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Bayerisches LSG: BK 1303 der Anlage zur BKV liegt auch vor, wenn zwar eine Belastungsdosis nicht erreicht ist, jedoch typische Merkmale des Krankheitsverlaufs und des Krankheitsbilds für das Vorliegen einer Berufskrankheit sprechen.

Das Bayerische LSG sieht für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.1303 der Anlage zur BKV eine Dosis von 40 ppm-Benzoljahren nicht mehr als eine unverrückbare Grenze für ein signifikant erhöhtes Erkrankungsrisiko an, da es nach Würdigung des eingeholten Gutachtens  gerade keine medizinisch-rechtlich gesicherten Anhaltspunkte für die Annahme eines solchen Risikos erst ab einer kumulativen Belastungsdosis von über 40 ppm-Jahren gibt. Auch eine Exposition, die deutlich unter diesem Wert liegt, schließt somit einen kausalrechtlichen Zusammenhang mit der Erkrankung nicht aus. Vielmehr ist in diesen Fällen besonders zu prüfen, ob daneben ausreichende Hinweise bestehen, die eine durch Benzol hervorgerufene Erkrankung begründen können. Eine Entscheidung über einen Anspruch auf Anerkennung einer beruflich bedingten Erkrankung durch Benzol setzt somit grundsätzlich eine am konkreten Einzelfall orientierte qualifizierte Kausalitätsbeurteilung voraus, wobei für eine Benzoleinwirkung typische Merkmale des Krankheitsverlaufs und des Krankheitsbilds besonders zu würdigen sind. Diese Prüfung führte hier dazu, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer Berufskrankheit medizinisch-rechtlich ausreichend zu begründen ist.

Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 11.05.2006, Az. L 3 U 23/04  

I. Auf die Berufungen wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.12.2003 aufgehoben.II. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.06.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2000 verurteilt, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des R. D. auf sie wegen einer Berufskrankheit nach Nr.1303 der Anlage zur BKV übergegangene Verletztenrente ab 01.10.1997 nach einer MdE von 20 v.H. und ab 01.06.1998 nach einer MdE von 100 v.H. zu gewähren. III. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten R. D. aufgrund von Folgen einer Berufskrankheit nach Nr.1303 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV - (Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol) gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen hat.

Der 1941 geborene und am 22.09.1998 an einer Erkrankung des blutbildenden Systems (myelodysplastisches Syndrom) verstorbene Ehemann der Klägerin (D.) war ab 1965 bei dem Transportunternehmen Firma H. tätig. Eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit erfolgte am 05.08.1998 durch A.R. (Klinikum R.), der dessen Erkrankung auf den Transport von Chemikalien und Tankwagenreinigungen zurückführte.

Zur Aufklärung des Sachverhalts befragte die Beklagte den Technischen Aufsichtsdienst - TAD - (Stellungnahmen vom 07.10.1998, 07.01.1999, 26.01.1999, 03.01.2000, 14.10.2002, 18.11.2002, 12.12.2002, 16.06.2003, 28.10.2004), zog Befundberichte des Dr. S. vom 09.11.1998, des Dr. F. vom 12.11.1998, des Dr. M. vom 14.12.1998, die Unterlagen des Klinikums R. zu den stationären Behandlungen ab dem 02.07.1998 sowie eine Auskunft der Krankenkasse über die Arbeitsunfähigkeits- und Behandlungszeiten bei und holte ein Gutachten des Arztes für Innere Medizin, Umweltmedizin Prof. Dr. L. vom 15.03.1999/26.01.2000 ein.

Der TAD stellte fest, D. habe von 1965 bis 1971 zu 70 % Zement und 30 % Bitumen, von 1972 bis 1978 Flugbenzin (Ottokraftstoff) und von 1979 bis September 1991 zu 80 % Bauchemiestoffe, zu 15 % Paraffine und zu 5 % Gefahrstoffe transportiert sowie von Oktober 1991 bis Oktober 1997 täglich sechs Tankzugreinigungen durchgeführt. Von 1972 bis 1974 habe er durchschnittlich viermal pro Woche und von 1975 bis 1978 zwei bis dreimal täglich Flugbenzin transportiert. Während des Einsatzes in der Tankreinigung habe er täglich sechs Tankinnenreinigungen durchgeführt. Der TAD bestätigte eine relevante Gefährdung für die Jahre 1972 bis 1978. Eine Exposition habe sich insbesondere bei den Belade-, eine geringere bei den Entladevorgängen ergeben. Die Auswertung der Reinigungsbücher der Firma H. ergab eine Maximaldosis von etwa 0,3 Benzoljahren. Der TAD errechnete eine Benzoldosis von 6,6 ppm-Jahre und eine Zusatzbelastung durch den allgemeinen Straßenverkehr von 0,15 ppm-Jahren. Insgesamt schätzte der TAD die Benzolexposition auf ca. 6,7 ppm-Jahre. Prof. Dr. L. stufte die toxische Exposition des D. gegenüber Benzoldämpfen für die Annahme einer Berufskrankheit als nicht relevant ein.

Nach Einholung der gewerbeärztlichen Stellungnahme des Dr. R. vom 28.04.1999 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.06.1999 die Anerkennung einer Berufskrankheit ab. Im Widerspruchsverfahren schloss Prof. Dr. L. ein beruflich induziertes, benzolassoziiertes myelodysplastisches Syndrom nicht aus, ein relevantes Erkrankungsrisiko sah er aber nicht als wahrscheinlich an. Es sei auch eine Benzolaufnahme durch Zigarettenrauchen erfolgt. Die 30 Raucherjahre bei 40 Zigaretten pro Tag würden eine Benzolexposition von ca. 10,1-ppm-Jahren ergeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, unter Anerkennung der Leukämie ihres Ehemannes als Berufskrankheit nach Nr.1303 der Anlage zur BKV die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren. Ab dem 01.10.1997 sei eine Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE) von 20 v.H. und ab dem 01.06.1998 eine MdE von 100 v.H. gegeben. Ihr Ehemann sei im Straßenverkehr Zusatzbelastungen und vom Oktober 1991 bis Oktober 1997 wegen Reinigungsarbeiten einer massiven Benzolexposition ausgesetzt gewesen. Vorgelegt wird der histologische Befund der Schilddrüsenerkrankung des D.

Das SG hat den Befundbericht des Dr. M. vom 12.12.2000 mit weiteren medizinischen Unterlagen sowie die Reinigungsprotokolle der Firma H. aus den Jahren 1993 bis 1998 beigezogen, den ehemaligen Speditionsleiter der Firma H. C. L. befragt und eine internistisch-arbeitsmedizinische Begutachtung durch Prof. Dr. F. veranlasst (Gutachten vom 06.03.2001/20.07.2001/03.12.2001). Die Beklagte hat Prof. Dr. W. (Gutachten vom 28.05.2001/17.10.2001) gehört.

Prof. Dr. F. hat ausgeführt, die Exposition des D. sei eine wahrscheinlich wesentliche Teilursache seiner Erkrankung. Die Grenzzahl von 40 bis 50 ppm-Jahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.1303 der Anlage zur BKV beziehe sich auf Leukämien, Non-Hodgkin-Lymphomen und ähnliche Krankheitsbilder, welche im Gegensatz zur hier vorliegenden primären Schädigung des thrombozyto- und erythropoetischen Systems keine klassischen benzoltoxisch verursachten Gesundheitsstörungen seien. Zwar sei in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle von myelodysplastischen Syndromen eine benzolverursachte Genese nicht bekannt, dies wiederum schließe aber nicht aus, dass sie in früheren Jahren nicht erkannt worden sei. Erst in jüngster Zeit seien so genannte lymphatische Blutkrebse als benzolinduziert in die arbeitsmedizinischen Überlegungen zur Ergänzung der Berufskrankheitenliste eingegangen. Im vorliegenden Fall sei die Individualbetrachtung besonders notwendig. Ab 01.10.1997, dem Beginn der Berufskrankheit, sei die MdE mit 20 v.H. und ab 01.06.1998 mit 100 v.H. zu bewerten. Prof. Dr. W. hat ausgeführt, das myelodysplastische Syndrom sei nicht auf die berufsbedingte Benzolexposition zurückzuführen. Weil durch Benzol die pluripotenten Stammzellen geschädigt würden, seien grundsätzlich alle Zellreihen betroffen. Es seien hier nicht ganz überwiegend die roten Blutkörperchen und Blutblättchen betroffen. Aus dem Knochenmarksbefund vom 05.06.1998 werde auch auf eine Störung der Bildung von weißen Blutkörperchen hingewiesen. Es hätten keine klassischen Symptome einer spät manifestierten Benzoleinwirkung bestanden. In 90 % der Fälle bleibe die Genese eines myelodysplastischen Syndroms unklar. Ein relevantes Risiko für ein beruflich verursachtes Krankheitsbild stelle eine Exposition von etwa 40 bis 50 ppm-Jahren dar. Das Zigarettenrauchen des D. müsse als Risikofaktor berücksichtigt werden.

Das SG hat mit Urteil vom 09.12.2003 die Beklagte verurteilt, eine Berufskrankheit nach Nr.1303 der Anlage zur BKV anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Das myelodysplastische Syndrom sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Benzolbelastung verursacht worden. Die beruflich bedingte Benzolbelastung von 6,75 ppm-Jahren sei neben der Benzolbelastung durch das Rauchen mit 10,1 ppm-Jahren wesentliche Teilursache der Erkrankung.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und die Stellungnahme des Dr. P. vom 02.02.2004 vorgelegt. Danach sei zwar der Wert von 40 ppm-Jahren keine feststehende Grenze zur Krankheitsauslösung, die festgestellte beruflich bedingte Benzolexposition sei aber wahrscheinlich nicht ursächlich für die Entwicklung des myelodysplastischen Syndroms. Die Belastung durch den Nikotinkonsum des D. sei im Vergleich zur beruflichen Exposition um ca. 70 % höher. Zigarettenrauch enthalte eine Vielzahl an Kanzerogenen und Cokanzerogenen, so dass die Werte von 10,1 ppm-Jahren durch das Rauchen und von 6,7 ppm-Jahren durch die berufliche Belastung im Sinne zweier wesentlicher Teilursachen nicht greifen könnten. Mehr als 90 % der myelodysplastischen Syndrome hätten eine unklare, weniger als 10 % hätten eine sekundäre Ursache.

Der Senat hat die weiteren Stellungnahmen des Prof. Dr. F. vom 20.07.2004 und 01.08.2005 und ein arbeitsmedizinisch-internistisches Gutachten des Prof.Dr.S. vom 19.05.2005 eingeholt. Prof. Dr. F. hat ausgeführt, eine kumulative Benzoldosis von 40 ppm-Jahren und weniger könne kein berufskrankheiten-rechtlich sanktioniertes Abschneidekriterium sein. Entscheidend sei die Einzelfallbeurteilung. Das Risiko für das Auftreten einer bösartigen hämatologischen Neubildung liege bei einer Konzentration unter 10 ppm Benzol bei 2,2. Ohne das Rauchen wäre die Erkrankung vermutlich nicht eingetreten, es sei aber wahrscheinlich, dass D. trotz des Nikotinkonsums nicht erkrankt wäre, wäre er nicht beruflich einer Benzoleinwirkung ausgesetzt gewesen. Im Gutachten des Prof. Dr. S. heißt es, es sei nicht davon auszugehen, dass die berufliche Benzolbelastung das myelodysplastische Syndrom verursacht habe. Aus der im Vergleich zur übrigen Bevölkerung erheblich höheren Belastung des D. lasse sich nicht schließen, dass auch die hämatologische Erkrankung durch diese erhöhte Gefährdung verursacht worden sei. Ein Zusammenhang bei kumulierten Benzolbelastungen von weniger als 40 bis 50 ppm-Jahren sei statistisch nicht zu belegen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.12.2003 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 17.06.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2000 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.12.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.06.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.08.2000 zu verurteilen, ihr als Rechtsnachfolgerin des R. D. auf sie wegen einer Berufskrankheit nach Nr.1303 der Anlage zur BKV übergegangene Verletztenrente ab 01.10.1997 zu gewähren.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des SG, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nicht begründet, soweit sie verpflichtet wurde, die bei D. festgestellte Berufskrankheit zu entschädigen. Der Senat hatte jedoch unter Aufhebung des Urteils des SG vom 09.12.203 eine neue Entscheidung entsprechend der im Termin zur mündlichen Verhandlung eingelegten unselbständigen Anschlussberufung der Klägerin zu treffen, weil im Urteilstenor ein Zeitpunkt eines Leistungsbeginns nicht genannt worden ist.

Die Beklagte hat der Klägerin aufgrund der Berufskrankheit des D. nach Nr.1303 der Anlage zur BKV Verletztenrente zu gewähren, weil diese als Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 56 Abs.1 Nr.1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) einen Anspruch auf Zahlung fällig gewordener laufender Geldleistungen hat. Die Beklagte ist verpflichtet, entsprechende Leistungen ab dem 01.10.1997 zu erbringen, weil an diesem Tag erstmals eine ärztliche Behandlung stattgefunden hat, die der Berufskrankheit zuzuordnen ist. Der Klägerin stehen deshalb ab 01.10.1997 auf sie übergegangene Rentenleistungen nach einer MdE von 20 v.H. zu. Ab dem 01.06.1998, dem Zeitpunkt der Vollmanifestation der malignen Grunderkrankung, hat ihr die Beklagte Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. zu gewähren.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge einer Berufskrankheit um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§§ 7 Abs.1, § 56 Abs.1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder § 6 SGB VII begründeten Tätigkeit erleiden. Die Feststellung einer Berufskrankheit erfordert den vollen Nachweis der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen sowie einer Erkrankung, die wesentlich ursächlich auf die belastende versicherte Tätigkeit zurückgeführt werden kann. Für diesen Kausalzusammenhang genügt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Der Kausalzusammenhang ist dann hinreichend wahrscheinlich, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf eine Entscheidung gestützt werden kann (BSGE 32, 203). Davon ist auszugehen, wenn mehr Gründe für als gegen einen entsprechenden Zusammenhang sprechen und ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden.

Nach Auffassung des Senats ist bei D. das myelodysplastische Syndrom mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Benzolexposition bei der beruflichen Tätigkeit wesentlich mitverursacht worden. Die berufliche Exposition ist als wesentliche Teilursache neben der Benzolbelastung durch das Raucherverhalten des D. anzusehen.

Die Berufskrankheit nach Nr.1303 der Anlage zur BKV erfasst Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol. Anerkannt ist, dass Benzol die wichtigste berufliche Noxe für das Auftreten von myelo- und lymphoproliferativen Systemerkrankungen ist. Benzol kann danach alle malignen hämolymphatischen Systemerkrankungen verursachen, deren Zellreihen sich von der omnipotenten Stammzelle ableiten (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 1016 m.w.N.). Die Aufnahme erfolgt überwiegend durch Einatmung der Dämpfe. Die Einatmung hochkonzentrierter Benzoldämpfe kann in wenigen Minuten zum Tode führen. Die Einwirkung kleinerer Mengen über einen längeren Zeitraum kann zu einer schweren Schädigung des blutbildenden Systems (Knochenmark u.a.) und der Kapillaren führen (Merkblatt des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung - BMGS - für die ärztlichen Untersuchungen bei Berufskrankheiten zu Nr.1303 der Anlage zur BKV, in: Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage, S.266).

Die BKV nennt ausdrücklich keine arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Erkrankung durch Benzol, also keine Mindestexpositionszeiten bzw. Mindestbelastungswerte. Die Berufskrankheiten der Gruppe 13 der Anlage zur BKV umfassen aufgrund chemischer Einwirkungen verursachte Erkrankungen durch Lösemittel, Pestizide und sonstige chemische Stoffe, welche generell für eine Anerkennung keine quantitativen Expositionsbedingungen als Tatbestandsmerkmale enthalten. Nach dem Wortlaut wird lediglich die Kausalität zwischen einer beruflich bedingten Einwirkung eines solchen chemischen Stoffes und einer Erkrankung gefordert.

Gleichwohl kann nicht jedes Ausmaß einer Benzolexposition zur Anerkennung einer Berufskrankheit gemäß Nr.1303 der Anlage zur BKV ausreichen. Erforderlich ist jedenfalls eine Gefährdung des Versicherten infolge der Benzolexposition, die erheblich über das Maß hinausgeht, dem die Bevölkerung ohne eine entsprechende berufliche Belastung ausgesetzt ist. Diese Voraussetzung ist hier bei D. unstreitig erfüllt. Nicht eindeutig ist dagegen die Frage zu beantworten, an welchen Grenzwerten sich die signifikant erhöhten Erkrankungsrisiken orientieren.

In der Literatur besteht keine einheitliche Auffassung, ab welchen Grenzwerten einer Benzolexposition solche erhöhten Erkrankungsrisiken bestehen. Als Expositionszeiten chronischer beruflicher Benzolbelastung werden Zeiträume von sechs Monaten bis 44 Jahre angegeben (Mertens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 1303 S.9). Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O. S.1021 m.w.N.) sehen für die benzolinduzierte akute Leukämie ein statistisch signifikant erhöhtes Erkrankungsrisiko bei einer kumulativen Benzoldosis von 200 ppm-Jahren an. Für den Bereich einer kumulativen Benzoldosis von 40 bis 200 ppm-Jahren wird eine Beurteilung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der arbeitsmedizinischen Erfahrungswerte zur Latenzzeit, Expositionsdauer und individuellen Expositionsbedingungen für erforderlich angesehen. Für eine kumulative Benzoldosis von 40 ppm-Jahren und weniger ergeben sich nach Schönberger/Mehrtens/Valentin keine gesicherten Anhaltspunke auf ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Dementsprechend hat das Schleswig-Holsteinische LSG in der Entscheidung vom 20.07.2000 - L 5 U 114/99 - einen Zusammenhang zwischen einer Leukämie und einer Benzolexposition abgelehnt, weil die Einwirkungen nur eine Dosis von 12,1 ppm-Jahren erreicht hatten. Dagegen heißt es in der Arbeit von Woitowitz/Thielmann/ Norpoth/Henschler/Hallier "Benzol als Ausnahmekanzerogen in der Prävention und seine gentoxischen Folgen: Toxikologische, arbeitsmedizinische und sozialmedizinische Aspekte" (Zbl Arbeitsmed 532 (2003) S.126), nach Auswertung der epidemiologischen Studien bestünden bei kumulativen Benzoldosen von teilweise bereits deutlich unter 40 ppm-Jahren Hinweise auf Dosis-Wirkung-Beziehungen. Ein entsprechender Schwellenwert sei wissenschaftlich nicht belegt. Jeder Exposition komme ein entsprechendes Risiko zu. Die Grenzziehung bei 40 ppm-Benzoljahren wird von den Autoren als willkürlich bezeichnet. Zur Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität bedürfe es einer Würdigung aller relevanten Besonderheiten des Einzelfalls. Hintergrund dieser Bewertung ist, dass bösartige hämatologische Neubildungen unter einer mittleren Konzentration von 10 ppm-Jahren um das Zwei- bis Dreifache erhöht gefunden wurden und in Einzelfällen bei weniger als 40 ppm-Benzoljahren eine 2,2-fache Häufigkeit auftrat.

Der Senat schließt sich letzterer Auffassung an, die auch Prof. Dr. F. seiner gutachterlichen Beurteilung zugrunde legt, und sieht für eine Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.1303 der Anlage zur BKV eine Dosis von 40 ppm-Benzoljahren nicht als eine unverrückbare Grenze für ein signifikant erhöhtes Erkrankungsrisiko an, denn es gibt gerade keine medizinisch-rechtlich gesicherten Anhaltspunkte für die Annahme eines solchen Risikos erst ab einer kumulativen Belastungsdosis von über 40 ppm-Jahren. Auch eine Exposition, die deutlich unter diesem Wert liegt, schließt somit einen kausalrechtlichen Zusammenhang mit der Erkrankung nicht aus. Vielmehr ist in diesen Fällen besonders zu prüfen, ob daneben ausreichende Hinweise bestehen, die eine durch Benzol hervorgerufene Erkrankung begründen können. Eine Entscheidung über einen Anspruch auf Anerkennung einer beruflich bedingten Erkrankung durch Benzol setzt somit grundsätzlich eine am konkreten Einzelfall orientierte qualifizierte Kausalitätsbeurteilung voraus, wobei für eine Benzoleinwirkung typische Merkmale des Krankheitsverlaufs und des Krankheitsbilds besonders zu würdigen sind. Diese Prüfung führt hier dazu, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer Berufskrankheit medizinisch-rechtlich ausreichend zu begründen ist.

D. war bei seiner beruflichen Tätigkeit als Tankwagenfahrer in den Jahren 1972 bis 1978 einer Belastung durch Benzol ausgesetzt. Es lag eine beruflich bedingte Belastungsdosis von insgesamt ca. 6,75 ppm-Jahren vor. Diese Belastung ergibt sich aus den nachvollziehbaren Erhebungen des TAD. Danach unternahm D. im Zeitraum von 1972 bis 1974 vier Beladungen pro Woche mit einer Dauer von 40 bis 45 Minuten, woraus sich eine Expositionszeit von drei Stunden pro Woche ergibt. Außerdem waren die Entladungszeiten zu berücksichtigen. Im Zeitraum 1975 bis 1978 führte er drei Beladungen pro Tag mit je 40 Minuten durch, woraus sich mit den Entladungszeiten eine Expositionszeit von 15 Stunden pro Woche errechnet. Für die Zeit der Entladung betrug der Konzentrationswert ca. 1,0 ppm und für die Beladung ca. 4,0 ppm. Außerdem lag eine Benzolbelastung durch den allgemeinen Straßenverkehr vor.

Es kann hier dahin gestellt bleiben, ob allein eine Belastungsdosis von 6,75 ppm-Benzoljahren ein für die Anerkennung einer Berufskrankheit ausreichendes Risiko darstellt, denn hier ist eine Benzolbelastung mit 10,1 ppm-Jahre durch das Raucherverhalten des D. zusätzlich zu berücksichtigen, so dass sich eine Gesamtbelastung von 16,85 ppm-Jahren ergibt. Nach der im Unfallversicherungsrecht geltenden Kausallehre der wesentlichen Bedingung ist hier die beruflich bedingte Benzolexposition als eine rechtlich wesentliche Teilursache der Erkrankung anzusehen, gerade weil die Gefährdung wegen einer weiteren Benzolbelastung durch Tabakkonsum bestand. Denn es reicht für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen einer beruflich bedingten Exposition und einer Erkrankung aus, wenn die neben der Benzolbelastung durch Tabakkonsum beruflich bedingte Exposition eine wie hier rechtlich zumindest gleichwertige Ursache darstellt. Der Senat sieht mit Prof. Dr. F. gerade in der Kombination der beruflich und durch das Raucherverhalten sich ergebenden Benzolbelastung eine für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr.1303 der Anlage zur BKV ausreichend gefährdende Benzolexposition für gegeben an.

Die qualifizierte Beurteilung des Krankheitsverlaufs und des Krankheitsbildes des D. ergeben wichtige Hinweise auf einen unfallversicherungsrechtlich relevanten Zusammenhang zwischen der Benzolbelastung und dessen Erkrankung. Bei D. wurde bereits im Oktober 1997 eine erhebliche Polyneuropathie unklarer Ätiologie festgestellt. Anzunehmen ist, dass eine Karpaltunnel-Operation wegen einer generalisierten Neuropathie durchgeführt wurde. Hinweise auf andere Ursachen dieser verhältnismäßig schweren Entzündung des peripheren Nervensystems wie eine Zuckererkrankung oder ein erhöhter Alkoholkonsums bzw. ein prolongierter Alkoholmissbrauch fehlen. Auch wenn im Einzelfall die Krankheitsursache von Polyneuropathien oft nicht erkannt werden kann, so können sich wie hier rückblickend überzeugende Erklärungen ergeben. Mit Prof. Dr. F. geht der Senat davon aus, dass als einzig wahrscheinliche Ursache dieser Polyneuropathie das durch die Benzolexposition hervorgerufene symptomatisch gewordene degenerativ-neoplastische Grundleiden des erythropoetischen Systems in Betracht kommt. Bereits im Juni 1998 traten bei D. multiple Hautblutungen auf. Die Brüchigkeit der Kapillaren und die bei dem Kläger im Klinikum Rosenheim am 04.06.1998 festgestellte sehr starke Verminderung der Blutplättchen ist ein charakteristisches Zeichen einer Benzolintoxikation (Merkblatt des BMGS, a.a.O.). Es zeigte sich eine deutliche Formveränderung der roten Blutkörperchen, die auch bei den Blutbilduntersuchungen vom 12.06.1998 und 15.06.1998 hervorgehoben wurde. Im Klinikum Großhadern der Universität München wurde deshalb eine chronische myeloische Leukämie (NHL, Lymphadenose) ausgeschlossen und ein myelodysplastisches Syndrom festgestellt. Diesem für einen für eine wirksame Benzolexposition typischen Geschehensablauf kommt bei der Kausalitätsbeurteilung neben der errechneten Benzolbelastung von 16,85 ppm-Jahren eine besondere Bedeutung zu. Prof. Dr. F. weist im Übrigen darauf hin, dass sich die von der Beklagten zugrunde gelegten Grenzwerte einer für die Anerkennung einer Berufskrankheit ausreichenden Benzolexposition auf die allgemeine bzw. Leukämie im üblichen Sinne oder B-Zell-Lymphome beziehen, bei D. jedoch ein akutes dysplastisches Syndrom im Knochenmark mit primärer Störung der Blutplättchen und der roten Blutkörperchen vorlag. Die weißen Blutkörperchen mit den blastären Zellen, die bei B-Zell-Lymphome und NHL gestört sind, zeigten hier keine wesentlichen krankhaften Veränderungen. Die Zahl der weißen Blutkörperchen war nur gering erhöht. Der akute Verlauf zeigte dementsprechend ein akutes Versagen der Blutplättchen und teilweise auch der roten Blutkörperchen, nicht aber eine überschießende Bildung der Leukozyten. Dagegen wären bei einer chronischen oder weniger akuten Erkrankung Vergrößerungen der Milz und der Leber zu beobachten gewesen, die jedoch bei D. entsprechend dem sonographischen Befund nicht festgestellt werden konnten.

Es liegen somit klassische Symptome einer spät manifestierten Benzoleinwirkung vor. Der Senat folgt der Bewertung des Prof. Dr. F. , der im Zuge der Kausalitätsbeurteilung, auch unter Berücksichtigung der von Prof. Dr. S. dargelegten Stammzell-Theorie für die Pathogenese der hämatologischen Malignome, der hier deutlich geringeren Benzolexposition als 40 ppm-Benzoljahren wegen des konkret vorliegenden Geschehensablauf einer malignen Gesundheitsstörung eine wesentlich höhere Bedeutung bemisst, als sie einer solchen Benzolexposition bei einer Durchschnittsbetrachtung hinsichtlich aller Blutkrebserkrankungen zukommen würde. Es kann hier dahin gestellt bleiben, ob die Frage der Kausalität anders zu beantworten wäre, wenn D. an einer weniger maligne verlaufenden chronischen Myelose oder Lymphadenose erkrankt wäre.

Das Raucherverhalten des D. ist, wie bereits dargestellt, neben der beruflich bedingten Benzolbelastung Teilursache der Erkrankung. Nach den Angaben des D. im Klinikum Rosenheim (Krankenhausbericht vom 10.07.1998) und der Angehörigen betrug der Zigarettenkonsum bis zu 40 Zigaretten pro Tag, woraus sich entsprechend den Berechnungen des Prof. Dr. L. eine kumulative Benzolbelastung von ca. 10.1 ppm-Jahren ergibt. Nur wenn der Zigarettenkonsum als die allein wesentliche Bedingung der Erkrankung des D. anzusehen wäre, wäre ein ursächlicher Zusammenhang der beruflich bedingten Benzolbelastung mit dem myelodysplastische Syndrom des D. nicht begründbar (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1991 - 2 RU 59/90). Dies trifft jedoch hier nicht zu, denn nach den Ausführungen des Prof. Dr. F. bestehen gerade erhebliche Zweifel, dass allein das Schädigungspotential durch das inhalierte Benzol infolge des Raucherverhaltens des D. die Erkrankung verursacht hat.

Der Hinweis im Gutachten des Prof. Dr. L. , in einer chinesischen Studie (Wong 1987) seien im Bereich einer kumulativen Benzolexposition von 15 bis 16 ppm-Jahren keine akuten myeloischen Leukämien aufgetreten, entwertet die Beurteilung des Prof. Dr. F. nicht, denn die Übertragbarkeit entsprechender Studien aus Staaten anderer sozioökonomischer Strukturen ist nicht gesichert. Prof. Dr. F. betont in diesem Zusammenhang, aufgrund experimenteller Erkenntnisse beinhalte bereits eine Benzoleinwirkung in geringen Mengen ein wesentliches Schadstoffpotential. Dessen ungeachtet können aber epidemiologische Studien gerade bei einer kausalrechtlichen Einzelfallbeurteilung jedenfalls nicht zu abschließenden Bewertungen führen, und zwar schon deshalb nicht, weil in solchen Studien eine differenzierte Diagnose der untersuchten Gruppen nicht sicher ist. Prof. Dr. L. weist zwar zutreffend darauf hin, dass es auch nur in Einzelfällen gelingen kann, ein bestimmtes chemisches Kanzerogen als den maßgebenden Risikofaktor für die Entstehung eines myelodysplastischen Syndroms abzugrenzen. Sofern sich jedoch eine wie hier für Knochenmarksschädigungen typische Noxe wie Benzol von anderen Risikofaktoren deutlich heraushebt, darf dies im Rahmen der Prüfung, ob eine Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf diese Benzolbelastung zurückgeführt werden kann, nicht unberücksichtigt bleiben. Neben Benzol war D. nicht nachweislich anderen myelotoxischen Stoffen ausgesetzt. Im Übrigen ist dem Gutachten des Prof. Dr. L. zu entnehmen, dass er nicht an der generellen Geeignetheit der vorhandenen Benzoleinwirkung für die Erkrankung des D. zweifelt. Die Ausführungen der Prof. Dr. W. beinhalten zwar bekannte Überlegungen zur wissenschaftlichen Lehre, jedoch fehlt eine in diesem Einzelfall ausreichende Kausalitätsbetrachtung unter Berücksichtigung des bei D. vorliegenden klassischen klinischen Krankheitsbilds einer chronischen Benzolvergiftung. Die Gutachterin stimmt im Übrigen Prof. Dr. F. zu, benzolbedingte Blutzellschäden würden sich fast ausschließlich an der erythropoetischen und thrombozytopoetischen Zellreihe auswirken. Der Senat folgt aber nicht der Auffassung der Prof. Dr. W. , die als krankhafte Wirkung von Benzol eine die roten Blutkörperchen verdrängende überschießende Produktion weißer Blutkörperchen ansieht, sondern den Schlussfolgerungen des Prof. Dr. F. gerade auch aufgrund klinischer Beobachtungen. Dr. P. sieht bei der hier beruflich anzunehmenden Benzolexposition keinen Kausalzusammenhang, auch nicht unter Berücksichtigung des Raucherverhaltens des Versicherten und nennt dabei die Vielzahl von Kanzerogenen im Zigarettenrauch. Maßgeblich ist jedoch hier die durch das Raucherverhalten des D. erfolgte Belastung durch Benzol. Nicht belegt ist, dass die Erkrankung des D. auf andere im Zigarettenrauch enthaltene Stoffe zurückzuführen ist. Die Frage nach der Geeignetheit einer kumulativen Benzolbelastung unter Einschluss des Raucherverhaltens beantwortet Dr. P. nicht ausreichend, wenn er betont, er sehe keinen sicheren Kausalzusammenhang. Für die Anerkennung einer Berufskrankheit ist dafür aber lediglich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Ebenso kann das Gutachten des Prof. Dr. S. den hier von Prof. Dr. F. begründeten Kausalzusammenhang zwischen der Benzolexposition und der Erkrankung des D. nicht entkräften. Prof. Dr. S. setzt sich nicht genügend mit der Publikation von Woitowitz u.a. (a.a.O.) auseinander und stellt einen statistisch errechneten Schwellenwert in den Vordergrund, obwohl sich nach dieser Publikation eine gefährdende Benzolexposition schon bei deutlich unter 40-ppm-Benzoljahren ergibt. In dem Gutachten ist nicht ausreichend dargestellt, warum die qualifizierte Beurteilung dieses Einzelfalls durch Prof. Dr. F. einen Kausalzusammenhang zwischen der Benzoleinwirkung und der Erkrankung des D. nicht begründen soll. Prof. Dr. S. weist zwar darauf hin, dass das auch mit einer Benzolbelastung verbundene Raucherverhalten des D. mit der beruflichen Benzolexposition vergleichbar ist, andererseits hält er offenbar mangels vorliegender wissenschaftlicher Studien eine zweifelsfreie Berechnung einer kumulierten Benzoldosis aus dem Zigarettenkonsum nicht für möglich. Dabei führt der Gutachter aus, es sei eine synergistisch oder additive Wirkung beider Risikofaktoren zu vermuten. Seine ablehnende Haltung begründet er jedoch mit dem Fehlen entsprechender Untersuchungen, die wegen der geringen Fallzahlen nicht möglich seien. Für den Senat ist hierbei nicht nachvollziehbar, warum der Gutachter diese geäußerte Vermutung nicht erhärtet, obwohl gleichzeitig ein neben der Benzolbelastuung gleichwertiges Risiko eingeräumt wird. Die Behauptung, selbst wenn eine Gesamtwirkung unterstellt würde, reiche diese nicht aus, wird nicht im Rahmen einer Einzelfallbewertung begründet. Vielmehr lässt die Wortwahl des Gutachters, ein Zusammenhang sei nicht zweifelsfrei wahrscheinlich zu machen, auf eine gewisse Unsicherheit bei der Bewertung hin. Der Gutachter legt dementsprechend in der Beurteilung und in den Antworten zu den Beweisfragen nicht die nachvollziehbar von Prof. Dr. L. und Prof. Dr. F. berücksichtigte Benzolbelastung von 10,1 ppm-Jahren durch das Raucherverhalten zugrunde.

Die beruflich bedingte Benzolbelastung ist somit neben der durch den Tabakkonsum erfolgen Belastung als wesentliche Teilursache für die Erkrankung des D. anzusehen, so dass ein Anspruch der Klägerin als Rechtsnachfolgerin auf übergegangene Rentenleistungen ab 01.10.1997 nach einer MdE von 20 v.H. und ab 01.06.1998 nach einer MdE von 100 v.H. gegen die Beklagte besteht.

Das SG hat somit zutreffend die Anerkennung einer Berufkrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV als begründet angesehen. Wegen des unvollständigen Urteilstenors war das Urteil jedoch aufzuheben und zu ersetzen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.  


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