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OLG Hamburg: Versicherungsgutachter Dr. Axel Holst wird widerlegt. Debeka muss Berufsunfähigkeitsrente einer Soldatin zahlen, die wegen chronischer Schmerzstörung keinen Dienst an der Waffe mehr erbringen kann.

OLG Hamburg (9. Zivilsenat), Beschluss vom 07.04.2025 – 9 U 65/24, BeckRS 2025, 8533

 

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung.

 Das Landgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil verurteilt, für den Zeitraum ab Mai 2014 die geschuldeten Versicherungsleistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (monatliche Rente in Höhe von 900 € und Befreiung von der Verpflichtung zur Prämienzahlung) zu erbringen.

Aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, nach der durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der persönlichen Angaben der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.12.2021 stehe fest, dass die Klägerin seit August 2023 jedenfalls für die Teil-Tätigkeiten Waffenausbildung, Schießen, Vorbereitung und Durchführung des Wachdienstes und Sport aufgrund teils psychischer, teils körperlicher Beeinträchtigungen zu mindestens 75% berufsunfähig sei.

 Das von der Klägerin geschilderte zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Berufsbild stehe nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme und den Angaben der Klägerin fest.

Auf der Grundlage der schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. Z. sei das Landgericht davon überzeugt, dass eine teils körperliche, vor allem jedoch psychische, chronische Funktionsstörung aufgrund Krankheit vorliege, die zu einer vollständigen Nichtausübbarkeit der benannten Teil-Tätigkeiten führe. Insbesondere die bei der Klägerin festgestellte hohe Schmerzbelastung unter Berücksichtigung der pathologisch verminderten Stressbelastbarkeit führe zu zeitweisen Einbußen der Konzentration und Aufmerksamkeit, die mit einer Waffenausbildung und dem Schießen sowie der Teilnahme am Wachdienst mit der potentiellen Notwendigkeit, die Waffe zu benutzen, nicht in Einklang zu bringen sei. Zudem sei für eine Sportausbildung mit Leistungsansprüchen bei der Klägerin auch unter Berücksichtigung einer Akzentuierung körperlich begründeter Schmerzen im Bereich der Gelenke keine ausreichende Belastbarkeit gegeben.

Bei den genannten Teil-Tätigkeiten handele es sich um unverzichtbare, für das soldatische Berufsbild prägende Verrichtungen. Gemäß Ziffer 101 der Zentralrichtlinie A2-222/0-0-4750 Schießen mit Handwaffen müssten Soldatinnen und Soldaten mit ihrer Waffe in jeder Lage treffsicher schießen können. Dazu müssten sie an der Waffe ausgebildet sein, Schießerfahrung haben und in Übung gehalten werden. Gemäß Ziffer 105 der ZDv A1-211/0-24 müssten Soldatinnen und Soldaten die allgemeinen militärischen Fertigkeiten ständig beherrschen, wozu nach Ziffer 206 b) das Beherrschen der Schießfertigkeiten gehöre. Nach Ziffer 107 müsse jeder Soldat bzw. jede Soldatin eine ausreichende physische und psychische Leistungsfähigkeit besitzen, um die Anforderungen des soldatischen Dienstes jederzeit erfüllen zu können. Aus ZDv A1-224/0-1 ergebe sich schließlich, dass alle Soldatinnen und Soldaten ausgehend von einer zu schaffenden Basisfitness jedenfalls eine Soldatengrundfitness herzustellen und durch die verpflichtende Teilnahme an Sportausbildungen zu erhalten haben.

Gegen dieses Urteil, dass der Beklagten am 11.06.2024 zugestellt worden ist, hat die Beklagte mit einem am 09.07.2024 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach entsprechender Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung – mit einem am 10.09.2024 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte meint, das Landgericht habe keine hinreichenden Feststellungen einer Berufsunfähigkeit zum maßgeblichen Prognosezeitpunkt getroffen. Es bleibe unklar, ab welchem Zeitpunkt das Landgericht überhaupt von einer bestehenden Berufsunfähigkeit ausgehe. Zunächst spreche es von August 2013, berechne dann die zu zahlenden Leistungen ab Mai 2014.

Der Sachverständige habe nicht die erforderliche rückschauende Betrachtung vorgenommen. Er stütze seine Einschätzung im Wesentlichen auf seine eigenen Untersuchungsergebnisse bzw. ärztliche Berichte ab dem Jahr 2022. Das Landgericht habe nicht ansatzweise festgestellt, aufgrund welcher objektiven Befunde eine Berufsunfähigkeit schon im Jahr 2013 vorgelegen habe.

Aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen könne eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht abgeleitet werden. Die von der Klägerin gemachten Angaben zum damaligen Gesundheitszustand seien nach Angaben des Sachverständigen ungenau, teilweise falsch und letztlich nicht nachvollziehbar, so dass eine Berufsunfähigkeit hierauf nicht gestützt werden könne.

Die Klägerin habe nicht ansatzweise vorgetragen, dass es sich bei den Teil-Tätigkeiten Waffenausbildung, Schießen, Vorbereitung für die Wache, Wache selbst sowie Sportausbildung um prägende Tätigkeiten der bisherigen Berufstätigkeit der Klägerin in gesunden Tagen gehandelt habe. Der Sachverständige habe auch nicht begründet, warum in diesen Teilbereichen eine vollumfängliche Berufsunfähigkeit vorliegen solle. Der Sachverständige habe diesbezüglich nur eine höhere psychische Belastung angeführt, jedoch keine erheblichen Leistungseinschränkungen psychischer Funktionen feststellen können. Auch habe er die von der Klägerin beklagten Schmerzen nicht objektivieren können. Die vom Sachverständigen festgestellte theoretische zeitweise Leistungseinschränkung sei für die Begründung einer Berufsunfähigkeit unzureichend. Erforderlich sei es – neben der Objektivierbarkeit der behaupteten Schmerzen – Feststellungen zum zeitlichen Umfang der behaupteten Schmerzen, der konkreten funktionalen Auswirkungen und damit zur Belastungsgrenze bzw. Zumutbarkeit zu treffen. Der Sachverständige habe insofern ausgeführt, dass die Klägerin ihre Schmerzen mit entsprechender Willensanstrengung überwinden könne und dass es bei der Funktionalität der Klägerin kaum Einschränkungen gebe.

Das Landgericht habe keine Feststellungen zu einer prägenden soldatischen Tätigkeit getroffen. Die Klägerin sei nach eigenen Angaben als Personalstabsunteroffizierin tätig gewesen und habe damit gerade keinen klassischen Soldatenberuf verrichtet.

Die Beklagte sei berechtigt, die Klägerin gemäß § 2 Abs. 5 BUZ-S auf die Tätigkeit zu verweisen, die die Klägerin selbst durchgeführt habe, nämlich die auf S. 41 f. des Sachverständigengutachtens ausgeführten administrativen und organisatorischen Tätigkeiten.

Die Beklagte beantragt,

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 10.6.2024 (Az: Aktenzeichen 337O14422 337 O 144/22) wird die Klage vollumfänglich abgewiesen.

Hilfsweise: Der Rechtsstreit wird unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.

Die Klägerin beantragt, 

die Berufung zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung:

Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10.06.2024, Az. Aktenzeichen 337O14422 337 O 144/22, wird dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin auch Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, wie in den Klageanträgen zu Ziffer 1.) und 2.) geltend gemacht.

Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumentation.

Der mit der Anschlussberufung geltend gemachte Zinsanspruch folge aus § BGB § 286 Abs. BGB § 286 Absatz 2 Nr. BGB § 286 Absatz 2 Nummer 3 BGB. Die Beklagte habe mit der Leistungsablehnung vom 23.07.2020 (Anlage K5) die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert.

Der Senat hat mit Beschluss vom 18.02.2025 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § ZPO § 522 Abs. ZPO § 522 Absatz 2 ZPO zurückzuweisen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21.03.2025 weiter vorgetragen.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Rechtsmittel der Beklagten hat nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung zeigen eine entscheidungserhebliche Rechtsverletzung nicht auf. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 18.02.2025 verwiesen. Die Stellungnahme der Beklagten vom 21.03.2025 gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

1. Der Senat hat weiterhin keine Zweifel daran, dass die Tätigkeiten, die der Zeuge K. als „allgemeine soldatische Aufgaben“ bezeichnet hat (S. 4 des Protokolls vom 21.12.2021) auch zur beruflichen Tätigkeit der Klägerin gehört haben. Genauere Angaben hinsichtlich der Häufigkeit und Dauer sind nicht erforderlich, weil der Senat keine Zweifel hat, dass diese Teil-Tätigkeiten zur regelmäßigen Tätigkeit jedes Berufssoldaten gehören.

2. Der Senat ist weiterhin davon überzeugt, dass die Klägerin seit Mai 2014 bedingungsgemäß berufsunfähig ist. Es bedarf dabei keiner weiteren Erörterung, ob der Ansatz der Beklagten zutrifft, dass rein subjektive Beschwerden grundsätzlich keine Berufsunfähigkeit begründen können. Denn wie die Beklagte selbst einräumt, liegen bei der Klägerin nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens keine rein subjektiven Beschwerden vor. Vielmehr hat der Sachverständige Dr. Z. festgestellt, dass bei der Klägerin eine im Ausgangspunkt auf körperlichen Ursachen gründende chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie ein seronegative rheumatoide Arthritis vorliegt. Die hohe Schmerzbelastung führt sodann – unter Berücksichtigung der pathologisch verminderten Stressbelastbarkeit – zu zeitweisen Einbußen der Konzentration und Aufmerksamkeit. Zudem ist für eine Sportausbildung mit Leistungsansprüchen bei der Klägerin – auch unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Akzentuierung körperlich begründeter Schmerzen im Bereich der Gelenke – keine ausreichende Belastbarkeit gegeben.

 Dabei hat der Senat auch nicht verkannt, dass der Sachverständige angegeben hat, dass die sich objektiv abbildenden körperlichen oder psychischen Funktionsstörungen nach Auffassung des Sachverständigen kein Ausmaß annehmen, dass die berufliche Leistungsfähigkeit um mehr als 50% einschränkt (S. 5 der Stellungnahme vom 18.03.2024). Vielmehr ergibt sich die Berufsunfähigkeit im vorliegenden Einzelfall daraus, dass die subjektiv hohe Schmerzbelastung bei der Klägerin dazu geführt hat, dass im Rahmen der bei der Klägerin diagnostizieren chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) eine vollständige Berufsunfähigkeit nur für die Teil-Bereiche Waffenausbildung, Schießen, Wachdienst und Sportausbildung besteht.

Soweit die Beklagte nunmehr erstmals mit Nichtwissen bestreitet, dass die Klägerin tatsächlich Schmerzmittel eingenommen hat, weist der Senat darauf hin, dass der Sachverständige an der Medikamenteneinnahme der Klägerin keine Zweifel hatte. Der Sachverständige hat im Rahmen der anamnestischen Angaben (S. 9 des Gutachtens vom 20.02.2023) die Medikamenteneinnahme der Klägerin konkret erfragt und seinem Gutachten zu Grunde gelegt. Zwar hat die Klägerin (nicht die Beklagte) erstinstanzlich behauptet, der Sachverständige habe vergessen, die richtigen Medikamente aufzuschreiben, es fehle noch das Cortison/Prednisolon 5 bis 10 mg täglich (S. 8 des Schriftsatzes vom 31.03.2023). Außerdem hätten ihr mehrere Hausärzte Tilidin verschrieben, welches man ganz bestimmt nicht einfach so, d.h. leichtfertig, verschreibe (S. 11 ebd.). Dazu hat der Sachverständige auf S. 6 der Stellungnahme vom 18.03.2024 ausgeführt, die Angaben der Klägerin – insbesondere auch zu eingenommenen Medikamenten – fortlaufend handschriftlich dokumentiert und auch im Diktat nicht inhaltlich verändert zu haben. Wenn die Beklagte nunmehr erstmals im Schriftsatz vom 21.03.2025 mit Nichtwissen bestreitet, dass die Klägerin die vom Senat zitierten Medikamente tatsächlich eingenommen hat, ist dieses Verteidigungsvorbringen verspätet im Sinne von § ZPO § 531 Abs. ZPO § 531 Absatz 2 ZPO.

Soweit die Beklagte auf S. 4 des Schriftsatzes vom 21.03.2025 erneut behauptet, der Klägerin werde ohne objektivierbare Begründung eine Berufsunfähigkeit zugestanden, geht dies bereits im Ansatz fehl (siehe oben).

Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass der Sachverständige auf S. 41 des Gutachtens vom 20.02.2023 angegeben hat, die von der Klägerin behaupteten Konzentrationsschwierigkeiten seien von der Klägerin weder anamnestisch noch aktuell geltend gemacht worden; sie bildeten sich auch in den erhobenen Befunden nicht ab. Dies ist jedoch nicht die zeitlich letzte Angabe des Sachverständigen. Vielmehr hat der Sachverständige auf S. 7 der ergänzenden Stellungnahme vom 18.03.2024 ausdrücklich ausgeführt, einerseits hätten keine gravierenden psychischen Funktionsstörungen (auch nicht im Bereich der Kognition, d.h. von Aufmerksamkeit und Konzentration) festgestellt werden können, aber andererseits könne es im Falle einer subjektiv hohen Schmerzbelastung bzw. abhängig vom Umfang eingenommener Medikamente gegen Schmerzen (z.B. Tilidin, einem Opioid) zumindest zeitweise zu Einschränkungen von Konzentration und Aufmerksamkeit kommen. Wie im Hinweisbeschluss vom 18.02.2025 ausgeführt, reicht insbesondere bei einem 24 Stunden dauernden Wachdienst mit der potentiellen Notwendigkeit, die Waffe gebrauchen zu müssen, im vorliegenden Einzelfall bereits die auf konkrete Tatsachen gestützte Möglichkeit, dass es bei der Klägerin aufgrund der subjektiv hohen Schmerz- und Stressbelastung zu Einschränkungen der Konzentration und der Aufmerksamkeit kommen kann, aus, um die Tauglichkeit der Klägerin für den Wachdienst insgesamt auszuschließen.

Die auf den S. 5 ff. des Schriftsatzes vom 21.03.2025 folgenden, seitenweisen Zitate aus dem ursprünglichen Gutachten vom 20.02.2023 verkennen, dass der Sachverständige seine Angaben sowohl in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 als auch in der Stellungnahme vom 18.03.2024 ergänzt hat und dabei auf die bereits erstinstanzlich von der Beklagten erhobenen Einwendungen eingegangen ist. Es verhilft der Berufung der Beklagten daher nicht zum Erfolg, wenn sie nur auf das ursprüngliche Gutachten rekurriert, ohne dabei die Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 und die Stellungnahme vom 18.03.2024 zu berücksichtigen. Der Senat nimmt insofern auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2025 Bezug, in dem er ausführlich dargelegt hat, dass der Sachverständige ausdrücklich auf die Aggravationstendenzen der Klägerin hingewiesen hat (S. 28 des Gutachtens vom 20.02.2023) und in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 erläutert hat, dass die Aussage des Schmerzes selbst für sich genommen wenig objektivierbar ist und auch über Testungen nicht weiter aufklärbar ist (S. 2 des Protokolls vom 16.11.2023).

32 Der Senat bleibt jedoch auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen der Beklagten dabei, dass der Sachverständige

● in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf abgestellt hat, dass die chronische Schmerzstörung bei der Klägerin dazu geführt habe, dass Schmerzen stärker wahrgenommen bzw. erlebt würden; dies habe bei der Klägerin zu einer dysfunktionellen Verarbeitung geführt, was dazu führe, dass sie dem Schmerzempfinden mit Schonung begegne (S. 3 des Protokolls vom 16.11.2023) und

● in der Stellungnahme vom 18.03.2024 ausgeführt hat, dass bei der Klägerin im Rahmen der diagnostizierten psychischen Erkrankung eine Verminderung der Stressbelastbarkeit bestehe (S. 7 ebd.).

Aufgrund dieser dysfunktionellen Fehlverarbeitung und der verminderten Stressbelastbarkeit ist der Senat davon überzeugt, dass im vorliegenden Einzelfall deshalb auch nur subjektiv hohe Schmerzniveaus ausreichen, um bei der Klägerin Einschränkungen der Konzentration und der Aufmerksamkeit hervorzurufen. Die Beklagte versucht insofern, ihre eigene Würdigung bzw. Zitate aus dem Werk von Neuhaus an die Stelle der Ausführungen des Sachverständigen zu setzen. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nicht ausreichend, um konkrete Anhaltspunkte aufzuzeigen, die Zweifel an der Richtigkeit und/oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen können.

3. Die Angaben des Sachverständigen zum Beginn der Berufsunfähigkeit sind berufungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es trifft bereits im Ansatz nicht zu, dass der Sachverständige die subjektiven Schilderungen der Klägerin (allein) zur Grundlage seines Gutachtens gemacht hat.

4. Die Behauptung der Beklagten, § 2 Abs. 5 S. 2 der als Anlage K2 eingereichten BUZ-S 01/2009 enthielte die Möglichkeit einer abstrakten Verweisung, trifft nicht zu.

Vielmehr lautet die Bestimmung:

„Bei dauerhaftem Ausscheiden aus dem Berufsleben kommt es bei der Anwendung der Absätze 1 bis 3 darauf an, dass die versicherte Person außerstande ist, eine Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und ihrer Lebensstellung vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung entspricht.“

Richtig ist insofern, dass die Klägerin zum 01.04.2015 aus der Bundeswehr entlassen worden ist und zwar als „vorübergehend nicht verwendungsfähig“ (Anlage K19). Weil sie zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits berufsunfähig war, ist darin kein dauerhaftes Ausscheiden aus dem Berufsleben im Sinne von § 2 Abs. 5 S. 2 BUZ-S zu sehen.

III.

Nach der Zurückweisung der Berufung des Beklagten bedarf es keine Entscheidung über die von der Klägerin eingelegte Anschlussberufung.

IV.

Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Das Verfahren wirft weder Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § ZPO § 97 Abs. ZPO § 97 Absatz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ ZPO § 708 Nr. ZPO § 708 Nummer 10, ZPO § 711 ZPO.

 


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