SG Berlin: BGHM muss Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit BK 4104 (Asbestose) anerkennen
BGHM (Berufsgenossenschaft Holz und Metall) muss Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anerkennen und eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 100% rückwirkend für 5 ½ Jahre und in Höhe von 30% fortlaufend zahlen.
Die Berufskrankheit Nr. 4104 der BKV lautet wie folgt:
Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
· in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose),
· in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Pleura oder
· bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren (25 x 106 [(Fasern/m3) x Jahre])
Unser Mandant war über 41 Jahre als Schlosser und Schweißer im Anlagen- und Rohrnetzbau tätig. Hierbei nahm unser Mandant Montage- und Demontagearbeiten sowie Umbau- und Sanierungsarbeiten von großen Industrieanlagen und Kraftwerken vor. Im Jahr 2006 erkrankte unser Mandant an einem Tumor im rechten Lungenoberlappen. Auf die ärztliche Anzeige der behandelnden Krankenhausärzte wegen des Vorliegens der BK Nr. 4104 lehnte die BGHM die Anerkennung der Berufskrankheit ab und begründete dies damit, dass aufgrund der medizinischen und arbeitstechnischen Feststellungen ein Zusammenhang zwischen der vorliegenden Asbeststaubeinwirkung während des Berufslebens und der Tumorerkrankung nicht wahrscheinlich sei. Eine kumulative Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren läge nicht vor.
Im Klageverfahren gegen die Ablehnung der Berufskrankheit durch die BGHM legten wir die Fehlerhaftigkeit der vom Präventionsdienstmitarbeiter der BGHM vorgenommenen Asbestfaserjahrberechung sowie das tatsächliche Erreichen der erforderlichen 25 Faserjahre dar.
Wir führten unter Beweisangebot aus, dass der Präventionsdienstmitarbeiter bei der Ermittlung der Faserjahre nicht die tatsächlichen Tätigkeiten unseres Mandanten berücksichtigt und die Expositionsart, die Anzahl der Schichten pro Jahr und die Stunden pro Schicht nur unzureichend veranschlagt hatte. Darüber hinaus hatte die Gegenseite für bestimmte Tätigkeiten zu niedrige Faserkonzentrationen angesetzt und unzutreffend eine dosiserhebliche Exposition für mehrere Jahre verneint. Fehlerhaft war zudem die Behauptung des Präventionsdienstmitarbeiters, allein wegen des Verbots der Herstellung und Verwendung asbesthaltiger Produkte in Deutschland ab 1993 könne für den Zeitraum von 1993 bis zur Tumorerkrankung und krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unseres Mandanten im Jahr 2006 von keiner Asbestexposition mehr ausgegangen werden. Aufgrund der von unserem Mandanten vorgenommenen Abbruchs-, Isolierungs- und Instandhaltungsarbeiten an bestehenden Industrieanlagen, Kraftwerken und Gebäuden war unser Mandant bis zum Ende seiner beruflichen Tätigkeit im Jahr 2006 sehr wohl noch in erheblichem Maße Astbeststaub ausgesetzt.
Zum Beweis für die ganz erheblich asbestexponierten Tätigkeiten unseres Mandanten benannten wir mehrere ehemalige Arbeitskollegen unseres Mandanten als Zeugen. Diese wurden vom Präventionsdienstmitarbeiter der BGHM telefonisch befragt und verneinten angeblich - so jedenfalls die von der BGHM in das Klageverfahren eingeführte schriftliche Zusammenfassung der Zeugenbefragung - eine Asbestexposition unseres Mandanten auf den Baustellen.
Bei der Vernehmung der Zeugen durch das Sozialgericht und uns im Termin zur Beweisaufnahme stellte sich dagegen das genaue Gegenteil heraus. So legte ein vom Präventionsdienstmitarbeiter befragter Zeuge eine ganz massive Exposition von Asbeststaub über viele Jahre dar. Wörtlich teilte er unter anderem mit: „Der ganze Raum war zu mit Asbest“ und: „Alles hat geflimmert vor Asbest“. Zudem bestätigte der Zeuge unseren Vortrag, dass Expositionsart, Anzahl der Arbeitsschichten und Stunden pro Schicht von der BGHM viel zu niedrig angesetzt worden waren.
Aufgrund des Ergebnisses der gerichtlichen Zeugenbefragung und auf den entsprechenden Hinweis des Sozialgerichtes anerkannte die BGHW sodann das Vorliegen der BK Nr. 4104 bei unserem Mandanten. Im nachfolgenden Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Höhe der berufskrankheitenbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) anerkannte die BGHW schließlich eine MdE in Höhe von 100% rückwirkend für 5 ½ Jahre und 30% für den sich anschließenden Zeitraum fortlaufend. Hierauf zahlte bzw. zahlt die BGHW unserem Mandanten eine Verletztenrente. Allein der an unseren Mandanten geleistete Nachzahlungsbetrag nebst Zinsen betrug über 250.000,00 €.
Anmerkungen von Rechtsanwalt Klaus Junghans, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Medizinrecht
Die für Unfallversicherte in ihren Auswirkungen äußerst belastende und lebensbedrohliche Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage zur BKV mit Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs wird von den Berufsgenossenschaften sehr häufig mit der Begründung abgelehnt, eine kumulative Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren läge nicht vor. Hierbei wird der Sachverhalt häufig nur oberflächlich und nicht korrekt ermittelt und werden bei der Berechnung der Asbestfaserjahre durch die Präventionsdienstmitarbeiter häufig zum Nachteil der Versicherten zu geringe Werte bzgl. der Faserkonzentration, Expositionsart, Arbeitsschichten, Stunden pro Schicht und Anzahl der dosiserheblichen Expositionsjahre angesetzt.
Der Versicherte muss nun die Fehlerhaftigkeit der berufsgenossenschaftlichen Asbestfaserjahrberechung und das Erreichen von mindestens 25 Faserjahren beweisen. Dies ist ihm aufgrund des Umstandes, dass die Werkstätten und Baustellen, Anlagen, Kraftwerke und Gebäude, in denen er im erheblichen Ausmaß über viele Jahre astbestexponiert gearbeitet hat, im Zeitpunkt der Tumorerkrankung regelmäßig nicht mehr bestehen und auch viele Zeugen bereits verstorben sind, oft nur schwer möglich. Insofern ist es für die Berufsgenossenschaften meistens ein leichtes Spiel, begründete Forderungen abzulehnen.
Vorliegend konnte vor allem mit der Zeugenaussage eines ehemaligen, im Vernehmungszeitunkt bereits 72-jährigen Mitarbeiters unseres Mandanten die ausreichende Asbestexposition bewiesen werden.
Einen äußerst negativen Beigeschmack hatte es jedoch, dass die telefonischen Aussagen des Zeugen gegenüber dem Präventionsdienstmitarbeiter der Berufsgenossenschaft von der Gegenseite offensichtlich falsch und zum Nachteil unseres Mandanten wiedergegeben und so schriftlich in das Klageverfahren eingeführt wurden. Dies bestätigt einmal mehr die notwendige Skepsis gegenüber jeglichen Aussagen und Feststellungen der berufsgenossenschaftlichen Präventionsdienstmitarbeiter.
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