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LG Oldenburg: Debeka-Gutachter Dr. Astrid Stumpf und Dr. Matthias Fabra werden widerlegt. Eine stationäre psychiatrische Behandlung ist dem Kläger auch dann nicht zumutbar, wenn sie Besserung verspricht.

LG Oldenburg Urt. v. 22.5.2024 – 13 O 1938/21, BeckRS 2024, 19190 Rn. 1-84

 

Der Kläger begehrt Leistungen aus Berufsunfähigkeitsversicherungen.

Der Kläger unterhält bei dem Beklagten mehrere im Nachfolgenden dargestellte Berufsunfähigkeitsversicherungen bzw. Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen, wobei jeweils bei einem Grad der Berufsunfähigkeit von 75% volle Berufsunfähigkeitsrente gezahlt und von der Prämienzahlungspflicht vollständig befreit wird. Bei einem Grad zwischen 25% und 75% entspricht die Rentenleistung bzw. die Prämienbefreiung dem Grad der Berufsunfähigkeit.

1. Vertrag ... (Selbständige BU)

Gemäß dem Versicherungsschein vom 17.09.2011 (Anlage K1) mit Nachtrag zum Versicherungsschein vom 16.10.2017 (Anlage K2) ist eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 2.552,20 € versichert. Es gelten die ABBV-T 01/2009 (Anlage K3). Für den Zeitraum Dezember 2017 bis Juli 2021 zahlte der Kläger die hälftige Versicherungsprämie von 96,18 € monatlich.

2. Vertrag ... (Selbständige BU)

Gemäß dem Versicherungsschein vom 27.02.2009 (Anlage K4) mit Nachtrag zum Versicherungsschein vom 23.07.2017(Anlage K5) ist eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.715,09 € versichert. Es gelten die ABBV-T 01/2009 (Anlage K3). Für den Zeitraum Dezember 2017 bis Juli 2021 zahlte der Kläger die hälftige Versicherungsprämie von 65,16 € monatlich.

3. Vertrag ...

Der Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung zur Rentenversicherung (Versicherungsschein vom 28.12.2016, Anlage K6) liegen die Versicherungsbedingungen BUZI.S 07/2016 (Anlage K7) zugrunde. Für den Fall der Berufsunfähigkeit des Klägers von mindestens 75% ist eine Befreiung von den Prämien der Hauptversicherung und aller Zusatzversicherungen vereinbart. Für den Zeitraum Dezember 2017 bis Mai 2018 zahlte der Kläger eine Versicherungsprämie in Höhe von 49,93 € monatlich und für den Zeitraum Juni 2018 bis Juli 2021 in Höhe von 24,97 € monatlich.

4. Vertrag ...

Der Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung zur Rentenversicherung (Nachtrag zum Versicherungsschein vom 20.03.2019, Anlage K8) liegen die Versicherungsbedingungen BUZ-S 01/2013 (Anlage K9) zugrunde. Für den Fall der Berufsunfähigkeit des Klägers von mindestens 75% ist eine Befreiung von den Prämien der Hauptversicherung und aller Zusatzversicherungen vereinbart. Für den Zeitraum Dezember 2017 bis Mai 2018 zahlte der Kläger eine Versicherungsprämie in Höhe von 83,75 € monatlich und für den Zeitraum Juni 2018 bis Juli 2021 in Höhe von 41,87 € monatlich.

5. Vertrag ...

Der Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung zur Rentenversicherung (Versicherungsschein vom 25.07.2017, Anlage K10) liegen die Versicherungsbedingungen BUZI.S 07/2017 (Anlage K11) zugrunde. Für den Fall der Berufsunfähigkeit des Klägers von mindestens 75% ist eine Befreiung von den Prämien der Hauptversicherung und aller Zusatzversicherungen vereinbart. Für den Zeitraum Dezember 2017 bis Mai 2018 zahlte der Kläger eine Versicherungsprämie in Höhe von 129,85 € monatlich und für den Zeitraum Juni 2018 bis Juli 2021 in Höhe von 64,93 € monatlich.

Der Kläger war bei der D... als Organisationsleiter im Vertriebsaußendienst angestellt tätig. Am 06.06.2019 beantragte der Kläger Leistungen aus den vorgenannten Versicherungen. Im November 2019 gab er die von dem Beklagten geforderten Angaben und Erklärungen in einem vorgefertigten Formular ab (Anlage K12). Es wurde vereinbart, dass die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht für den Zeitraum ab dem 01.12.2019 bis zum 31.07.2020 Rentenleistungen in Höhe von 100% erbringt und den Kläger von der Beitragspflicht für diesen Zeitraum freistellt bis zur Erstellung eines Gutachtens. In der Folge holte der Beklagte ein psychosomatisch-psychiatrisches Gutachten der Zeugin Dr. S. vom 27.07.2020 (Anlage K13, Anlage K14) ein. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten verwiesen. Der Beklagte erkannte mit Schreiben vom 24.08.2020 eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit in Höhe von 50% betreffend die selbständigen Berufsunfähigkeitsversicherungsverträge (Verträge ... und ... ) seit dem 01.12.2017 und betreffend die Zusatzversicherungen (Verträge ... , ... und ... ) seit dem 01.06.2018 an und rechnete die Leistungen entsprechend ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen K15 bis K19 verwiesen. Der Beklagte zahlte Berufsunfähigkeitsrenten in Höhe von 1.276,12 € im Vertrag ... und von 857,56 € im Vertrag ... (vgl. Anlage B7, Bl. 49 Bd. I d.A.). Nach Einwendungen des Klägers wurde durch den Beklagten eine Stellungnahme der Zeugin Dr. S. vom 11.12.2020 eingeholt (vgl. Anlage K21). Mit Schreiben vom 18.01.2021 verblieb der Beklagte bei seiner Leistungsabrechnung (Anlage K20).

Mit Bescheid vom 20.10.2020 wurde bei dem Kläger ein GdB von 50 festgestellt (Anlage K34).

Der Kläger behauptet, er sei seit dem 04.12.2017, jedenfalls aber spätestens ab dem 04.06.2018 zu mindestens 75% berufsunfähig. Er sei antriebslos, leide an einer depressiven Störung, einer Panikstörung sowie einer sozialen Phobie. Hinsichtlich der konkreten Beeinträchtigung und Beschwerden wird auf die Ausführungen des Klägers in der Klageschrift (Bl. 7 d.A.) Bezug genommen. Er sei veränderungsmotiviert und befinde sich in engmaschiger psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung. Er habe 70-80 Stunden in der Woche, verteilt auf fünf bis sechs Tage gearbeitet. Hinsichtlich der konkreten ausgeübten Tätigkeiten wird auf die Anlage K22 verwiesen. Die Ausübung der Tätigkeit sei ihm aufgrund seiner Krankheit nicht möglich gewesen. Hinsichtlich der konkreten Einschränkungen des Klägers bei einer etwaigen Tätigkeit wird auf die Anlage K 34 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu Vers.-Nr. ... an ihn 60.380,32 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 46.657,52 € ab dem 02.09.2020 sowie auf jeweils 1.372,28 € ab dem 02.10., 03.11., 02.12.2020, 05.01., 02.02., 02.03., 02.04., 04.05., 02.06. und 02.07.2021;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu Vers.Nr. ... beginnend ab August 2021 bis längstens 01.10.2051 bis zum ersten Werktag eines jeden Monats im Voraus eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von jeweils 1.276,10 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf und zwei jeweils ab dem auf den ersten Werktag eines jeden Monats folgenden Tag für den Fall, dass die Zahlung durch die Beklagte nicht am ersten Werktag eines jeden Monats erfolgt;

3. den Beklagten zu verurteilen, ihn von der Prämienzahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung zu Vers.-Nr. ... ab dem 01.08.2021 bis längstens zum 01.10.2051 vollständig zu befreien;

4. den Beklagten zu verurteilen, aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu Vers.-Nr. ... an ihn 40.599,24 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 31.372,14 € ab dem 02.09.2020 sowie auf jeweils 922,71 € ab dem 02.10., 03.11., 02.12.2020, 05.01., 02.02., 02.03., 02.04., 04.05., 02.06. und 02.07.2021;

5. den Beklagten zu verurteilen, an ihn aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu Vers.Nr. ... beginnend ab August 2021 bis längstens 01.06.2051 bis zum ersten Werktag eines jeden Monats im Voraus eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von jeweils 857,55 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf und zwei jeweils ab dem auf den ersten Werktag eines jeden Monats folgenden Tag für den Fall, dass die Zahlung durch die Beklagte nicht am ersten Werktag eines jeden Monats erfolgt;

6. den Beklagten zu verurteilen, ihn von der Prämienzahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung zu Vers.-Nr. ... ab dem 01.08.2021 bis längstens zum 01.06.2051 vollständig zu befreien;

7. den Beklagten zu verurteilen, aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu Vers.-Nr. ... an ihn 1.248,44 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 998,74 € ab dem 02.09.2020 sowie auf jeweils 24,97 € ab dem 02.10., 03.11., 02.12.2020, 05.01., 02.02., 02.03., 02.04., 04.05., 02.06. und 02.07.2021;

8. den Beklagten zu verurteilen, ihn von der Prämienzahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung zu Vers.-Nr. ... ab dem 01.08.2021 bis längstens zum 01.06.2051 vollständig zu befreien;

9. den Beklagten zu verurteilen, aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu Vers.-Nr. ... an ihn 2.093,56 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.674,86 € ab dem 02.09.2020 sowie auf jeweils 41,87 € ab dem 02.10., 03.11., 02.12.2020, 05.01., 02.02., 02.03., 02.04., 04.05., 02.06. und 02.07.2021;

10. den Beklagten zu verurteilen, ihn von der Prämienzahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung zu Vers.-Nr. ... ab dem 01.08.2021 bis längstens zum 01.06.2051 vollständig zu befreien;

11. den Beklagten zu verurteilen, aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu Vers.-Nr. ... an ihn 3.246,44 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 2.597,14 € ab dem 02.09.2020 sowie auf jeweils 64,93 € ab dem 02.10., 03.11., 02.12.2020, 05.01., 02.02., 02.03., 02.04., 04.05., 02.06. und 02.07.2021;

12. den Beklagten zu verurteilen, ihn von der Prämienzahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung zu Vers.-Nr. ... ab dem 01.08.2021 bis längstens zum 01.08.2051 vollständig zu befreien. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet die beruflichen Tätigkeiten nach Art, Zeitdauer und Inhalt der Tätigkeiten sowie die dargelegten gesundheitlichen Anforderungen an die Tätigkeiten, die gesundheitlichen Einschränkungen und die Auswirkung dieser auf die bisherige Tätigkeit mit Nichtwissen. Es liege keine bedingungsgemäße Berufungsunfähigkeit von mehr als 50% vor. Er behauptet, der Kläger sei in der Lage, durch ein „Ansteuern“ seine Leistungsfähigkeit so zu beeinflussen, dass der Grad der Berufsunfähigkeit von 50% unterschritten werde. Er sei in der Lage das neurotisch bedingte Zustandsbild willentlich zu überwinden. Der Beklagte meint, dies sei dem Kläger möglich und zumutbar. Er behauptet, die vom Kläger behaupteten Beschwerden könnten im Rahmen einer verhaltenstherapeutischen Psychotherapie einhergehend mit einer progressiv ausgerichteten psychosomatisch-psychotherapeutischen Krankenhausbehandlung mit einer Aussicht auf eine wesentliche Besserung oder Heilung suffizient behandelt werden. Insoweit beruft er sich auf § 4 Abs. 4 der BUZ-S 01/2013 bzw. BUZI-S 01/2017 und die daraus folgende Leistungsfreiheit nach § 7 BUZ-S 01/2013 bzw. BUZI-S 01/2017.

Das Gericht hat durch Vernehmung der Zeugen H1.  und M1. sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.03.2022 (Bl. 88 ff Bd. I d.A.) sowie auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 21.03.2023 (Bl. 133 ff Bd. I d.A.) nebst Ergänzungsgutachten vom 14.08.2023 (Bl. 1 ff Bd. II d.A.) sowie die Ausführungen des Sachverständigen im Termin vom 15.04.2024 (Bl. 97 R ff Bd. II d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gegenseitigen Schriftsätze der Parteivertreter verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klageanträge zu Ziffer 3., 6., 8., 10. und 12. sind nach §§ 133, 157 BGB analog dahingehend auszulegen, dass der Kläger beantragt festzustellen, dass er nicht zur Zahlung einer monatlichen Versicherungsprämie verpflichtet ist. Ein Anspruch auf zukünftige Befreiung von einer Zahlungspflicht kann nicht geltend gemacht werden. Da der Kläger jedoch bei Vorliegen einer Berufsunfähigkeit von 75% von der Prämienzahlung vollständig befreit ist, besteht insoweit ein Feststellungsinteresse.

II.

Die mit diesem Inhalt auszulegende zulässige Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Versicherungsverträge ... und ... (Klageanträge Ziffer 1. bis 6.)

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 24.283,16 € und 16.238,64 € aus den Versicherungsverträgen ... und ... (Klageanträge Ziffer 1 und 3).

Daneben besteht ein Anspruch auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente ab August 2021 bis Februar 2023 in Höhe von weiterer 513,42 € und 343,00 € sowie ab März 2023 bis längstens 01.10.2051 in Höhe von weiterer 1.276,08 € und 857,53 € (Klageanträge Ziffer 2 und 4).

Zudem ist der Kläger nicht verpflichtet, vollständige Prämien zu zahlen. Vielmehr hat er, ab August 2021 bis Februar 2023 die Prämien in Höhe von 30 Prozent zu zahlen. Ab März 2023 ist er von der Leistungspflicht befreit (Klageanträge 3 und 6).

Gem. § 2 Abs. 1 ABBV-T 01/2009 liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen vollständig außerstande ist, in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf – so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war – tätig zu sein. Nach § 2 Abs. 2 ABBV-T 01/2009 liegt teilweise Berufsunfähigkeit vor, wenn die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen erfüllt sind.

Der Kläger kann seit Dezember 2017 nicht mehr in seinem Beruf als Organisationsleiter im Vertriebsaußendienst bei einer Versicherung zu 70% und seit März 2023 zu 75% tätig sein.

a. Abzustellen war vorliegend auf die Tätigkeit des Klägers als Organisationsleiter im Vertriebsaußendienst bei einer Versicherung, da dies die letzte in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit darstellte. Die Ausgestaltung der zuletzt als Organisationsleiter im Vertriebsaußendienst bei einer Versicherung ausgeübten Tätigkeit ergibt sich aus dem klägerischen Vortrag (insbesondere Anlage K22) sowie der Zeugenvernehmungen der Zeugen M1 und H1. vom 09.03.2022.Danach stehen die anfallenden Tätigkeiten ihrer Art, ihrem Umfang und ihrer Häufigkeit nach so konkret fest, dass sie für einen Außenstehenden nachvollziehbar sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22.9.2004- IV ZR 200/03, VersR 2005, 676). Der Kläger arbeitete 70 bis 80 Stunden die Woche an fünf bis sechs Tagen die Woche, wobei hiervon ca. 20 Stunden auf Kundengespräche, ca. zwölf Stunden auf die Vor- und Nachbereitung von Kundengesprächen mit Mitarbeitern/Azubis, ca. neun Stunden auf die Teilnahme und Leitung von Besprechungen und Workshops, ca. zwei Stunden auf Gespräche mit Mitarbeitern, ca. zwölf Stunden auf Akquise telefonisch und persönlich und ca. 15 Stunden auf Büro und Administrative Tätigkeiten entfielen. Der Kläger leitete ein Team aus sieben Mitarbeitern und drei Auszubildenden. Sie waren schwerpunktmäßig zuständig für die Betreuung von Privatkunden aus der Umgebung Oldenburg/Delmenhorst in allen großen Versicherungsbereichen sowie der Immobilienfinanzierung, Bausparverträgen und Teilen der Geldanlage. Zusätzlich wurden gewerblichen Kunden Sachversicherungen angeboten. Die Tätigkeit des Klägers beinhaltete insbesondere die Mitarbeiterführung durch die Leitung von Gruppenbesprechungen und Gruppenworkshops sowie das Führen von Einzelgesprächen mit Mitarbeitern. Daneben waren Kundentermine mit und ohne Mitarbeiter durchzuführen sowie diese mit den Mitarbeitern vor- und nachzubereiten. Die Woche war nach und vorzubereiten und insoweit insbesondere die Zahlen seiner Gruppe zu analysieren. Daneben hatte er E-Mails zu bearbeiten und Telefonakquise durchzuführen. Zudem nahm der Kläger einmal im Monat an Führungskräftebesprechungen sowie einmal im Monat an Außendiensttagungen teil, wobei er auch eigene Vorträge hielt.

Diese Berufstätigkeit steht aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugen M1. und H1. fest, die diese Tätigkeiten nachvollziehbar beschrieben und die Angaben des Klägers insoweit bestätigt haben. Der Zeuge M1. war Mitarbeiter des Klägers und der Zeuge H1. hat dieselbe Tätigkeit wie der Kläger ausgeübt. Sie konnten daher jeweils Angaben zu den konkreten Tätigkeiten aus eigener Wahrnehmung machen. Der Zeuge H1. hat bekundet, dass er mit dem Kläger bei Führungskräftetagungen über die Arbeit gesprochen und sich hierüber ausgetauscht habe. Daher könne er sagen, dass der Kläger im Wesentlichen genauso wie er gearbeitet habe. Dies ist lebensnah.

Der Zeuge H1. hat sehr detailliert zu den Arbeitsanforderungen an den Kläger ausgesagt und einen typischen Arbeitswochenverlauf des Klägers dargestellt. So sei am Montag Teambesprechungstag gewesen, hierfür habe am Wochenende oder am Freitag davor die Vorbereitung erfolgen müssen. Man bespreche hierbei mit dem Team, was für die kommende Woche anstehe und führe danach Einzelgespräche mit den Mitarbeitern. Für den Abend seien dann immer drei bis vier Stunden freigehalten für gemeinsame Termine mit den Mitarbeitern oder Kundengespräche. Neben der Teamleitung habe der Teamleiter auch eigene Kunden, die betreut werden müssten. Dienstags und donnerstags habe er und auch der Kläger gemeinsamen Außendienst mit ihren Mitarbeitern gemacht, ganztägig. Mittwochs seien auch zu 80 bis 90% Außendiensttätigkeiten angefallen. Der Kläger und er hätten mit ca. zehn bis zwölf Mitarbeitern jeweils eine große Gruppe zu betreuen gehabt, sodass zwei Tage in der Regel nicht ausreichten, um die Mitarbeiter zu begleiten, zumal ein Mitarbeiter ungefähr zehn bis 15 Kundentermine pro Woche bräuchte, um sein Gehalt zu erwirtschaften. Daneben seien ca. zwei Schulungen im Monat und ein Treffen auf Geschäftsstelleneben im Monat erfolgt. Die Teambesprechungen hätten wöchentlich stattgefunden, von einer Stunde bis zu drei Stunden. Auch freitags sei häufig noch eine Unterstützung der Mitarbeiter notwendig gewesen oder es hätten eigene Außentermine angestanden. Häufig sei es nicht möglich, vor 18 Uhr einen Termin hinzubekommen, sodass auch die Durchführung von Terminen um 20 Uhr oder 22 Uhr mal realistisch sei. Das Verhältnis der Mitarbeiterführung zu der Betreuung der eigenen Kunden liege etwa bei 70 zu 30 Prozent, könne jedoch auch höher sein, je nachdem wie viel Zeit auf die Mitarbeiter zu verwenden sei. Dies komme darauf an, wie gut die Mitarbeiter seien. Die Angaben des Zeugen sind glaubhaft. Er hat die Tätigkeiten detailliert geschildert und jeweils angegeben, ob auch der Kläger diese Tätigkeit entsprechend durchgeführt hat.

Der Zeuge M1. hat insbesondere bestätigt, dass der Kläger als Organisationsleiter verantwortlich für die Gruppe und für die Mitarbeiter gewesen sei. Er sei mit ihm gemeinsam zu Kundenterminen gefahren. Nach dem Einarbeitungsmonat sei der Kläger bei ihm ca. ein bis drei Tage im Monat mitgefahren. Diese Termine hätten auch zusammen vorbereitet werden müssen. An einem Tag hätten auch mal drei oder vier Kundentermine angestanden. Ein Kundentermin habe auch mal um 20 Uhr stattgefunden. Zudem habe es einmal wöchentlich eine Gruppenbesprechung gegeben, die der Kläger vorbereitet habe. Auch habe der Kläger mindestens einmal monatlich Workshops zu bestimmten Themen geleitet. Auch die Aussage des Zeugen M1. ist glaubhaft. Insbesondere hat der Zeuge E. von sich aus geschildert, indem er beispielsweise bekundet hat, er könne sich an die Anzahl der Mitarbeiter nicht mehr erinnern. Auch hat er klargestellt, wozu er keine Angaben machen könne, zum Beispiel zu der Arbeitszeit des Klägers. Dies ist nachvollziehbar, da der Zeuge als Mitarbeiter des Klägers dessen Arbeitstätigkeit nicht umfassend mitbekommen haben kann.

Aufgrund der Tätigkeitsbeschreibungen ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger mit einem Arbeitseinsatz von 75 bis 80% Termine mit anderen durchgeführt hat, entweder im Rahmen von Kundenterminen oder im Rahmen der Mitarbeiterführung. Wesentlicher Bestandteil der Tätigkeit war die Führung der Mitarbeiter im Rahmen von Einzelgesprächen, Terminvor- und -nachbereitungen und Teambesprechungen. Daneben bestand ein wesentlicher Teil der Arbeit in der Begleitung von Mitarbeitern zu Kundenterminen und in eigenen Kundenbesuchen. Dies alles beinhaltete den intensiven Kontakt zu den Mitarbeitern bzw. Kunden. Die Arbeit, die der Kläger alleine ausführte, beschränkte sich im Wesentlichen auf die Abarbeitung/ Beantwortung von E-Mails sowie die Auswertung von Zahlen. Der Kläger selbst hat dies mit einem Stundenumfang von ca. 15 Stunden angegeben. Dies im Verhältnis zu der Arbeitszeit von 70 Stunden stellt einen Prozentsatz von 21% dar. Der Zeuge H1. hat zudem bekundet, dass auf die Mitarbeiterführung zwischen 70 und 90 Prozent der Arbeitszeit entfielen, je nachdem, wie gut die Mitarbeiter seien. Daher ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger jedenfalls 75% bis 80% der Arbeitszeit mit Dritten verbrachte.

b. Die nach den obigen Ausführungen als bewiesen anzusehende Arbeitsbeschreibung vermittelt eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage für die Begutachtung durch einen medizinischen Sachverständigen. Für die Kammer steht nach Einholung des Sachverständigengutachtens fest, dass der Kläger nicht mehr zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit mit Blick auf die Verträge ... und ... seit Dezember 2017 zu 70% und seit März 2023 zu 75% in der Lage war.

Die Überzeugung der Kammer beruht auf den plausiblen, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen Dr. F. . Der Sachverstände, der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Zertifizierter Gutachter der Deutschen Gesellschaft für Neurowissenschaftliche Begutachtung ist, verfügt über ein herausragendes Fachwissen und ein ebensolches Erfahrungswissen. Er hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 21.03.2023 die Erkrankung des Klägers überzeugend als eine im Verlauf unterschiedlich ausgeprägte depressive Störung (F32.9) und eine dysthyme (depressiv-neurotischen) Störung (F.34.1) eingeordnet, wobei im Kontext der depressiven Symptomausprägung die diagnostischen Kriterien der Neurasthenie (F48.0), von sonstigen konfliktneurotischen Störungen (F48.8) und von sozialer Phobie (F40.1) erfüllt seien. Die Symptome von Depression und Dysthymia hätten sich vor dem Hintergrund einer komplexen ungünstigen Struktureigenart der Grundpersönlichkeit entwickelt, die mit Merkmalen einer selbstunsicheren Persönlichkeit mit ängstlich-vermeidenden und narzisstischen Merkmalen einhergehe. Der Sachverständige hat die sich aus diesem Krankheitsbild ergebenden Beeinträchtigungen festgestellt und die hieraus konkret resultierenden Leistungseinbußen in Hinblick auf die Tätigkeit als Organisationsleiter im Vertriebsaußendienst bei einer Versicherung nachvollziehbar ausgeführt, dass der Kläger ab Dezember 2017 um min. 70% und ab dem Zeitpunkt der Gutachtenerstattung im März 2023 um mindestens 75% zur Ausübung der Tätigkeit eingeschränkt gewesen. Diese Bewertung beruht auf einer Auswertung der in der Gerichtsakte befindlichen Gutachten, ärztlichen Stellungnahmen und persönlichen Exploration des Klägers.

Der Sachverständige führt hinsichtlich der Diagnose aus, dass eine persistierende und unterschiedlich ausgeprägte depressive Störung von derzeit mittelschwerer Ausprägung entsprechend F 32.9 vorliege, dies auf dem Boden einer überwiegend dysthymen (depressiv-neurotischen) Störung entsprechend F34.1. Die Symptome von Depression und Dysthymia hätten sich vor dem psychischen Hintergrund einer komplexen ungünstigen Struktureigenart der Persönlichkeit entwickelt, die mit ängstlich-vermeidenden und narzisstischen Merkmalen einhergehe. Es seien die Kriterien einer konfliktneurotisch neurasthenischen Störung entsprechend F48.0 und von sonstiger konfliktneurotischer Störung entsprechend F48.8 erfüllt. Seit Ende 2015 entsprächen die Diagnosen von F32.9, F34.1 und F48 klinischen Manifestationen einer protrahierten, zwischenzeitlich chronifizierte Anpassungsstörung, zusätzlich ist Auftreten von Ängsten entsprechend F40.1 (soziale Phobie) nach ICD-10 zu diagnostizieren, deren chronische Manifestation durch konstitutionelle, entwicklungspsychologische und konfliktpathogene Faktoren begünstigt werde. Die Symptomausprägungen würden durch erhöhter Stressvulnerabilität befördert, die auf verminderter Resilienz beruhe. Die strukturellen Defizite zeigten sich bei dem Kläger vornehmlich in den Bereichen von Selbstwertregulierung, Affektdifferenzierung, Affekt- und Impulssteuerung und konditionierten Verhaltensweisen, die zwischenzeitlich auch Aspekte einer erlernten Hilflosigkeit umfassten und mit psychoneurotischen Abwehrmechanismen von Vermeidung, Verdrängung und Rückzug einhergingen, quasi als Überkompensation einer beruflichen Tendenz zu Action proneness. Die Diagnosen führten zu einer kognitiv-emotionalen Beeinträchtigung von Denken, Stimmung und Befindlichkeit, konditionierten ein hieraus resultierendes Verhalten im Sinne einer ausgeprägten Fear-Avoidance-Strategie auf der behavioralen Ebene, die auf der sozialen Ebene durch Rückzug, Kontaktvermeidung, Vernachlässigung und unzureichende soziale Einbindung fixiert werde.

Es finde eine Überlagerung und Akzentuierung der klinischen Symptombildung durch Einflüsse finanzieller Gratifikation, persönlichen Interessen und weltanschaulichen Neigungen statt. Insbesondere Letztere seien bei der Motiviertheit zu berücksichtigen, da sie mehrfach therapeutische Behandlungsmöglichkeit verhindert hätten, sodass zu keiner Zeit eine stationär-psychosomatische Rehabilitationsbehandlung absolviert worden sei.

Eine Panikstörung nach F41 liege jedoch nicht vor, die Panikattacken entsprächen einer sekundären Manifestation der Angst im Rahmen der sozialen Phobie, die im Wesentlichen vor dem strukturellen und konfliktneurotischen Hintergrund des Probanden einzuordnen sei.

Die Ausführungen des Sachverständigen sind logisch, in sich konsistent und nachvollziehbar. Er hat den Kläger persönlich exploriert und die weiteren Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen ausgewertet. Für das Gutachten hat er wissenschaftliche Standards angewandt, insbesondere die AWMF-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen Teil I bis III. Zudem hat er testpsychologische Selbstvalidierungsfragebögen verwendet und diese seiner Beurteilung zu Grunde gelegt.

Der Sachverständige hat geprüft, ob Aggravationstendenzen vorliegen und dies verneint. So hat er ausgeführt, dass die vom Kläger mitgeteilten Schilderungen zu Symptomen und von seiner Befindlichkeit im Großen und Ganzen qualitativ und quantitativ mit der gutachterlichen Wahrnehmung von Affektivität und Emotionalität übereinstimmten, sofern ein Konvergenzverhalten zwischen verbaler Darstellung und zu beobachtender Emotionalität bzw. dem zu beobachtenden Verhalten des Probanden vor dem Hintergrund seiner besonderen, teilweise ungünstigen persönlichen Struktureigenart und der deutlich spürbaren psychischen (neurotischen) Abwehrmechanismen eingeordnet werde. Es zeigten sich keine Hinweise für bewusstseinsnahe Aggravationstendenzen, hingegen auf Einflüsse von entsprechend beschwerten Lebensereignissen im Kindes- und Erwachsenenalter, die zur Ausprägung ungünstiger Persönlichkeitsmerkmale beigetragen hätten.

Eine Durchführung weiterer Validierungsmethoden, insbesondere eine neurokognitive Testung, war – anders als die Privatgutachterin Dr. S.  meint – nicht erforderlich. Denn die Privatgutachterin hat für ihre Begutachtung eine neuropsychologische Testung mit Beschwerdevalidierung und Selbstbeurteilungsfragebögen verwendet und hat hierbei weder wesentliche alltagsrelevanten kognitiven Einschränkungen noch Aggravationstendenzen festgestellt. Der Sachverständige Dr. F.  hat die Testungen, die dem Privatgutachten zugrunde liegen, bei seiner Bewertung einbezogen. Eine weitergehende Testung durch ihn war daher nicht erforderlich.

Der gerichtliche Sachverständige hat zudem nachvollziehbar und im zeitlichen Kontext erörtert und dargestellt, warum es zu der Erkrankung und seiner Ausprägung gekommen ist. So hat er angegeben, dass im Kontext einer unbestritten vulnerablen Lebenssituation, die im Herbst 2015 mit dem Erleben von Hilflosigkeit und Ohnmacht einhergegangen war, sich in den folgenden Monaten und Jahren bei dem Kläger Symptome einer Neurasthenie, von Depression und Angst als Chiffre für sprachlich nicht benennbares und emotionales Leid(en) entwickelt habe, die den Kläger in Stresssituationen überforderten, sodass zwischenzeitlich und anhaltend eine chronische Beschwerdesymptomatik vorliege, die ohne vernünftige Zweifel vor dem Hintergrund seiner ausgeprägten Neigung zu Action proneness (im Zusammenhang mit einem beruflichen Angewiesensein auf narzisstische Gratifikationseffekte) zu verstehen sei.

Der Sachverständige hat sich auch hinreichend mit dem Privatgutachten der Beklagten von Frau Dr. S.  auseinandergesetzt und die in wenigen Teilbereichen abweichende Beurteilung durch diese hinreichend erläutert und seinen Standpunkt für die Kammer nachvollziehbar dargelegt, sodass die Kammer dieser folgen konnte und auch die Voraussetzungen für die Einholung eines weiteren oder neuen Gutachtens nach § 412 ZPO nicht erfüllt sind.

Hat eine Partei ein medizinisches Gutachten vorgelegt, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen eines anderen Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall den Streit der – privaten oder gerichtlichen – Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt. Vielmehr muss er Einwände, die sich aus einem privaten Gutachten gegen ein anderes Gutachten ergeben, ernst nehmen; er muss ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären (vgl. BGH NJW 2010, 3657 Rn. 27, beck-online; BGH, NJW-RR 2009, 1192 = VersR 2009, 975 Rdnr. 7 m.w.N; NJW-RR 2009, 35 = VersR 2008, 1676 Rdnr. 11; NJW-RR 2004, 1679 = VersR 2005, 676 [unter II 2b aa] m.W.n.).

Der Sachverständige hat sich insbesondere mit der Problematik einer Willensüberwindung bzw. Mitwirkung des Klägers an der Überwindung der Krankheit auseinandergesetzt. So führt er aus, es sei kritisch zu sehen, dass der Kläger einen stationären Rehabilitationsaufenthalt nicht angetreten hätte, da ambulante behandelnde Therapeuten die Rehafähigkeit auf sein Ersuchen hin verneint hätten, diese gleichwohl im Rahmen einer fachpsychiatrischen Begutachtung am 10.03.2021 bejaht worden sei. In den letzten Jahren nähmen zusätzlich Rechtsstreitigkeiten einen ungünstigen Einfluss auf die Symptomausprägung, sodass teilweise auch Verbitterungsaspekte zu berücksichtigen seien.

Allerdings bestünde keine lineare Korrelation zwischen depressiver Symptomatik und zumutbare Willensanstrengung. Es liege vorliegend nicht nur – wie die Privatgutachterin Dr. S. meint – eine konfliktneurotische Symptombildung vor. Vielmehr sei Auslösemechanismus ein Vorfall im September 2015 gewesen, bei dem der Kläger im Rahmen einer Führungskräftetagung eine Panikattacke gehabt habe, welche zu einem Ohnmachtsgefühl und Hilflosigkeitserleben geführt habe. Er sei in der Folgezeit nicht mehr in der Lage gewesen, in der über viele Jahre zuvor praktizierten Art und Weise arbeitstäglich im Umfang von 12 bis hin zu 14 und 16 Stunden beruflich zu arbeiten dies vor dem Hintergrund seiner spezifischen Struktureigenart.

Bei der beruflichen Arbeit zuvor hätten sich bereits deutliche Hinweise auf das Angewiesensein auf narzisstische Gratifikationseffekte aus der beruflichen Arbeit und auf eine Tendenz zu sog. Actionproneness entwickelt. Die Ereignisse im September 2015 hätten den Kläger in seiner spezifischen Vulnerabilität getroffen, als Ängste und Sorgen psychodynamisch nicht gebunden und strukturell nicht integriert werden konnten, sodass es zu einer psychosomatischen Dekompensation mit autonomer, depressiven und neurasthenischen Symptommanifestation gekommen sei, ohne dass der Kläger resilient gewesen sei bzw. mit therapeutischer Unterstützung Strategien für die Entwicklung von verbesserter Resilienz hätte entwickeln können. Die depressiv-narzistische Pathologie sei auf einem mittleren Strukturniveau nach OPD-2 (Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik) integriert und rutsche in Krisensituationen auf ein niedriges Niveau ab, ohne dass hierbei einer bewusstseinsnahen Ausgestaltung eine relevante Schrittmacherfunktion zukomme. Die strukturellen Defizite zeigten sich bei dem Kläger vornehmlich in den Bereichen der Selbstwertregulierung, Affektdifferenzierung, Affekt- und Impulssteuerung und konditionierten Verhaltensweisen, die neben Aspekten einer sozialen Phobie zwischenzeitlich auch deutliche Aspekte einer Gewöhnung respektive einer erlernten Hilflosigkeit, teilweise auch Verbitterungsaspekte umfassten und mit psychoneurotischen Abwehrmechanismen von Vermeidung, Verdrängung und Rückzug einhergingen.

Auch das von der Privatgutachterin Dr. S. angeführte „Spinning“ Training führt nicht dazu, dass dem Kläger die Erkrankung willentlich ohne therapeutische Unterstützung überwindbar ist. Denn nach Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. sei erforderlich, die innere Konfliktwelt und innere Motiviertheit des Klägers zu analysieren und zu bewerten. So sei es für den Kläger mit willentlicher Anstrengung möglich, therapeutische Maßnahmen aufzunehmen, es überfordere aber, ohne Therapie mittels eines guten Willens sein Befinden und Beeinträchtigungen (willentlich) zu korrigieren. Dies ist nachvollziehbar. Zwar führt die Privatgutachterin Dr. S. aus, dass es für die Leistungsfähigkeit wichtig zu bewerten sei, ob die vorliegende Erkrankung behandelbar bzw. willentlich überwindbar sei. Aufgrund der sportlichen Betätigung des Klägers im Rahmen von „Spinning“ sei zu berücksichtigen, dass eine ausgeprägte Antriebsminderung nicht überdauernd vorliege. Eine Antriebsminderung im Sinne einer kognitiven Verlangsamung habe testpsychologisch nicht nachgewiesen werden können, sondern der Kläger verfüge über sehr gute kognitive Leistungsfähigkeit. Die Tatsache, dass eine neurotische Konfliktdynamik vorliege, impliziere die willentliche Überwindbarkeit. Dies ist jedoch nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. nicht ohne therapeutische Behandlung möglich. Auch die Privatgutachterin Dr. S. führt ebenfalls mit Blick auf die willentliche Überwindbarkeit aus, dass die Erkrankung therapeutisch behandelbar sei. Sie hält die Angaben des Sachverständigen Dr. F., die Erkrankung sei nicht ohne Therapie überwindbar, in gewissem Maße für zutreffend, erachte eine Therapie aber als zumutbar. Die Ausführungen der Privatsachverständigen Dr. S. stehen daher nicht im Widerspruch zu den Angaben des gerichtlichen Sachverständigen, da dieser ebenfalls von einer Therapierbarkeit ausgeht.

Im Hinblick auf die willentliche Überwindbarkeit hat der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung zudem ausgeführt, die Tatsache, dass der Kläger die stationäre Therapie nicht angetreten habe, spiele eine wichtige Weichenstellung in der Persistenz der Beschwerdesymptomatik und eine wichtige Rolle, ob und inwieweit die Erkrankung willentlich überwindbar sei. Hintergrund sei, dass seinerzeit die Intensität und Frequenz der ambulanten Behandlung des Klägers nicht ausreichend gewesen sei. Es hätte eines stationären Aufenthalts bedurft. Durch die seinerzeitige ambulante Therapie sei der Kläger in seiner Selbsteinschätzung und Wahrnehmung von fachlicher Seite aus bestärkt worden. Es hätte zur Durchbrechung eines stationären Aufenthalts bedurft, um diese gestörte Selbstwahrnehmung beim Kläger zu überwinden. Das hätte ihm insoweit die Möglichkeit eröffnet, mit der notwendigen Willensanstrengung sich auf eine weitere Behandlung einzulassen. Es sei möglich, eine derartige Störung willentlich zu überwinden, dazu bedürfte es jedoch verschiedener Maßnahmen. So sei auch bereits im Jahr 2019 bei der Begutachtung durch Dr. N. eine stationäre Maßnahme als notwendig angesehen worden, um den Kläger wieder in die Lage zu versetzen, arbeitsfähig zu werden. Zum Zeitpunkt seiner Begutachtung im Jahr 2023 hätten sich die beim Kläger vorliegenden Störungen dramatisch verschärft und eingeschliffen. Um den Kläger daher wieder in diese Situation zu bringen, dass er wieder berufsfähig werden könne, bedürfe es zum einen einer ambulanten Therapiemaßnahme, die durch stationäre Intervalle ergänzt werden müsse. Darüber hinaus seien sozialpsychiatrische Hilfen angezeigt, da er auch im täglichen Leben hinsichtlich der üblichen Aktivitäten kontrolliert werden müsse, da es sich nicht um eine affektive Erkrankung, sondern um eine psychoreaktive Beeinträchtigung und Chronifizierung handele.

Die Einwendung der Privatgutachterin Dr. S., wonach sich nach den von Dr. F. diagnostizierten Erkrankungen eine eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit ergeben müsse, welche jedoch nicht festgestellt worden sei, ist nicht zutreffend. Der gerichtliche Sachverständige geht, anders als von der Privatgutachterin behauptet, nicht von einer schweren Depression aus, welche kognitive Einschränkungen mitsichbrächte, sondern von einer mittelgradigen. Kognitive Leistungseinschränkungen konnte der gerichtliche Sachverständige gerade nicht feststellen.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Kläger ab Dezember 2017 bis Februar 2023 zu 70% berufsunfähig war. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der Kläger ab dem 04.12.2017 aus ex-ante Sicht für voraussichtlich sechs Monate nicht in der Lage gewesen sei, seiner beruflichen Tätigkeit mit mehr als 30% nachzukommen. Aus ex-post Sicht könne er dies bis zum 10.03.2021 feststellen. Der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen relevant in seinem Durchhaltefähigkeit, Selbstbehauptungsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Kontaktfähigkeit zu Dritten, Gruppenfähigkeit sowie Impulskontrolle eingeschränkt gewesen.

Nach den Versicherungsbedingungen der Verträge ... und ... ist eine exante Sicht von sechs Monaten ausschlaggebend, sodass für diese Verträge eine Berufsunfähigkeit ab Dezember 2017 vorliegt.

Im Hinblick auf den Grad der Berufsunfähigkeit hat die Kammer die Angaben des Sachverständigen Dr. F. im Anhörungstermin in ihre Beurteilung einbezogen. Der Sachverständige hat hierzu erläutert, dass der Kläger mit Blick auf die Tätigkeiten, die in Zusammenhang mit Kunden und Mitarbeiterführung gestanden haben, zu 70% nicht in der Lage gewesen sei, diese auszuüben. Mit Blick auf die weiteren Tätigkeiten, die sich aus der Anlage K22 ergeben, beispielsweise die Bearbeitung von E-Mails, Vorgängen und Angeboten sowie die Analyse von Zahlen der Gruppe sei er zu 50% nicht in der Lage gewesen, diese Tätigkeiten auszuüben. Da der Kläger jedoch zu 75 bis 80 Prozent im Rahmen von Mitarbeiterführung und Kundenterminen tätig war, ist die Kammer überzeugt davon, dass der Kläger insgesamt in der Ausübung der beruflichen Tätigkeit bis Februar 2023 zu 70% eingeschränkt war.

Zwar hat der Sachverständige ausgeführt, dass er für den Zeitraum ab dem 11.03.2021 bis zu seiner Begutachtung im März 2023 keine belastbaren Unterlagen vorliegen habe und deshalb keine Angaben zu diesem Zeitraum machen könne. Die Kammer ist aber aufgrund der Tatsache, dass der Kläger auch in der Zwischenzeit eine stationäre psychosomatische Therapie nicht durchgeführt hat, welche jedoch nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. für eine Verbesserung seiner gesundheitlichen Situation erforderlich gewesen wäre, und somit keine Besserung der Erkrankung in der Zwischenzeit eingetreten ist, überzeugt davon, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt in der Zwischenzeit zu mehr als 30% in der Lage war, seiner Berufstätigkeit nachzukommen.

Ab März 2023 ist die Kammer von einer 75% eingeschränkten Möglichkeit der Ausübung der bisherigen Tätigkeiten überzeugt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass ab seiner Gutachtenerstellung im März für jedenfalls weitere sechs Monate der Kläger zu 75% eingeschränkt gewesen sei. Diese Einschätzung teilt die Kammer, da sich der Zustand des Klägers bis zur Begutachtung durch den Sachverständigen manifestiert hatte. Da in der Zwischenzeit jedoch keine – wie vom Sachverständigen als notwendig zur Verbesserung des Beschwerdebildes angesehen – stationäre psychosomatische Therapie erfolgt ist, liegt diese Einschränkung auch weiterhin vor.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass seit Dezember 2017 eine 50%ige Berufsunfähigkeit vorliegt. Die Beklagte hat diese bereits außergerichtlich anerkannt und bestreitet deren Vorliegen auch im hiesigen Verfahren nicht. Daher gilt auch das Vorliegen der Kausalität zwischen Erkrankung und Berufsunfähigkeit als zugestanden. Auf die Frage der Möglichkeit eines Ansteuerns gegen die Erkrankung kommt es daher nur im Rahmen der Frage des Verstoßes durch den Kläger gegen eine Mitwirkungspflicht an.

c. Eine ausdrückliche Mitwirkungspflicht des Klägers ist in den Versicherungsbedingungen der Verträge ... und ... nicht enthalten. Grundsätzlich kann sich eine solche jedoch aus § 242 BGB ergeben.

Im Einzelfall können sich – wenn im Versicherungsvertrag dazu nichts geregelt ist – aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder der allgemeinen Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) Pflichten des Versicherten ergeben, die unabhängig von Regelungen in den Bedingungen gelten (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeit, 4. Aufl., Kap. 10 Rn. 94).

Der Versicherer kann den Versicherungsnehmer nicht generell zwingen, sich ärztlich behandeln zu lassen oder sich „umzuorganisieren”. „Ungeschriebene” Obliegenheiten, deren Missachtung die Leistungsfreiheit des Versicherers begründen sollen, sind rechtlich nicht zulässig. Dies alles ist aber nur der Grundsatz, denn (natürlich) lassen sich aus § 242 BGB und den Grundsätzen zu § 254 BGB im Einzelfall Pflichten im Rahmen einer allgemeinen Schadensminderungspflicht aufgrund gebotener Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners ableiten. Der Versicherer ist deshalb dann nicht leistungspflichtig, wenn der Versicherungsnehmer ausnahmsweise durch das Unterlassen der Heilbehandlung gegen den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, denn auch in der Berufsunfähigkeitsversicherung besteht eine Schadensminderungspflicht (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeit, 4. Aufl., Kap. 10 Rn. 95, 97).

Der Versicherer ist dann nicht leistungspflichtig, wenn der Versicherte ausnahmsweise durch das Unterlassen der Heilbehandlung oder anderer zumutbarer Kompensationsmaßnahmen gegen den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt. Der Maßstab ist hier, wie sich jemand verhalten würde, der nicht gegen Berufsunfähigkeit versichert ist, und hier wird man in vielen Fällen dazu kommen, dass dieser Mensch „so gut wie alles” unternehmen würde, um seine Arbeitskraft zu erhalten, da diese ihm (und oft auch seiner Familie) in den allermeisten Fällen den Lebensstandard garantiert. Das ist gegenüber einem möglichen „Rentenbegehren” abzuwägen. In die erforderliche Gesamtbewertung kann daher auch zu Lasten des Betroffenen einfließen, ob er bspw. durch den Abschluss mehrerer Berufsunfähigkeitsversicherungen bei unterschiedlichen Anbietern oder eine Dynamisierung der Rente „überversichert” ist. Unterbleiben im Alltag selbstverständliche Maßnahmen, spricht das für eine Treuwidrigkeit (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeit, 4. Aufl., Kap. 10 Rn. 98).

Grundsätzlich sind Heilmaßnahmen alle Behandlungen (durch Andere) und Praktiken (selbst durchgeführt), die den Gesundheitszustand verbessern sollen und können. Kommen sie nach § 242 BGB (Treu und Glauben) in Betracht, so müssen sie über das ebenfalls daraus abzuleitenden Regulativ zumutbar sein. Unzumutbare Maßnahmen dürfen nicht verlangt werden. Zumutbar sind Heilbehandlungen nur dann, wenn sie einfach, gefahrlos, nicht mit besonderen Schmerzen verbunden sind und sichere Aussicht auf Heilung oder Besserung bieten. Entsprechendes gilt für alle anderen Maßnahmen. Die gesundheitliche Beeinträchtigung darf also – wenn sie eine Berufsunfähigkeit begründen soll – nicht leicht und risikolos therapierbar sein. Für die Zumutbarkeit müssen mindestens die vorgenannten Grundsätze beachtet werden, die im Schadensersatzrecht dazu entwickelt worden sind, und der Versicherer muss zusätzlich (wie bei § 254 Abs. 2 BGB der Schädiger) die dem Versicherten entstehenden Kosten tragen. Die Zumutbarkeitskriterien sind grundsätzlich nicht restriktiv zu handhaben: zwar muss der durchschnittliche Versicherungsnehmer schon nach seinen Vertragsbedingungen nicht damit rechnen, zu bestimmten Heilmaßnahmen verpflichtet zu sein, allerdings gilt auch für einen gegen Berufsunfähigkeit Versicherten der generelle Maßstab des § 242 BGB (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeit, 4. Aufl.., Kap. 10 Rn. 100 f).

Umstritten ist, ob wegen der mit ihr verbundenen Berührung des Persönlichkeitsrechts eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung, selbst wenn sie weder invasive noch medikamentöse Interventionen vorsieht, verlangt werden kann, wenn es sich nicht um eine psychotherapeutische „milde” und neben dem beruflichen Alltag leistbare Behandlung wie die „Gesprächstherapie” handelt. Zum Teil wird vertreten, dass eine solche Behandlung verlangt werden könne, weil bei ärztlichen Behandlungsmaßnahmen – gleich welcher Art – immer ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht erfolgt und dies daher kein Kriterium für die Zumutbarkeit ist, die sich vielmehr allein nach den oben aufgezählten Kriterien zu richten habe. Auch eine stationäre Psychotherapie könne daher ebenso wie die stationäre Behandlung eines orthopädischen Problems im Einzelfall zumutbar sein (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeit, 4. Aufl., Kap. 10 Rn. 102). Hierbei sei nach der Art der Behandlung und der daraus folgenden Belastung für den Versicherten zu differenzieren. Daher werde eine ambulante Therapie in der Regel zumutbar sein, anders könne eine stationäre Therapie zu beurteilen sei, in jedem Fall sei eine Einzelfallbetrachtung erforderlich (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeit, 4. Aufl., Kap. 10 Rn. 104).

Nach anderer Ansicht könne von dem Versicherungsnehmer eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung nicht verlangt werden kann. Soweit eine Gesprächstherapie noch als zumutbare Behandlung angesehen werde, sei dies nicht der Fall, wenn es sich um eine Wiederaufnahme einer psychiatrischen und/oder psychotherapeutischen Behandlung, die gegebenenfalls sogar einen stationären Aufenthalt erfordert, handele (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 24.11.2017, Az. 20 U 194/16 in NJOZ 2018, 1886 Rn. 71).

Der Streit kann vorliegend dahinstehen bleiben, denn unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen kann im konkreten Einzelfall ein mehrfacher stationärer Aufenthalt sowie zusätzlich eine fachpsychiatrisch flankierende Maßnahme wie der Soziotherapie oder der ambulant psychiatrischen Pflege über mindestens sechs bis zwölf Monate, wie es nach den Ausführungen den Sachverständigen erforderlich sei, nicht verlangt werden. Auch wenn eine solche Behandlung zu einer erheblichen Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes des Klägers führen kann, schränkt diese erheblich das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein und ist ihm daher im Rahmen einer Abwägung im Vertragsverhältnis nicht zumutbar.

d. Gemäß § 1 Abs. 4 der Versicherungsbedingungen entsteht der Anspruch auf Zahlung der Rente mit Ablauf des Monats, in dem Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Bei einem Grad von 75% ist die volle Rente zu leisten, bei einem Grad zwischen 25% und 75% jeweils in Höhe des Grades der Berufsunfähigkeit.

Dem Kläger steht daher ab Dezember 2017 bis Juli 2021 (= 44 Monate) ein Anspruch auf Zahlung) von 70%iger Berufsunfähigkeitsrente zu, mithin im Vertrag ... in Höhe von monatlich 1.789,54 € (70% von 2.552,20 €) und im Vertrag ... in Höhe von monatlich 1.200,56 € (70% von 1.715,09 €). Die Beklagte hat bereits auf Basis einer 50%igen Berufsunfähigkeit gezahlt ab diesem Zeitpunkt – im Vertrag ... in Höhe von 1.276,12 € und im Vertrag ... in Höhe von 857,56 € (vgl. Anlage B7). Dies ergibt eine Differenz von 513,42 € und von 343,00 €, die monatlich noch zu zahlen ist.

Zudem hat der Kläger eine Prämie von 96,18 € bzw. 65,16 € monatlich gezahlt. Bei einer 70%igen Berufsunfähigkeit war er nur verpflichtet, einen Betrag von 57,71 € (96,18 € * 2 * 30%) bzw. 39,10 € (65,16 € * 2 * 30%) zu zahlen, sodass er einen Anspruch auf Rückzahlung der Differenz gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB in Höhe von 38,47 € und 26,06 € hat.

Damit besteht ein monatlicher Zahlungsanspruch seit Dezember 2017 bis Juli 2021 in Höhe von 551,89 € (513,42 € + 38,47 €) und 369,06 € (343,00 € + 26,06 €). Hieraus ergibt sich ein gesamter Zahlungsanspruch für den Zeitraum von 44 Monaten in Höhe von 24.283,16 € und 16.238,64 €.

Der Zinsanspruch ergibt sich jeweils aus §§ 280, 286, 288 BGB. Mit Schreiben vom 24.08.2020 hat der Beklagte die Leistung in Höhe von 50% anerkannt und darüber hinaus abgelehnt, sodass ab dem beantragten Zinstermin am 02.09.2020 Verzug für die bis dahin fälligen Rentenzahlungen in Höhe von 18.719,26 € und 12.548,04 € jedenfalls vorlag. Im Übrigen liegt Verzug jeweils ab dem zweiten Werktag eines Monats vor.

Aufgrund des Vorliegens der Berufsunfähigkeit steht dem Kläger die Zahlung von Rente ab August 2021 bis Februar 2023 in Höhe von weiterer 513,42 € und von 343,00 €, und ab März 2023 in voller Höhe, mithin in Höhe von weiterer 1.276,08 € längstens bis zum 01.10.2051 und in Höhe von 857,53 € längstens bis zum 01.06.2051 (Klageanträge Ziffer 2. und 4.) zu. Ein Anspruch auf Verzinsung für den Fall der zukünftigen Nichtzahlung besteht derzeit nicht.

Zudem ist der Kläger nur verpflichtet, für den Zeitraum ab August 2021 die Prämie für die beiden Verträge ... und ... in Höhe von 30% der monatlichen Prämie zu zahlen. Ab März 2023 ist er von der Prämienzahlung vollständig befreit, sodass dies entsprechend festzustellen war.

2. Versicherungsverträge ... , ... und ... (Klageanträge Ziffer 7. bis 12.)

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 529,38 €, 887,34 € und 1.376,38 € aus den Versicherungsverträgen ... , ... und ... (Klageanträge Ziffer 7., 9., 11.).

a. Mit Blick auf die Verträge ... , ... und ... liegt seit Dezember 2017 eine Berufsunfähigkeit von 50%, seit Juni 2018 von 70% sowie seit März 2023 von 75% vor.

Nach § 2 Abs. 1 der jeweiligen Versicherungsbedingungen dieser Verträge (§ 2 BUZI-S 07/2016, § 2 BUZ-S 01/2013 und § 2 BUZI-S 01/2017) liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich auf Dauer (min. 3 Jahre) ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, vollständig nicht mehr ausüben kann (…). Nach Absatz 2 liegt teilweise Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad voraussichtlich dauernd (mindestens drei Jahre) erfüllt sind.

Eine ex-ante Prognose von einer voraussichtlichen Dauer der Berufsunfähigkeit von drei Jahren konnte zum 04.12.2017 vom Sachverständigen nicht getroffen werden.

Allerdings ist jeweils in § 2 Abs. 3 der Versicherungsbedingungen geregelt: „Ist die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit (…) vollständig oder teilweise außerstande gewesen, ihren zuletzt ausgeübten Beruf (…) auszuüben (…) gilt die Fortdauer dieses Zustands als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.“ Diese Regelung stellt nur auf die Fortdauer des Zustands als fingierte Berufsunfähigkeit ab, weshalb der Versicherungsfall zeitlich erst sechs Monate nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit einsetzt. Daraus folgt wiederum, dass ein rückwirkender Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente für diese sechs Monate nicht besteht (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kap. 4 Rn. 221). Daher liegt für diese Verträge eine Berufsunfähigkeit in Höhe von 50% unstreitig seit Dezember 2017 und in Höhe von 70% seit Juni 2018 vor, da im Juni 2018 die Berufsunfähigkeit von 70% bereits sechs Monate vorgelegen hat.

Hinsichtlich der Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit sowie deren Grad wird auf die obigen Ausführungen unter Ziffer II. 1. verwiesen.

b. Der Anspruch ist auch nicht wegen Verletzung einer Mitwirkungspflicht des Klägers gemäß § 7 der jeweiligen Versicherungsbedingungen ausgeschlossen bzw. verringert. Denn der Kläger hat keine Obliegenheit verletzt, insbesondere keine nach § 4 Abs. 4 BUZI-S 07/2016, § 4 Abs. 4 BUZ-S 01/2013 und § 4 Abs. 4 BUZI-s 01/2017 Danach ist die versicherte Person verpflichtet, verordnete zumutbare medizinische Maßnahmen zu dulden und zu befolgen, die nach dem jeweils aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft Aussicht auf Besserung ihrer gesundheitlichen Verhältnisse bietet. Als solche Maßnahmen gelten jedoch nur Anwendungen, Untersuchungen, Behandlungen, bei denen ein Schaden für Leben oder Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, mit denen keine erheblichen Schmerzen verbunden sind und die keinen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten. Zu den Maßnahmen zählen z.B. die Einnahme ärztlich verordneter Medikamente, die Benutzung und Anwendung medizinischer Heil-Hilfsmittel (wie z.B. Sehhilfe (…), physikalische Therapie, Ergotherapie) oder die Durchführung einer logopädischen Therapie.

Der Kläger hat nicht gegen diese Mitwirkungspflichten verstoßen, indem er sich nicht einer stationären psychosomatischen Therapie unterzogen hat. Der Sachverständige Dr. F. hat ausgeführt, dass der Kläger den Grad seiner Berufsunfähigkeit von unter 50% innerhalb von einem bis längstens eineinhalb Jahren dadurch erreichen könne, dass er neben der Fortführung einer ambulanten Psychotherapie mit ergänzenden interaktionellen gruppentherapeutischen Ansätzen zudem eine stationäre-psychosomatische Behandlung durchführen müsse, die als Intervalltherapie mehrfach wiederholt werden sollte.

Vom Kläger kann nach den Versicherungsbedingungen nicht verlangt werden, dass er sich stationären psychosomatischen Behandlung in Form von Intervallbehandlungen, mithin einer stationären Behandlung, die mehrfach wiederholt werden soll, behandeln lässt.

Die Versicherungsbedingungen sehen als beispielhafte Aufzählungen bspw. die physikalische Therapie, Ergotherapie oder die Durchführung einer logopädischen Therapie vor. Mit einer solchen Therapie ist eine mehrfache stationäre psychosomatische Therapie jedenfalls nicht vergleichbar. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer muss beim Lesen der Klausel nicht davon ausgehen, dass von ihm eine stationäre psychosomatische Therapie verlangt werden kann. Zweifel der Auslegung einer Klausel gehen hierbei zu Lasten der Beklagten als Versicherung.

Ein Verstoß gegen § 242 BGB liegt ebenfalls nicht vor (vgl. Ausführungen hierzu oben).

c. Der Kläger war daher ab Dezember 2017 bis Mai 2018 nur zur Zahlung einer 50%igen Prämie und ab Juni 2018 bis Juli 2021 (= 38 Monate) zu einer 30%igen Prämie verpflichtet.

Im Vertrag ... hat er für den Zeitraum Dezember 2017 bis Mai 2018 49,93 € und für den Zeitraum Juni 2018 bis Juli 2021 24,97 € monatlich gezahlt. Er hätte für den ersten Zeitraum 24,97 € zahlen müssen und für den zweiten Zeitraum 14,98 €. Mithin ist ihm die Differenz von 24,96 € für 6 Monate (= 149,76 €) und von 9,99 € für 38 Monate (= 379,62 €) zu erstatten, sodass ihm ein Anspruch auf Zahlung von 529,38 € zusteht.

Im Vertrag ... hat er für den Zeitraum Dezember 2017 bis Mai 2018 83,75 € und für den Zeitraum Juni 2018 bis Juli 2021 41,87 € monatlich gezahlt. Er hätte für den ersten Zeitraum 41,88 € zahlen müssen und für den zweiten Zeitraum 25,13 €. Mithin ist ihm die Differenz von 41,87 € für 6 Monate (= 251,22 €) und von 16,74 € für 38 Monate (= 636,12 €) zu erstatten, sodass ihm ein Anspruch auf Zahlung von 887,34 € zusteht.

Im Vertrag ... hat er für den Zeitraum Dezember 2017 bis Mai 2018 129,85 € und für den Zeitraum Juni 2018 bis Juli 2021 64,93 € monatlich gezahlt. Er hätte für den ersten Zeitraum 64,93 € zahlen müssen und für den zweiten Zeitraum 38,96 €. Mithin ist ihm die Differenz von 64,92 € für 6 Monate (= 389,52 €) und von 25,97 € für 38 Monate (= 986,86 €) zu erstatten, sodass ihm ein Anspruch auf Zahlung von 1.376,38 € zusteht.

Der Zinsanspruch ergibt sich jeweils aus §§ 280, 286, 288 BGB. Mit Schreiben vom 24.08.2020 hat der Beklagte die Leistung in Höhe von 50% anerkannt und darüber hinaus abgelehnt, sodass ab dem beantragten Zinstermin am 02.09.2020 Verzug für die bis dahin fälligen Beitragsrückzahlungen in Höhe von 429,48 €, 719,94 € und 1.116,68 € jedenfalls vorlag.

Zudem ist der Kläger nur verpflichtet, für den Zeitraum ab August 2021 die Prämie für die drei Verträge in Höhe von 30% der monatlichen Prämie zu zahlen. Ab März 2023 ist er von der Prämienzahlung bis zum 01.06.2051 bzw. 01.08.2051 vollständig befreit, sodass dies festzustellen war.

3. Ein darüberhinausgehender Anspruch besteht nach den obigen Ausführungen nicht, sodass die Klage im Übrigen abzuweisen war.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.

IV.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 9 ZPO.

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Büchner, Fachanwalt für Versicherungs- und Medizinrecht

In dem von uns erstrittenen Urteil gegen die Debeka lag einmal mehr das Bedingungswerk zugrunde, welches nach einer Staffelregelung zwischen 25 und 75% die Höhe der Rente nach dem BU-Grad bestimmt. Hier meinte die Debeka nach Beauftragung ihrer Privatgutachter, Frau Dr. Astrid Stumpf und Herrn Dr. Matthias Fabra -  Medizinisches Gutachteninstitut - MGI Hamburg, dass keinerlei Berufsunfähigkeit vorläge.

 


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