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LG Hamburg – Generali Lebensversicherung AG wird zur Leistung wegen Berufsunfähigkeit verurteilt, Versicherungsgutachter ist unzutreffend von einer Dysthymie und einer Aggravation des Versicherten ausgegangen

Landgericht Hamburg, Urteil vom 25.01.2013 – 314 O 67/11 (rechtskräftig)

1. Sachverhalt und Entscheidung

Unser Mandant war als „CAD Konstrukteur“ im Fahrzeugbau tätig. Im Jahr 2009 erkrankte er psychisch und war seit dem 17.12.2009 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Sein Antrag auf Versicherungsleistungen wegen Berufsunfähigkeit wurde von der Generali Lebensversicherung AG zurückgewiesen, nachdem diese ein privatärztliches Gutachten bei Herrn Dr. med. Gremse aus Liebenburg eingeholt hatte. Der Gutachter der Generali war zu der Einschätzung gelangt, unser Mandant aggraviere (übertreibe bewusst) seine Beschwerden, es sei lediglich von einer Dysthymie (depressive Verstimmung) auszugehen, eine mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit liege nicht vor. Die hiergegen von uns am Landgericht Hamburg erhobene Klage hatte Erfolg. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. med. Dillo (Medizinische Hochschule Hannover) ist nach eigener Untersuchung unseres Mandanten und nach Auswertung der Ergebnisse der vorangegangenen ärztlichen Untersuchungen zu der Einschätzung gelangt, dass bei unserem Mandanten seit dem 17.12.2009 eine depressive Episode mindestens mittelgradiger Ausprägung vorlag. Diese mittelgradige depressive Episode führe – so der Gerichtssachverständige – dazu, dass insbesondere Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Konzentration erforderten, nur noch sehr eingeschränkt ausführbar seien. Der große Anteil an Tätigkeiten mit hoher Konzentrationsanforderung begründe die mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit unseres Mandanten. Dieser Einschätzung des Sachverständigen Dr. Dillo ist das Landgericht Hamburg uneingeschränkt gefolgt.

2. Anmerkung Rechtsanwalt Zeitler, Fachanwalt für Versicherungs- und Medizinrecht

Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie Verfahren in der Berufsunfähigkeitsversicherung bei psychischen Erkrankungen häufig ablaufen. Der Versicherte beantragt gestützt auf Atteste und Befunde seiner behandelnden Ärzte bei seinem BU-Versicherer Leistungen wegen Berufsunfähigkeit. Der Versicherer beauftragt daraufhin selbst einen Arzt oder ein Gutachteninstitut mit der medizinischen Prüfung. Das Gutachten fällt zugunsten des Versicherers aus und verneint eine mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit des Versicherten. Gestützt wird dieses Ergebnis wahlweise auf die Begründungen: 1. der Versicherte sei überhaupt nicht krank / 2. der Versicherte sei nur leicht krank / 3. die Erkrankung sei hinsichtlich ihrer Schwere nicht glaubhaft, weil der Versicherte seine Beschwerden aggraviere (bewusst übertreibe) bzw. Beschwerden sogar simuliere (vortäusche).  Die Einschätzung des Gutachters der Generali, bei unserem Mandanten liege eine Aggravation vor, deshalb könne lediglich von einer leichten depressiven Verstimmung ausgegangen werden, die keine mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit begründe, hat der Gerichtssachverständige Dr. Dillo hier klar widerlegt. Der Gerichtssachverständige ist vielmehr – wie die behandelnden Ärzte unseres Mandanten auch – von einer mittelgradigen depressiven Episode ausgegangen. Dabei hat Dr. Dillo anschaulich beschrieben, dass die Diagnosefindung bei einer depressiven Erkrankung im Wesentlichen auf eine Symptomschilderung durch den Patienten angewiesen ist und die Möglichkeit verifizierender Untersuchungen relativ gering ist. Die Bewertung der Symptome durch den jeweiligen Gutachter kann durchaus unterschiedlich (zutreffend oder übertreibend) wahrgenommen werden. Dr. Dillo hat selbst keine Anzeichen für eine Aggravation bei unserem Mandanten gefunden, weshalb er keine Zweifel an dem Ausmaß der von unserem Mandanten beschriebenen Symptome (Konzentrationsschwierigkeiten, Ermüdungserscheinungen, Antriebslosigkeit, Nachlassen der körperlichen Leistungsfähigkeit etc.) hatte.


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