diesem Zeitpunkt erstmals massive Einschränkungen im Arztbericht vom 08.02.2018 aufgrund einer stationären Behandlung in der Kerckhoff-Klinik im Zeitraum vom 06.11.2017 bis 10.11.2017 berichtet worden seien. Für die Zeit davor sei die Klägerin beweisfällig geblieben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei kein weiteres Gutachten einzuholen, die Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ZPO lägen nicht vor. Das zu begutachtende Krankheitsbild falle zumindest auch in das Fachgebiet des der Kammer aus vielen Verfahren bekannten, erfahrenen und kompetenten Sachverständigen Prof. Dr. B.; der Sachverständige habe darüber hinaus anlässlich der Erörterung seines Gutachtens ausdrücklich erklärt, die Fragen zum Beweisthema abschließend und umfänglich beantworten zu können; Anhaltspunkte für Zweifel an seiner Sachkunde bestünden nicht.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet.
Sie rügt insbesondere, das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B., auf das das Landgericht die Verurteilung maßgeblich gestützt habe, sei unbrauchbar. Das Sachverständigengutachten sei auf dem falschen Fachgebiet erfolgt. Da die Klägerin vorliegend Berufsunfähigkeit insbesondere wegen einer Spondyloarthritis geltend mache und es sich dabei um eine rheumatologische Krankheit handele, müsse sie auch von einem internistisch-rheumatologischen Sachverständigen, der für dieses Fachgebiet spezialisiert sei, untersucht und begutachtet werden. Voraussetzung für eine valide gutachterliche Aussage sei die Auswertung der klinischen und bildgebenden Befunde; die Berufsunfähigkeit dürfe nicht maßgeblich aufgrund der subjektiven Angaben der Klägerin festgestellt werden.
Die Berufung ist nur in geringem Umfang begründet, im Übrigen ist sie zurückzuweisen.
Der Klägerin stehen ab Dezember 2017 aus §§ 1 und 3 des Versicherungsvertrages der Parteien Leistungen wegen Berufsunfähigkeit zu: sie ist von den Beitragsleistungen ab diesem Datum zu befreien und ihr ist eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 2.000,00 € auszuzahlen.
Zur Überzeugung des Senats ist die Klägerin seit November 2017 berufsunfähig, d. h. sie kann in Folge von Krankheit voraussichtlich für sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50% ihren zuletzt vor Eintritt dieses Zustands ausgeübten Beruf so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, nicht mehr ausüben, vgl. § 1 Abs. 1 AVB BUV. Denn seit diesem Zeitpunkt liegt bei der Klägerin eine fortgeschrittene degenerative Wirbelsäulenerkrankung vor, nach differenzialdiagnostisch abgelaufener Spondyloarthritis. Durch diese Erkrankung kommt es bei ihr zu chronischen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, die ihr die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit als Friseurin, vollschichtig und an fünf bis sechs Tagen in der Woche im eigenen Friseursalon, die sie in gesunden Tagen ausgeübt hat, unmöglich machen. Dieses vom Landgericht festgestellte Berufsbild der Klägerin in gesunden Tagen hat die Berufung nicht angegriffen.
Der Senat hat zur Frage des Vorliegens einer zur Berufsunfähigkeit führenden Erkrankung der Klägerin ein zusätzliches Gutachten des Rheumatologen Prof. Dr. B. eingeholt. Da erstinstanzlich der Orthopäde Prof. Dr. B.die Klägerin begutachtet und die Klägerin ihre Berufsunfähigkeit mit der rheumatologischen Diagnose einer Spondyloarthritis begründet hat, hat der Senat die Beweisaufnahme fortgeführt, um damit dem Erfordernis des am besten passenden, möglichst spezialisierten Sachverständigen (vgl. Zöller – Greger, ZPO, 35. A., § 404 Rn. 1) zu genügen.
Der Sachverständige Prof. Dr. B. hat, insbesondere anlässlich der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens, anschaulich und ausführlich, auch für den medizinischen Laien gut nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, die Klägerin leide an einer fortgeschrittenen degenerativen Wirbelsäulenerkrankung und ihre anhaltenden Schmerzen und Bewegungseinschränkungen seien anhand der bildgebenden Befunde sowie der Untersuchungen bei vorgegebenen Messpunkten gut reproduzierbar.
An der Halswirbelsäule der Klägerin zeige sich eine Kyphose, d. h. ein Abknicken und außerdem eine Hyperlordose betont im 5. und 6. Halswirbel, eine starke Krümmung nach vorne. Die Schmerzen, die die Klägerin schildere, seien aufgrund dieses bildgebenden Befundes jedenfalls plausibel. Als besonders eindeutig erweise sich das Bild von der Lendenwirbelsäule. Dort zeige sich eine deutliche Hyperlordose, sichtbar im Hohlkreuz der Klägerin, sowie eine Arthrose der Wirbelbogengelenke. Bei der körperlichen Untersuchung zeige sich eine deutliche Einschränkung der Beweglichkeit der Klägerin, insbesondere durch die Messung des Finger-Boden-Abstandes, vgl. S. 3 des Sitzungsprotokolls. Diese Untersuchungsbefunde seien sowohl in der (erstinstanzlichen) orthopädischen Untersuchung durch Prof. Dr. B. als auch bei seiner Untersuchung kongruent und übereinstimmend, vgl. S. 6 des Sitzungsprotokolls.
Der Sachverständige hat auf die Frage der Beklagten, wo die Schmerzen der Klägerin herrühren können, dargelegt, dass degenerative Erkrankungen ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die Patienten haben könnten. Bei Rückenschmerzen, wie die Klägerin sie beschreibe, lägen in der Regel Nervenschmerzen vor. Bei den durchgeführten Untersuchungen sei kein radikuläres Syndrom, d. h. keine Nervenwurzelkompression gefunden worden. Die Schmerzen entstünden aber sehr häufig durch Verspannungen im Muskelbandapparat. Diese verursachten dann weitere Schmerzen, sodass sich daraus ein Teufelskreis ergebe. Bei der Klägerin sei zu beobachten, dass die bisherige Schmerzmedikation mit NSAID-Präparaten (wie Voltaren oder Ibuprofen) nicht besonders gut angeschlagen hätten. Dies sei bei einem entzündlichen Prozess jedoch zu erwarten gewesen, vgl. insb. S. 6 des Sitzungsprotokolls.
Der Sachverständige hat auf den Vorhalt der Beklagten, dass ausweislich des Berichts der Kerckhoff-Klinik ein Finger-Boden-Abstand von 0 cm gemessen worden sei, während im Gutachten von Prof. Dr. B. 50 cm gemessen worden sei, und im Hinblick auf eine Zielrichtung der Frage dahin, dass solche Ergebnisse auch von der Mitarbeit des Patienten abhängig sind, ausgeführt, dass gerade beim Finger-Boden-Abstand-Test unterschiedliche Ergebnisse möglich seien, weil nach dem aktuellen Grad der Verspannung beim Patienten die Beweglichkeit besser oder weniger gut ausgeprägt sei. Er wolle aber betonen, dass die Befunde bei Prof. Dr. B*** und bei seiner eigenen Begutachtung relativ kongruent gewesen seien. Im Hinblick darauf, dass Testergebnisse auch von der Mitarbeit des Probanden abhängig seien, sei auszuführen, dass nicht nur der Finger-Boden-Abstand gemessen worden sei, sondern Prof. Dr. B. und er verschiedene Untersuchungen vorgenommen hätten, wobei sich eine eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule der Klägerin und eine Funktionseinschränkung insbesondere im Lendenwirbelsäulenbereich gefunden habe. Die Frage, ob ein Proband optimal mitarbeite, sei immer Bestandteil der gutachterlichen Fragestellung. Deshalb würden unterschiedliche Tests gemacht, die bei der Begutachtung durch ihn und Prof. Dr. B im Wesentlichen kongruent gewesen seien, was einen recht guten Anhalt zur Beurteilung gebe. Ein Gutachter achte bei der gesamten Begutachtung auch auf kleine Signale, vgl. S. 6 und 7 oben des Sitzungsprotokolls.
Der Sachverständige Prof. Dr. B. hat weiter überzeugend ausgeführt, dass er der Auffassung ist, dass eine degenerativ bedingte Wirbelsäulenerkrankung bei der Klägerin vorliegt und – anders als im Gutachten von Prof. Dr. B.– mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht davon auszugehen ist, dass eine Spondyloarthritis Ursache der Symptome bei der Klägerin ist. Dieses Ergebnis begründet der Sachverständige damit, dass die Klägerin, anders als 85 bis 95% der Patienten mit Spondyloarthritis, die hinsichtlich der Genvariante HLA-B27 positiv sind, HLA-B27 negativ ist, vgl. S. 10 des Gutachtens vom 30.03.2023. Außerdem schlüge eine Medikation mit NSAID-Präparaten, die bei entzündlichen Schmerzen in der Regel gut wirken, bei der Klägerin gerade nicht an. Zudem sei in der bildgebenden Diagnostik eine Hyperostosis triangularis ilii sichtbar im Bereich der Iliosakralfugen erkennbar. Dabei handele es sich um einen klassischen Ausgangspunkt für degenerative Erkrankungen (vgl. dazu S. 12 des Gutachtens vom 30.03.2023, Seite 4 des Sitzungsprotokolls). Somit haben der rheumatologische Sachverständige Prof. Dr. B. und der erstinstanzliche Gutachter, der Orthopäde Prof. Dr. B., zwar die gleiche Schmerzsymptomatik und Bewegungseinschränkung bei der Klägerin festgestellt, stellen dazu jedoch unterschiedliche Diagnosen. Dieser Umstand macht jedoch weder das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. unbrauchbar noch ist eine weitere Beweisaufnahme veranlasst.
Denn auf die medizinisch korrekte Diagnose für die Erkrankung, unter der die Klägerin leidet, kommt es aus versicherungsrechtlicher Sicht nicht entscheidend an. Die Klägerin ist durch den Versicherungsvertrag gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit versichert; allein maßgeblich ist, dass sie aufgrund von Erkrankungen ihren Beruf zu mindestens 50% dauerhaft nicht mehr wie in gesunden Tagen ausüben kann; welche Diagnose dieser Erkrankung zugrunde liegt, ist dabei letztlich nicht entscheidend. Maßgebend ist, dass auch das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. der Annahme der Berufsunfähigkeit der Klägerin nicht entgegensteht; im Gegenteil hat auch der Sachverständige Prof. Dr. B. diese bejaht. Festzuhalten ist aber, dass die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B., wonach die medizinischen Kriterien für die Annahme einer Spondyloarthritis sich nicht sicher feststellen lassen, die Beschwerden der Klägerin aber durch eine degenerative Erkrankung zu erklären sind, für den Senat überzeugend sind.
Der Sachverständige hat aus medizinischer Sicht als Beginn der Berufsunfähigkeit der Klägerin durch die Wirbelsäulenerkrankung (spätestens) den November 2017 festgestellt.
Er hat dazu ausgeführt, dass ein früherer Eintritt der Berufsunfähigkeit möglich, aus seiner Sicht aber spekulativ sei. Ab November 2017 sehe er jedoch gesichert Berufsunfähigkeit, dies insbesondere aufgrund der Arztbriefe. Zeitlich deutlich davor hätten die Beschwerden der Klägerin schon vorgelegen und auch die beruflichen Einschränkungen hätten vorher begonnen. Zum Zeitpunkt November 2017 sei jedoch eine Medikationsergänzung vorgenommen worden, und in dem Befund der Kerckhoff-Klinik vom 08.02.2018, Anlage K 11, Bl. 35 R ff. GA LG, in dem über den Aufenthalt der Klägerin im November 2017 berichtet worden sei, sei das Ausmaß der Erkrankung gut dokumentiert und der Beginn der Berufsunfähigkeit seines Erachtens belegt; auch insoweit teile er die Auffassung des erstinstanzlichen Gutachters, vgl. S. 7 des Sitzungsprotokolls.
Maßgeblich für die Feststellung der Berufsunfähigkeit sei für ihn die Auswirkung der bestehenden Beschwerden auf die Berufstätigkeit und insbesondere die Frage, ob die Klägerin die Tätigkeiten einer Friseurin, also eine dauerhafte angespannte Haltung, um am Kopf des Kunden arbeiten zu können, über längere Zeit bewältigen könne. Nach seiner sicheren Einschätzung stünden die Schmerzen dieser Annahme entgegen. Er halte es nicht für möglich und zumutbar, dass die Klägerin vier Stunden täglich der Tätigkeit einer Friseurin nachgehe, vgl. S. 7 des Sitzungsprotokolls.
Dieser Bewertung schließt der Senat sich vollumfänglich an. Das vom Landgericht festgestellte Berufsbild der Klägerin in gesunden Tagen ist von der Berufung nicht angegriffen worden. Es ist für den Senat absolut plausibel, dass die Klägerin, auch wenn sie mal im Stehen, mal auf einem Hocker sitzend arbeitet, dennoch immer eine anstrengende, dem Kunden zugewandte Haltung einnehmen und dabei über längere Zeit hinweg in einer für sie schmerzhaften Körperposition arbeiten muss. Aufgrund andauernder Schmerzen und Bewegungsbeeinträchtigungen, die sich auch auf die Hand auswirken (unkompletter Handschluss, vgl. Blatt 4 des Protokolls), ist ihr dies nur noch zwei bis drei Stunden täglich zumutbar. Damit ist sie zu mehr als 50% nicht mehr in der Lage, ihrer vollschichtigen Berufstätigkeit in gesunden Tagen nachzugehen.
Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Büchner:
Das Urteil ist insofern interessant, als dass es – ohne den BGH zu erwähnen – an dessen Rechtsprechung (BGH, Urteil v. 14.04.1999 - IV ZR 289/97 -) direkt anknüpft, nach der es in der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung eben nicht auf die Bestimmung einer medizinisch korrekten Diagnose, sondern allein um den Nachweis von Einschränkungen geht, welche den Versicherungsnehmer nicht mehr in die Lage versetzt, seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit zu mindestens 50% nachzugehen.
Auch im hier vorgestellten Fall, waren die mit der Beurteilung des Krankheitsbildes befassten Gutachter zu unterschiedlichen Diagnosen gelangt, jedoch im Ergebnis einig in der Aussage, dass die Mandantin nicht mehr als Friseurin arbeiten kann.
Eine solche Situation ergibt sich nicht selten auch im Bereich der Leistungsprüfung, wo Versicherungsnehmer häufig einen bunten Strauß von Diagnosen verschiedener Ärzte mitbringen und die BU-Versicherungen daraufhin versuchen, damit gegen eine vorliegende Berufsunfähigkeit zu argumentieren. Auch im vorliegenden Fall, hatte der behandelnde Arzt der Mandantin die mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit der Mandantin bereits ausdrücklich bestätigt und somit den bedingungsgemäßen Nachweis der Berufsunfähigkeit erbracht. Weil aber der Bericht der Rheumatologischen Reha-Klinik dem Sachbearbeiter der Generali nicht eindeutig genug war, lehnte die Generali die Leistungen ab, anstatt – was ihre Pflicht gewesen wäre – weiter zu ermitteln.
Letztlich musste die Leistungsprüfung dann durch die Gerichte nachgeholt werden. Im vorliegenden Fall hatten beide gerichtlichen Gutachter die Berufsunfähigkeit unserer Mandantin bestätigt, allerdings mit unterschiedlichen Diagnosen. Der Vortrag der Generali, dass die gerichtlichen Gutachten aus diesem Grunde nicht brauchbar wären, ließ das OLG Koblenz zu Recht nicht gelten.
Der Fall zeigt auch einmal mehr die Gefahr auf, in die sich Versicherungsnehmer begeben, wenn sie sich der Leistungsprüfung des Versicherers bedenkenlos ausliefern, in dem Sie dem Versicherer - durch die entsprechende Schweigepflichtentbindung - die Möglichkeit geben, die behandelnden Ärzte direkt anzuschreiben. Unsere Mandantin – welche im Antragsverfahren noch nicht von uns vertreten war – hatte den Fehler gemacht, der BU-Versicherung eine Schweigepflichtsentbindungserklärung zur Einholung medizinischer Unterlagen direkt bei ihren behandelnden Ärzten zu erteilen und damit jegliche Kontrolle der Leistungsprüfung der Generali aus der Hand gegeben. Das Ergebnis war, dass die BU-Versicherung bei den Ärzten nur allgemeine, aber nicht auf das Berufsbild der Mandantin bezogene Attestberichte einholte und das Ergebnis dann nach ihrem eigenen Gutdünken interpretierte.
Aus diesem Grunde empfehlen wir, bereits vor Antragstellung eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um diese Fehler zu vermeiden.
Falls Sie Fragen dazu haben, kontaktieren Sie uns und nehmen Sie unser Angebot einer kostenlosen Ersteinschätzung wahr.