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Generali Lebensversicherung kann sich im BU-Nachprüfungsverfahren nicht auf eine Obliegenheitsverletzung berufen und muss die BU-Rente weiter zahlen, weil sie ihre BU-Bedingungen inhaltlich nicht korrekt an die geltende Gesetzeslage angepasst hat.

 

Landgericht Hamburg – 332 O 62/16 – Urteil vom 09.11.2016 (Vergleich vor dem OLG Hamburg am 13.03.2017, siehe Anmerkung a.E.)

Sachverhalt

Unsere Mandantin ist bei der Generali Lebensversicherung AG seit dem Jahr 2007 gegen Berufsunfähigkeit versichert. Sie war als Qualitätsmanagerin bei der Deutschen Post tätig. Nachdem sie 2013 psychisch erkrankte und deswegen seit dem 2.4.2013 arbeitsunfähig war, erkannte die Generali ihre Leistungspflicht an und erbrachte die Versicherungsleistungen (Rentenzahlung und Befreiung von den Versicherungsprämien). Im Jahr 2015 leitete die Generali ein sog. Nachprüfungsverfahren ein und forderte unsere Mandantin auf, Angaben zu ihrer aktuellen gesundheitlichen und beruflichen Situation zu machen und Schweigepflichtentbindungserklärungen einzureichen. Unsere Mandantin beauftragte uns mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens der Generali. Wir stellten fest, dass die Generali keine, jedenfalls keine ordnungsgemäße Anpassung der Versicherungsbedingungen an die seit dem 01.01.2009 auch für Altverträge (Versicherungsverträge, die vor dem 01.01.2008 abgeschlossen wurden) geltende aktuelle Gesetzeslage in Bezug auf die Rechtsfolgenregelungen bei Obliegenheitsverletzungen vorgenommen hatte. Wir rieten unserer Mandantin vor diesem Hintergrund, die von der Generali in dem Nachprüfungsverfahren geforderten Mitwirkungen zu verweigern. Die Generali behauptete daraufhin, sie habe die Versicherungsbedingungen aller Versicherungsverträge – auch die unserer Mandantin – ordnungsgemäß an die geltende Gesetzeslage angepasst. Da unsere Mandantin die Mitwirkung an dem Nachprüfungsverfahren weiterhin verweigerte, stellte die Generali die Versicherungsleistungen zum 30.9.2015 ein.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht Hamburg hat unserer Klage stattgegeben und die Generali zur Fortzahlung der Versicherungsleistungen verurteilt. Das Gericht ist unserer Auffassung gefolgt, die Generali habe ihre Versicherungsbedingungen in Bezug auf die Rechtsfolgenregelungen bei Obliegenheitsverletzungen jedenfalls nicht ordnungsgemäß an die seit dem 1.1.2009 auch für den Versicherungsvertrag unserer Mandantin geltenden aktuellen gesetzlichen Regelungen angepasst. Die Generali könne sich daher nicht auf eine Verletzung von Obliegenheiten unserer Mandantin im Nachprüfungsverfahren berufen. Der Versicherungsnehmer könne in einem solchen Fall zwar ausnahmsweise seinen Anspruch auf die Versicherungsleistungen gemäß § 242 BGB ganz oder teilweise verlieren, wenn ihm eine grobe Verletzung der Interessen des Versicherers anzulasten ist, die das vertragliche Vertrauensverhältnis erheblich stört und daher dem Versicherer die (volle) Erfüllung seiner Vertragspflichten unzumutbar macht. Dabei müsse die Annahme einer nach § 242 BGB eintretenden Leistungsfreiheit des Versicherers aber auf besondere Ausnahmefälle von erheblichem Gewicht beschränkt bleiben. Dabei könne im Einzelfall auch eine arglistige Täuschung zur Leistungsfreiheit führen, wobei auch dies jeweils im konkreten Fall zu beurteilen und im Gegenzug zu berücksichtigen sei, dass der Versicherer es in der Hand habe, dafür vertragliche Regelungen vorzusehen, so dass im Fall einer unwirksamen Regelung nicht ohne weiteres auf die allgemeinen Grundsätze zurückgegriffen werden könne. Dass die Klägerin die Auffassung vertreten habe, dass sie im Nachprüfungsverfahren nicht mitwirken müsse, kann jedenfalls nicht als so schwerwiegender Pflichtenverstoß angesehen werden, dass ihr ohne eine vertragliche Grundlage die Leistung entzogen werden könne.

Anmerkungen Rechtsanwalt Stefan Zeitler, Fachanwalt für Versicherungs- und Medizinrecht

Die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes zum 01.01.2008 hat viele Neuerungen und Erleichterungen für die Versicherten gebracht. Die Versicherungsbedingungen der Versicherer in Altverträgen (Verträge, die vor dem 01.01.2008 geschlossen wurden) orientierten sich an der alten Gesetzeslage und sind mit der der neuen Gesetzeslage zum Teil nicht mehr vereinbar. Versicherer hatten die Möglichkeit, die Versicherungsbedingungen von Altverträgen an die neue Gesetzeslage mit Wirkung zum 01.01.2009 anzupassen, sofern sie den Versicherungsnehmern die geänderten Versicherungsbedingungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestens bis zum 30.11.2008 in Textform mitgeteilt haben.

Die Erfahrung zeigt, dass es durchaus Versicherer gibt, die ihre Versicherungsbedingungen entweder gar nicht oder aber nicht korrekt an die neue Gesetzeslage angepasst haben und das sowohl bei Altverträgen (Verträge die vor dem 01.01.2008 geschlossen wurden) als auch erstaunlicherweise bei Neuverträgen (Verträge die ab dem 01.01.2008 geschlossen wurden). Dieses Versäumnis kann weitreichende, für den Versicherer sehr nachteilige Folgen haben. So ist z.B. ein BU-Versicherer dann, wenn er seine Leistungspflicht einmal anerkannt hat und in einem Nachprüfungsverfahren überprüfen will, ob der Versicherte nach wie vor berufsunfähig ist darauf angewiesen, dass der Versicherte an dem Nachprüfungsverfahren mitwirkt, indem der Versicherte z.B. Informationen zu seiner aktuellen gesundheitlichen und beruflichen Situation zur Verfügung stellt und sich ggf. auch einer Untersuchung durch einen vom Versicherer beauftragten Arzt unterzieht. Verweigert der Versicherte diese Mitwirkungen, ist der Versicherer auch nach der aktuellen Gesetzeslage berechtigt, die BU-Versicherungsleistungen vollständig, zumindest aber teilweise zu verweigern, wenn die Versicherungsbedingungen dies vorsehen. Voraussetzung für diese Sanktionen ist nach den Feststellungen des Landgerichts Hamburg – das sich insoweit auf Urteile des Bundesgerichtshofs berufen hat, die zur Wohngebäudeversicherung und zur Rechtsschutzversicherung ergangen sind – jedoch, dass der Versicherer seine Versicherungsbedingungen korrekt an die aktuell geltende Gesetzeslage angepasst hat. Ist dies wie hier nicht geschehen, bleibt eine Obliegenheitsverletzung des Versicherten ggf. komplett sanktionslos, der Versicherer muss die BU-Versicherungsleistungen weiter zahlen.

Anmerkung Dr. Büchner:

Gegen das vorgestellte Urteil ist durch die Generali Berufung erhoben worden. Das OLG Hamburg gab in einem Hinweisbeschluss vom 21.02.2017 zu erkennen, dass es die Rechtsauffassung der ersten Instanz - unter Hinweis auf die eigene Rechtsprechung seit einem Urteil v. 29.11.2016 - nicht teilt. Insofern wurde am 13.03.2017 ein Vergleich am geschlossen.

Aktuell haben wir jedoch weitere Verfahren gerichtlich anhängig innerhalb derer die Rechtsfrage von Obliegenheiten des Versicherungsnehmers beim nicht angepassten Altvertrag eine Rolle spielt. Wir gehen davon aus, dass das hoch umstrittene Problem letztlich vom BGH entschieden werden muss und wird.

Kontaktieren Sie uns und nehmen Sie unser Angebot einer kostenlosen Ersteinschätzungwar!

 

 

 


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