
OLG Koblenz: Eine mittels Osteopathie und manueller Therapie bei einer Fibromyalgie durchgeführte Heilpraktikerbehandlung ist im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzepts nur zeitlich befristet möglich.
OLG Koblenz, Urteil vom 19. März 2010 – 10 U 1328/03 -
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 10. Oktober 2003 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Parteien streiten um Leistungen aus einem Krankenversicherungsvertrag.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. Juli 1989 privat krankenversichert in dem Tarif VA 140, der bei ambulanter Heilbehandlung auch die Erstattung von Leistungen des Heilpraktikers vorsieht (Bl. 7 d. A.). Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 94) zugrunde (Bl. 39 bis 42 d. A.)
Ab dem Jahre 1997 befand sich die Klägerin wegen gesundheitlicher Beschwerden unter anderem bei dem Heilpraktiker A. B. in C. in Behandlung, der unter anderem chiropraktische und osteopathische Behandlungen bei der Klägerin vornahm. Die Beklagte zahlte zunächst diese Behandlungskosten, für die Zeit vom 16. März 2000 bis zum 2. Oktober 2000 erstattete sie der Klägerin jedoch nur einen Teil der Liquidationen des Heilpraktikers (Bl. 8 bis 22 d. A.), weshalb sich für diesen Zeitraum ein Differenzbetrag von 2.367,28 € ergibt.
Die Beklagte ließ die Liquidationen von dem Heilpraktiker D. begutachten (Bl. 43 bis 46, 54, 64 bis 65 d. A.), der die Auffassung vertrat, die Behandlungen seien zum Teil nicht medizinisch notwendig gewesen. Mit Schreiben vom 5. Januar 2001 (Bl. 70 d. A.) wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die chiropraktischen Behandlungen bei ihr nicht bzw. kontraindiziert seien und deshalb nicht erstattet worden seien. Da zudem die durchgeführte Therapie des Heilpraktikers B. das medizinisch notwendige Maß übersteige bzw. teilweise nicht der Erkrankung angepasst sei, müsste jede Rechnung einem Gutachter zur Beurteilung der Erstattungsmöglichkeit vorgelegt werden. Da dies nicht zumutbar sei, schließe sie Herrn B. vom Versicherungsschutz gemäß § 5 Ziff. I Buchstabe c) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen aus.
Für weitere medizinische Leistungen, unter anderem osteopathische Behandlungen, in dem Zeitraum 16. Oktober 2000 bis 26. März 2001 stellte der Heilpraktiker B. der Klägerin insgesamt 2.357,06 € in Rechnung (Bl. 144 bis 154 d. A.), worauf die Beklagte lediglich 1.071,97 € (Bl. 155 bis 156 d. A.) zahlte; unter Berücksichtigung des zwischen den Parteien vereinbarten Selbstbehalts ergibt sich insoweit ein Differenzbetrag von 525,04 €. Für die Zeit ab dem 27. März 2001 leistete die Beklagte auf die weiteren, Behandlungen der Klägerin bis zum 8. April 2002 betreffenden Liquidationen des Heilpraktikers B. in Höhe von insgesamt 1.741,37 € (Bl. 157 bis 164 d. A.) keine Zahlungen mehr.
Die Klägerin begehrt nunmehr die Erstattung der noch offenen Beträge aus den Liquidationen des Heilpraktikers B. sowie die Gewährung von Versicherungsschutz auch für dessen künftige Behandlungen.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie leide an Fibromyalgie. Die Behandlung durch den Heilpraktiker B. habe ihre Beschwerden gebessert und das medizinisch notwendige Maß nicht überschritten. Die Rechnungen des Heilpraktikers seien nicht überhöht. Der von der Beklagten erklärte Ausschluss sei unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.633,69 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins aus 2.367,28 € seit dem 2. Februar 2001 und aus 2.266,41 € seit dem 2. Mai 2002 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Behandlung durch den Heilpraktiker A. B. aus C. entsprechend dem Versicherungsvertrag auch nach dem 08.04.2002 Versicherungsschutz zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Behandlung durch den Heilpraktiker sei immer gleich gewesen bei gleich bleibender Diagnose. Im Hinblick auf die Häufigkeit der Behandlungen liege eine überdurchschnittliche therapeutische Maßnahme vor, die das medizinisch notwendige Maß überschreite und der Erkrankung nicht angepasst sei.
Das Landgericht hat, nachdem von dem zunächst angerufenen Amtsgericht O ein schriftliches Sachverständigengutachten des Heilpraktikers E. vom 27. Februar 2002 (Bl. 119 bis 130 d. A.) zur Angemessenheit der Abrechnungen des Heilpraktikers B. eingeholt worden war, nach Verweisung des Rechtstreits an das Landgericht und Durchführung einer eigenen Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dr. med. F. vom 27. Mai 2003 (Anlage) und dessen schriftlicher Ergänzung vom 20. August 2003 (Bl. 243 bis 247 d. A.) sowie dessen mündlicher Erläuterung vom 22. August 2003 (Bl. 234 bis 239 d. A.) der Klage voll stattgegeben und die Beklagte entsprechend verurteilt, an die Klägerin 4.633,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 2.367,28 € seit dem 2. Februar 2001 und aus weiteren 2.266,41 € seit dem 2. Mai 2002 zu zahlen sowie der Klägerin auch für die Zeit nach dem 8. April 2002 Versicherungsschutz für die Behandlung durch den Heilpraktiker A. B. zu gewähren.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin seit Jahren an Fibromyalgie, die derzeit nicht heilbar sei, leide. Zur Vermeidung einer Chronifizierung sei eine Behandlung jedes akuten Schmerzes angezeigt, vor allem durch physikalische Therapie und die Gabe von Lokalanästhetika. Die Behandlung durch den Heilpraktiker B. habe bei der Klägerin zu einer Linderung der Beschwerden geführt und sei nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. med. F. medizinisch angemessen gewesen. Schulmedizinische Behandlungen wären mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auch nicht erfolgreicher gewesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen erfolgten im Laufe der Heilpraktikerbehandlungen Phasen der gesundheitlichen Besserung bei der Klägerin mit nachfolgenden Verschlechterungen; deshalb sei jeweils eine erneute Status erhebende Untersuchung erforderlich gewesen. Da die Heilbehandlung durch den Heilpraktiker B. weder medizinisch nicht angezeigt noch der Erkrankung nicht angepasst oder in der Liquidation überzogen sei, ergäben sich keine Gründe für einen berechtigten Ausschluss der Heilbehandlungskosten des Heilpraktikers B..
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags geltend macht, die Heilpraktikerbehandlung der Klägerin sei selbst bei Zugrundelegung einer Fibromyalgieerkrankung hinsichtlich Art und Häufigkeit der Anwendungen nicht adäquat gewesen. Dem Sachverständigen Dr. med. F. komme keine höhere Sachkunde zu als dem Heilpraktiker D. und dem Sachverständigen E., die jedoch die Behandlungen des Heilpraktikers B. als nicht medizinisch notwendig angesehen hätten. Es bedürfe daher eines weiteren Sachverständigengutachtens. Eine Verurteilung zur Gewährung von Versicherungsschutz für die Behandlung durch den Heilpraktiker B. sei nicht möglich, da eine Gewährung von Versicherungsschutz immer den Eintritt eines Versicherungsfalls voraussetze und dessen Vorliegen jeweils zu prüfen sei.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Landgerichts aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen;
2. das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
sowie
Zulassung der Revision.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil, wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und trägt ergänzend vor, die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Versicherungsschutz für die Behandlung durch den Heilpraktiker B. sei zulässig, da wegen der andauernden Heilbehandlung der Klägerin durch diesen die konkrete Notwendigkeit entsprechender weiterer künftiger Heilbehandlung gegeben sei.
Der Senat hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 1. Oktober 2004 (Bl. 320 bis 321 d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des PD Dr. med. G. vom 29. September 2005 (Bl. 332 bis 347 d. A.). Nachdem der Sachverständige gemäß Beschluss des Senats vom 31. Mai 2007 (Bl. 447 bis 449 d. A.) von der Klägerin berechtigterweise wegen Befangenheit abgelehnt worden war, hat der Senat Beweis erhoben nach Maßgabe der Beweisbeschlüsse vom 15. Juni 2007 (Bl. 451 bis 452 d. A.) und vom 5. Mai 2008 (Bl. 474 bis 475 d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. med. A. H. mit Dr. med. I. vom 29. Juli 2009 (Bl. 523 bis 612 d. A.).
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch für die ihr durch die Behandlungen des Heilpraktikers B. entstandenen Heilbehandlungskosten nicht zu. Die Beklagte ist wegen des wirksamen Ausschlusses der Rechnungen des Heilpraktikers B. von der Erstattung auch nicht verpflichtet, der Klägerin für die Zeit nach dem 8. April 2002 Versicherungsschutz für die Behandlung durch den Heilpraktiker B. zu gewähren.
Nach § 1 Nr. 1 Buchstabe a) MB/KK 94 bietet der Versicherer Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse und gewährt im Versicherungsfall in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen. Gemäß § 1 Nr. 2 MB/KK 94 ist Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Nach § 4 Nr. 2 MB/KK 94 dürfen auch Heilpraktiker in Anspruch genommen werden. Der Versicherer leistet nach § 4 Nr. 6 MB/KK 94 im vertraglichen Umfang für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind, darüber hinaus für Methoden, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt haben oder angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden zur Verfügung stehen; der Versicherer kann dann jedoch seine Leistungen auf den Betrag herabsetzen, der bei der Anwendung vorhandener schulmedizinischer Methoden angefallen wäre. Nach § 5 Nr. 2 MB/KK 94 kann der Versicherer seine Leistungen auf einen angemessenen Betrag herabsetzen, wenn eine Heilbehandlung das medizinisch notwendige Maß übersteigt.
Die Beklagte ist nach diesen Versicherungsbedingungen, die unstreitig zwischen den Parteien vereinbart wurden, der Klägerin zur Erstattung der wegen einer Krankheit entstandenen medizinisch notwendigen Heilbehandlungskosten eines Heilpraktikers verpflichtet. Für den Behandlungszeitraum 1997 bis zum 15. März 2000 zahlte die Beklagte unstreitig die der Klägerin für die Behandlung durch den Heilpraktiker B. entstandenen Kosten, während sie für den Zeitraum vom 16. März 2000 bis zum 26. März 2001 nur eine Teilerstattung vornahm. Den insoweit und für den weiteren Behandlungszeitraum bis zum 8. April 2002 entstandenen Differenzbetrag kann die Klägerin nicht von der Beklagten erstattet verlangen, da insoweit keine medizinisch notwendige Heilbehandlung vorlag, die Beklagte daher nicht zur Erstattung verpflichtet ist.
Nach § 1 Nr. 2 Satz 1 MB/KK 94 ist Versicherungsfall in der Krankheitskostenversicherung, der die Leistungspflicht des Versicherers auslöst, „die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen“. Steht es – wie hier – außer Streit, dass die Heilpraktikerbehandlung wegen einer Krankheit im Sinne dieser Klausel durchgeführt worden ist, muss der Versicherungsnehmer darlegen und im Bestreitensfall beweisen, dass es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung gehandelt hat (BGH VersR 1996, 1224). Der Begriff der medizinisch notwendigen Heilbehandlung umfasst jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abzielt. Dem ist eine ärztliche Tätigkeit gleich zu achten, die auf eine Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet ist. Bei der Prüfung, ob die Heilbehandlung als medizinisch notwendig im Sinne des § 1 Nr. 2 MB/KK 94 anzusehen ist, ist ein objektiver Maßstab anzulegen (BGH a. a. 0.).
Die objektive Anknüpfung bedeutet, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers und nicht allein auf die des behandelnden Arztes ankommt. Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein. Demgemäß liegt eine medizinisch notwendige Heilbehandlung dann vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen. Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung wird im Allgemeinen dann auszugehen sein, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewandt worden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken (BGH a. a. 0.; Senatsurteil vom 17. Februar 2006 – 10 U 664/05 –, VersR 2007, 680 = OLGReport 2007, 159; Senatsurteil vom 9. Februar 2001 – 10 U 604/99 –, VersR 2001, 1417). Im vorliegenden Fall kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die von dem Heilpraktiker B. angewandte chiropraktische und osteopathische Therapie geeignet war, eines dieser Behandlungsziele zu erreichen.
Die Sachverständigen Dr. med. I. und Prof. Dr. med. H. haben in ihrem auf Aktenlage erstellten Gutachten hierzu festgestellt, dass aus heutiger Sicht für das Jahr 2000 das sichere Bild eines Fibromyalgiesyndroms bei der Klägerin anzunehmen sei. In der Fachliteratur sei das Fibromyalgiesyndrom bereits seit dem Jahre 1994 beschrieben und die Beschwerden der Klägerin im Jahre 2000 könnten bei einem Abgleich mit den von den verschiedenen Autoren aufgestellten Kriterien für die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms diesen jeweils zugeordnet werden.
Der Senat hat keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit dieser sachverständigen Ausführungen. Die Klägerin hat bereits vor der Gutachtenerstellung Zweifel an der Sachkunde der Sachverständigen Prof. Dr. med. H. und Dr. med. I. geltend gemacht, da es diesen für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der in den Jahren 2000 bis 2002 durchgeführten Heilpraktiker-behandlung der Klägerin mittels Osteopathie an den zu dieser Therapierichtung notwendigen Anwendungskenntnissen fehle und sie rein schulmedizinisch orientiert seien (Bl. 486 bis 487, 494 bis 495 d. A.). Diesen Bedenken vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Der Sachverständige Prof. Dr. med. H. ist Ärztlicher Direktor der J. Rheumazentrum XXX AG in Y., einem Krankenhaus für Innere Medizin, Rheumatologie, Knochenstoffwechselstörungen, Osteoporose und Physikalische Therapie, und er selbst ist Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Nephrologie und Hypertensiologie. Der Sachverständige Dr. med. I. ist ebenfalls in der J. Rheumazentrum XXX AG beschäftigt und selbst Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Spezielle Schmerztherapie und Manuelle Medizin. Da das Fibromyalgiesyndrom, wie auch der erstinstanzliche Sachverständige Dr. med. F. in seinem Gutachten vom 27. Mai 2003 ausgeführt hat (dort Seite 44 und 45), ein breites Beschwerdebild aufweist mit vielfältigen Schmerzen vor allem in den Bewegungsorganen und Muskeln, aber zu den rheumatischen Erkrankungen zählt, kommt einem auf diesem Gebiet tätigen Facharzt, der zugleich über Fachkenntnisse im Bereich der bei der Klägerin angewandten Therapie der Manuellen Medizin verfügt, eine besondere Sachkunde zu. Dies gilt um so mehr, als die Klägerin sich dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. med. F. anschließen will, der Facharzt für Allgemeinmedizin ist (vgl. Bl. 234 d. A.) und als solcher nicht über eine höhere Sachkunde als die vom Senat bestellten Sachverständigen verfügt, auch wenn er Begutachtungen zu anderen Fachgebieten vornimmt und nach eigenen Angaben seit vielen Jahren Erfahrungen auf dem Fachgebiet Fibromyalgie hat. Die Beklagte hat keine Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten erhoben.
Einer körperlichen Untersuchung der Klägerin durch die Sachverständigen bedurfte es zur Gutachtenerstellung nicht, da allein die Frage einer medizinischen Notwendigkeit der von dem Heilpraktiker B. seit März 2000 durchge-führten Behandlung zu beantworten war (vgl. Beweisbeschluss vom 15. Juni 2007, Bl. 451 bis 452 d. A.) und es dafür nicht auf den Gesundheitszustand der Klägerin im Jahre 2009 ankommen konnte. Vielmehr konnte diese Frage allein anhand der zur Verfügung stehenden Unterlagen beantwortet werden.
Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen ist damit davon auszugehen, dass die Klägerin im Jahre 2000 an einem Fibromyalgiesyndrom litt. Für die Frage der medizinischen Notwendigkeit der damaligen Heilpraktikerbehandlung kommt es damit zunächst darauf an, ob die durchgeführten Therapiemaßnahmen zur Behandlung des Fibromyalgiesyndroms als medizinisch notwendig angesehen werden konnten. Dies haben die Sachverständigen Prof. Dr. med. H. und Dr. med. I. in ihrem Gutachten verneint und damit begründet, dass in der Fachliteratur zum Fibromyalgiesyndrom seit dem Jahre 1987 die Manuelle Therapie und die Osteopathie ganz überwiegend gar nicht erwähnt, im Übrigen allenfalls für einen befristeten Zeitraum im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzepts als Therapiemöglichkeit des Fibromyalgiesyndroms befürwortet werden. Die Sachverständigen haben im Einzelnen die von ihnen herangezogene Fachliteratur dargestellt, die nicht nur auf schulmedizinischen Ansätzen beruht. So wird zum Beispiel ausgeführt, dass das „Lehrbuch der osteopathischen Medizin“ von Philip E. Greenman, 3. Aufl. 2005, keine Therapieoptionen für das Fibromyalgiesyndrom vorsieht und auch L. Bayer in dem Werk „Manuelle Medizin 2008“ zur Behandlung des Fibromyalgiesyndroms einen nur zeitlich befristeten Einsatz von Manueller Medizin und Osteopathie im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzepts als möglich, aber nicht als Mittel der Wahl ansieht.
Im Hinblick auf diese vereinzelt vertretene Auffassung kommen die Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass die von dem Heilpraktiker B. vorgenommenen Behandlungen, die zum großen Teil aus chiropraktischen und osteopathischen Anwendungen bestanden, allenfalls für einen Zeitraum von zwei Monaten mit insgesamt 8 bis 10 Behandlungen als Behandlungsversuch zu rechtfertigen gewesen seien. Da die Beklagte die Behandlung der Klägerin durch den Heilpraktiker B. bis zum 15. März 2000 vollständig und danach noch teilweise bis zum 26. März 2001 bezahlt hat, sind die als Behandlungsversuch zu ersetzenden Anwendungen bereits von der Beklagten ausgeglichen worden. Ein weitergehender Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte besteht daher nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass in dem hier streitigen Behandlungszeitraum März 2000 bis April 2002 zunächst das Vorliegen eines Fibromyalgiesyndroms noch nicht bekannt war. Ausweislich des ärztlichen Attestes der die Klägerin damals behandelnden Ärztin Dr. med. R. vom 23. August 2001 (Bl. 92 d. A.) stellte diese damals die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms bei der Klägerin. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt waren die chiropraktischen und osteopathischen Behandlungen der Klägerin nicht als medizinisch notwendig anzusehen, da diese Therapieformen – wie ausgeführt – dafür nicht angezeigt sind und der Zeitraum eines Behandlungsversuchs mit diesen Anwendungen bereits erschöpft war.
Für den davorliegenden Zeitraum erfolgte die Heilpraktikerbehandlung der Klägerin bis zum 2. Oktober 2000 auf der Grundlage der Diagnosen Lumboischialgie mit pluriseg. Subluxationen L 2-L 5, Dysfunktion des Temporomandibulargelenks li., Fascialisneuralgie li., Insertionstendopathie des M. supraspinatus, M. Splenius sowie Diaphragmahochstand (Bl. 8 bis 22 d. A.), für den Zeitraum ab 10. Oktober 2000 auf der Grundlage der Diagnosen plurisegmentale Subluxationen verschiedener Wirbel, Dysfunktion des Temporomandibulargelenks li., Brachiocephalgie li., Insertionstendopathie des M. trapezius li., des M. levator scapulae li., ligamentäre Fixation des AC-Gelenks, Wirbelsäulengesamtsyndrom und klimakterische Beschwerden (Bl. 144 bis 164 d. A.). Die Sachverständigen Prof. Dr. med. H. und Dr. med. I. haben in ihrem Gutachten ausgeführt, dass auch bei isolierter Betrachtung der gestellten Diagnosen ohne Kenntnis eines Fibromyalgiesyndroms die von dem Heilpraktiker B. vorgenommenen Anwendungen nicht oder nicht in dieser Häufigkeit medizinisch indiziert waren. So sei die Manuelle Therapie bei Bandscheibenvorfällen, wie sie die Klägerin unstreitig im November 1999 erlitten hat, kontraindiziert und es sei nicht davon auszugehen, dass bei der Klägerin eine Besserung ihrer Beschwerden wegen der Heilpraktikertherapie mit chiropraktischen und osteopathischen Anwendungen eingetreten sei, da die Fibromyalgie einen phasenweisen Krankheitsverlauf aufweise und deshalb eine vorübergehende Besserung der Beschwerden nicht mit einem Behandlungserfolg korrelieren müsse (Bl. 601 d. A.). Zur Besserung einer isolierten Funktionsstörung sei ein allenfalls vorübergehender Einsatz einer gezielten chirotherapeutischen Behandlung indiziert, bei fehlender Beschwerde-/Funktionsbesserung sei das Therapiekonzept kritisch zu hinterfragen. Eine Indikation zum chiropraktischen Behandeln im genannten, hier strittigen Umfang (216 chiropraktische oder osteopathische Behandlungen im Zeitraum 16. März bis 2. Oktober 2000) bestehe sicher nicht (Bl. 602 d. A.).
Für den Fall des Vorliegens einer somatoformen Schmerzstörung sei eine Chirotherapie in dem genannten Umfang zweifelsfrei völlig kontraindiziert, da hier in erheblichem Umfang zu einer Chronifizierung des Beschwerdebildes beigetragen werde. Nehme man ein Hypermobilitätssyndrom als Ursache lokaler wie generalisierter Gelenk-, Rücken- und Weichteilschmerzen an, so lasse sich keine Indikation zu chirotherapeutischer Behandlung stellen. Das Auftreten reversibler hypomobiler Funktionsstörungen (Blockaden) als klassische Indikation zur Manuellen Therapie solle zur Behandlung im Rahmen eines Therapiekonzeptes auch mit aktiver Übungsbehandlung führen. Die den Krankenunterlagen zu entnehmenden Diagnosen einer Osteochondrose mit sekundärer Spondylosis deformans, Bandscheibenprotrusion BWK 11/12 und L 5/S 1, beidseitige Hüftgelenksdysplasien mit Coxarthrosen sowie Retropatellar-Arthrosen könnten zeitlich befristet eine Indikation zur osteopathischen bzw. manualtherapeutischen Behandlung sinnvollerweise im Rahmen eines komplexen Therapieprogrammes darstellen. Insoweit sei ein Kurzzeittherapieversuch über einen Zeitraum von sieben Wochen vertretbar (Bl. 602, 603 d. A.).
Daraus ergibt sich wiederum, dass die von dem Heilpraktiker B. vorgenommene chiropraktische und osteopathische Behandlung der Klägerin auch zur Behandlung des jeweils akuten Beschwerdebildes allenfalls über einen Zeitraum von zwei Monaten mit insgesamt acht bis 10 Behandlungen gerechtfertigt war. Diese als möglicherweise medizinisch notwendig anzusehenden Behandlungen hat die Beklagte jedoch bereits der Klägerin erstattet, so dass die auf Zahlung weiterer Behandlungskosten des Heilpraktikers B. zielende Klage unbegründet und damit abzuweisen ist.
Der Senat hat mit Beschluss vom 17. August 2009 (Bl. 613 d. A.) den Parteien eine Frist zur Stellungnahme zu dem Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. med. H. und Dr. med. I. bis zum 19. Oktober 2009 gesetzt. Die Beklagte hat zu dem Gutachten mit Schriftsatz vom 24. August 2009 (Bl. 616 d. A.) Stellung genommen. Nachdem die Klägerin, deren Prozessbevollmächtigtem der Senatsbeschluss vom 17. August 2009 am 20. August 2009 zugegangen ist (Bl. 614 d. A.), sich nicht geäußert hatte, wurde am 29. Oktober 2009 Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf den 15. Januar 2010 (Bl. 619 d. A.). Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 24. November 2009 (Bl. 623 d. A.) wegen zum Jahreswechsel eintretender Überlastung die Verlegung des Verhandlungstermins auf den 15. Februar 2010. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde daraufhin verlegt auf den 26. Februar 2010 (Bl. 625 d. A.). Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 7. Januar 2010 (Bl. 628 d. A.) beantragte die Klägerin, dass der Sachverständige seinen (ergänzend mit Schreiben vom 15. November 2009, Bl. 622 d. A., mitgeteilten) Literaturbezug am konkreten Krankheitsbild der Klägerin dezidiert diskutieren solle und teilte mit, dass sie die NN Gesellschaft für Osteopathische Medizin um eine Evaluation des Sachverständigengutachtens gebeten habe, und bat deshalb um eine Verlegung des Termins vom 26. Februar 2010 bis zu einer Gutachtenergänzung. Die Beklagte wies sodann mit Schriftsatz vom 20. Januar 2010 (Bl. 632 d. A.) auf die bereits seit langem abgelaufene Frist zur Stellungnahme zu dem Sachverständigengutachten hin. Die Klägerin überreichte mit Schriftsatz vom 16. Februar 2010 (Bl. 634 ff. d. A.) eine Evaluation des Sachverständigengutachtens durch den Arzt Dr. med. F., in der dieser Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten erhebt.
Der Senat hat keine Veranlassung zu einer Ergänzung des Sachverständigengutachtens gesehen. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 16. Februar 2010 Einwendungen gegen das Gutachten erhoben hat, sind diese im Hinblick auf die ihr bis zum 19. Oktober 2009 gesetzte Stellungnahmefrist verspätet und damit nicht mehr zu berücksichtigen, § 411 Abs. 4 Satz 2, § 296 Abs. 1 und 4 ZPO. Bei einer Zulassung der Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten müsste dieses durch die Sachverständigen schriftlich oder mündlich ergänzt werden, was die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass zwischen der Fristsetzung vom 17. August 2009 und dem Verhandlungstermin vom 26. Februar 2010 immerhin ein Zeitraum von sechs Monaten liegt, seit Ende der vom Senat gesetzten Stellungnahmefrist ein Zeitraum von vier Monaten, in denen jeweils eine entsprechende Gutachtenergänzung möglich gewesen wäre, sofern seitens der Klägerin rechtzeitig Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten erhoben worden wären. Der Antrag der Klägerin vom 7. Januar 2010, der Sachverständige möge seinen Literaturbezug am konkreten Krankheitsbild der Klägerin dezidiert diskutieren, ist aus den dargelegten Gründen ebenso verspätet, im Übrigen auch inhaltlich nicht nachvollziehbar, da die Sachverständigen zum Krankheitsbild der Klägerin – wie dargelegt – dezidiert Stellung genommen haben und der Sachverständige Dr. med. I. in seinem Schreiben vom 15. November 2009 nur auf einen aktuellen Beitrag im Deutschen Ärzteblatt bezüglich der wissenschaftlichen Bewertung osteopathischer Verfahren hinwies. Dieser Hinweis lässt keine Notwendigkeit einer erneuten Diskussion des Krankheitsbildes der Klägerin durch die Sachverständigen erkennen. Die Klägerin hat auch keine Gründe für die verspätete Vorlage ihrer Stellungnahme zu dem Sachverständigengutachten vorgetragen.
Auch eine Gutachtenergänzung von Amts wegen war nicht angezeigt, da die Sachverständigen – wie ausgeführt – die ihnen gestellte Beweisfrage detailliert anhand zahlreicher und nicht nur auf schulmedizinischen Erkenntnissen beruhender Fachliteratur beantwortet haben und der Senat, wie dargelegt, auch keine Bedenken gegen die Sachkunde der Sachverständigen hat. Aus den gleichen Gründen bedarf es auch keiner – von der Klägerin auch nicht beantragten – mündlichen Anhörung der Sachverständigen.
Die Klage ist des Weiteren abzuweisen, soweit die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Versicherungsschutz für die Behandlung durch den Heilpraktiker B. auch für die Zeit nach dem 8. April 2002 begehrt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass das Landgericht nicht entsprechend dem Antrag der Klägerin die Einschränkung, dass der Versicherungsschutz entsprechend dem Versicherungsvertrag zu gewähren sei, in seinen Tenor übernommen hat. Denn zum einen bestehen bereits allgemein durchgreifende Bedenken an der Zulässigkeit der von der Klägerin erstrebten Verurteilung, die den Versicherer noch vor Eintritt des Versicherungsfalls bindet, ohne ihm die Möglichkeit der Leistungsversagung aus anderen Gründen als den im Rechtsstreit streitigen zu erhalten (vgl. hierzu BGH VersR 1992, 950).
Jedenfalls ist der Klageantrag zu 2. der Klägerin aber auch, soweit man in ihm zum Teil einen – für sich wohl zulässigen – Angriff gegen den Ausschluss des Heilpraktikers B. als solchen sehen könnte, unbegründet, da die Beklagte die Rechnungen des Heilpraktikers B. zu Recht gemäß § 5 Nr. 1 Buchstabe c) MB/KK 94 von der Erstattung ausgeschlossen hat. Aus den bereits dargelegten Gründen erfolgte durch den Heilpraktiker B. eine längerfristige medizinisch nicht notwendige Behandlung der Klägerin, die dazu führte, dass die Beklagte jeweils einen Heilpraktiker als Gutachter zur Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der von der Klägerin eingereichten Liquidationen beauftragen musste. Eine derart kostenintensive Prüfung von eingereichten Belegen ist dem Versicherer jedoch nicht zumutbar, so dass die Beklagte berechtigt war, die Rechnungen des Heilpraktikers B. von der Erstattung auszuschließen. Daraus folgt zugleich, dass der Klägerin auch kein Erstattungsanspruch hinsichtlich der Liquidationen des Herrn B. für die Zeit nach dessen Ausschluss zusteht.
Auf die Berufung ist daher das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen. Von einer Zurückverweisung des Rechtsstreits hat der Senat abgesehen, da die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.633,69 € (Klageantrag zu 1.: 4.633,69 €; Klageantrag zu 2.: 5.000 €) festgesetzt.
Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Büchner
Das vorgestellte Urteil aus der Privaten Krankenversicherung beschäftigt sich mit dem Krankheitsbild der Fibromyalgie, welches in der medizinischen Wissenschaft bis heute umstritten ist. Das OLG Koblenz hat offenbar keine Schwierigkeiten damit, die Fibromyalgie behandlungsbedürftige Erkrankung anzuerkennen und beruft sich dabei auf die eingeholten Sachverständigengutachten welche feststellen, dass das Fibromyalgiesyndrom in der medizinischen Fachliteratur bereits seit dem Jahre 1994 beschrieben wird.
Gleichwohl wird die Existenz der Erkrankung von anderen Ärzten und Gutachtern bis heute in Frage gestellt, was dann auch dazu führt, dass Ansprüche von Versicherungsnehmern mit dem Hinweis auf eine fehlende, gesicherte Diagnose abgelehnt werden. Dies geschieht dann gegen die Rechtsprechung des BGH und muss nicht hingenommen werden.