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Landgericht Hamburg: Allianz-Unfallversicherung wird nach Rotatorenmanschettenruptur zur Invaliditätsentschädigung nach der BGH-Rechtsprechung „Arm im Schultergelenk“ verurteilt!

LG Hamburg, Urteil v. 29.08.2008, Az. 332 O 385/06

Sachverhalt:

Am 05.07.2005 rutschte unsere Mandantin auf der Treppe ihres Hauses aus und fiel die Treppe hinab auf die rechte Schulter. Sie erlitt eine Rotatorenmanschettenruptur und einen Sehnenriss. Trotz diverser Heilbehandlungen blieb eine dauerhafte Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Schultergelenks.

Unter dem 09.02.2006 bescheinigte die Universitätsklinik Ulm gegenüber der Allianz Unfallversicherung, dass der Sturz vom 05.07.2005 zu einer dauernden Funktionsbeeinträchtigung der rechten Schulter führe. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung in der Universitätsklinik Ulm. Der Gutachter bewertete die Invalidität mit 4/10 Armwert nach Gliedertaxe, worauf die Allianz eine Invaliditätsentschädigung i.H.v. 14.316,40 Euro zahlte.

Im Nachgang wurde der Allianz unsererseits erläutert, dass das vorliegenden Gutachten eine Bewegungseinschränkung im Schultergelenk unserer Mandantin von ca. 80% ausweist und insofern nach der bestehenden BGH-Gelenkrechtsprechung die Einschränkungen nicht in Höhe von 4/10 Armwert sondern in Höhe von 8/10 Armwert nach Gliedertaxe zu bewerten sind. Den Sachbearbeiterin der Allianz wurde das Rechtsproblem verdeutlicht und sie wurden gebeten, eine entsprechende, ergänzende Fragestellung an den beauftragten Gutachter zu richten, da dieser als Mediziner die zugrunde liegende rechtliche Problematik nicht kennt.

Auf Seiten der Allianz Unfallversicherung bestand jedoch keinerlei Interesse an der Klärung des Sachverhaltes, so dass die Klage unausweichlich blieb.

Das Gericht hatte Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und Anhörung des Sachverständigen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Aufgrund der Unfallversicherung besteht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von weiteren 14.316,40 Euro. Die Beklagte hat nicht nur 4/10, sondern 8/10 des Armwertes zu zahlen. Das gilt unabhängig davon, ob die Klägerin von dem Recht auf spätere Neubemessung Gebrauch gemacht hat. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Überprüfung der Erstbemessung ist nicht ausgeschlossen, wenn später eine Neubewertung erfolgen soll.

Das Gutachten des Sachverständigen Dr. Herberhold hat zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die Beweglichkeit des rechten Schultergelenks der Klägerin wegen des Sehnenabrisses weitgehend aufgehoben ist und nur noch eine Restbeweglichkeit besteht, die mit 20 % zu bewerten ist. Darauf, dass der Arm davon abgesehen noch funktionsfähig ist, kommt es nicht an. Abzustellen ist nur auf die Funktionsunfähigkeit im Gelenk selbst. Die Klausel in § 7 Abs. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen kann nämlich nicht nur so verstanden werden, dass es auf die Funktionsunfähigkeit des Armes insgesamt ankommt, sondern auch so, dass nur auf die Funktionsunfähigkeit im Gelenk abzustellen ist. Da die Versicherungsbedingungen insoweit nicht eindeutig sind, ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB die für den Versicherungsnehmer günstigere Auslegung maßgebend (BGH, Urteil vom 24.05.2006 - IV ZR 203/03).

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Büchner, Fachanwalt für Versicherungs- und Medizinrecht:

 

Hätte die Allianz Unfallversicherung unserer Bitte entsprochen und ihrem eigenen Gutachter die ergänzende Frage nach der Restfunktionalität im Schultergelenk gestellt, so wäre die Antwort des Gutachters eindeutig und der Prozess vermeidbar gewesen. Dies war aber nicht gewollt.

Vielmehr ignorierte die Allianz Unfallversicherung die eindeutige, unterdessen zwei Mal bestätigte BGH-Rechtsprechung in der Hoffnung, dass sich die Versicherte womöglich doch keine Klage leisten kann oder sich dieser aus gesundheitlichen Gründen nicht stellen will. Ein derartiges Verhalten und bewusstes Ignorieren der ständigen BGH-Rechtsprechung ist leider bei allen privaten Unfallversicherungen an der Tagesordnung, so dass wir jedem Unfallopfer dringend anraten müssen, bei Unfällen mit Gelenkbeteiligung einen auf privates Unfallversicherungsrecht spezialisierten Fachanwalt für Versicherungsrecht zu konsultieren!


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