
LG Hamburg: Debeka zur Zahlung der vollen BU-Rente trotz Staffelregelung 25-75% verurteilt, auch wenn die Einschränkungen zeitlich nur 10 % des Tages ausmachten, dafür aber für die berufliche Tätigkeit prägend waren.
LG Hamburg Urt. v. 10.6.2024 – 337 O 144/22, BeckRS 2024, 27112 (unser Az. 70/21)
Die Klägerin begehrt Leistungen aus einer bei dem Beklagten gehaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.
Zwischen den Parteien besteht seit 01.09.2009 eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) zur Rentenversicherung mit der Versicherungsscheinnummer ***.0. Der BUZ liegen die einbezogenen Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung BUZ-S mit Stand 01/2009 des Beklagten zugrunde. Ablauf ist der 01.09.2045, im Falle der Berufsunfähigkeit von mindestens 75 Prozent ist eine Rente in Höhe von 900 EUR monatlich sowie Prämienbefreiung für die Renten- und die Zusatzversicherung bestimmt. Bei einem Grad der Berufsunfähigkeit zwischen 25 Prozent und 75 Prozent entspricht die Rentenleistung und die Höhe der Prämienbefreiung dem Grad der Berufsunfähigkeit (Anlagenkonvolute K1, K2).
Die Klägerin erbrachte im Zeitraum vom Mai bis August 2014 Versicherungsprämien in Höhe von monatlich 90,23 EUR, für den Zeitraum zwischen September 2014 und August 2016 in Höhe von mtl. 97,09 EUR, für September 2016 bis Juli 2018 von mtl. 106,57 EUR sowie seit August 2018 in Höhe von mtl. 122,72 EUR.
Die 19** geborene Klägerin war bis zum Ablauf ihrer Verpflichtungszeit am 01.04.2015 im Dienstverhältnis als Soldatin auf Zeit, Teilstreitkraft Luftwaffe, zuletzt als Personalstabsunteroffizier bei der Bundeswehr tätig.
Mit ärztlicher Mitteilung vom 30./31.03.2015 wurde die Klägerin als vorübergehend nicht verwendungsfähig im Rahmen der Entlassungsuntersuchung beurteilt. Eine Eignung zur vorgesehenen Wehrdienst-Verwendung der Soldatin bestehe nicht (Anlage K30).
Im Mai 2016 teilte die Klägerin dem Beklagten telefonisch den Eintritt des Versicherungsfalles mit, stellte im Folgenden schriftlich Leistungsantrag und führte zur Begründung im Wesentlichen an, seit dem 15.08.2013 liege Berufsunfähigkeit vor (Anlage K3).
Der Beklagte stieg in die Leistungsprüfung ein und lehnte unter Bezugnahme auf das eingeholte, auf den 09.07.2020 datierende orthopädische Fachgutachten von Dr. H.*** (Anlage K4), wonach eine zumindest 25 prozentige Berufsunfähigkeit der Klägerin nicht bestehe, mit Schreiben vom 23.07.2020 Leistungen ab (Anlagen K5, B6). Darin führte der Beklagte – soweit hier von Interesse - unter anderem aus, die Beeinträchtigung von Teiltätigkeiten infolge Einschränkungen bei Greif- und Haltearbeiten betrage maximal 10 Prozent.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr Anspruch auf Rentenzahlung sowie rückwirkende und künftige Prämienbefreiung bestehe, da Berufsunfähigkeit seit dem 15.08.2013, jedenfalls aber seit 15.02.2014 oder später eingetreten sei.
Ausweislich der zur Akte gereichten ärztlichen Befundungen (Anlagen K7-K28) leide sie an stark geschwollene Fingern, starken Schmerzen in den Fingern, Händen, Armen, Schultern, an schneller Gelenksteife in den Fingern, Händen, Armen, Schultern und Beinen, habe verminderte Kraft in den Fingern, Händen, Armen und Beinen, einzelne Finger und die Hände würden kaltwerden bis hin zu Taubheitserscheinungen auch in den Armen, sie leide an Konzentrationsschwierigkeiten, Haarausfall, brüchigen Fingernägeln, habe starke Hautveränderungen, die Gelenke schwillten mit Wasser an, es lägen Ausgebranntsein und Hallux-Valgus-Beschwerden vor mit Notwendigkeit des Tragens einer Ross-Fraser-Nagelspange, sie habe Karpaltunnelsyndrom und eine Steifigkeit des Daumens der linken Hand. Schließlich bestehe eine Fibromyalgie und rheumatoide Arthritis.
Sie habe zuletzt noch in gesunden Tagen an fünf Tagen der Woche durchschnittlich 8 Stunden gearbeitet, sei – zusammengefasst – in einer Fliegerstaffel mit Personalangelegenheiten betraut gewesen, habe Küchendienst und im Übrigen allgemeine soldatische Tätigkeiten verrichtet, darunter Schießübungen und Wachdienste als UvD. Betreffend die Art der behaupteten Verrichtungen, deren Dauer sowie die jeweils behaupteten Einschränkungen aufgrund der behaupteten Beschwerden wird im Einzelnen Bezug genommen und verwiesen auf die tabellarische Tätigkeitsbeschreibung der Klägerin (Anlagen K6, K33).
Die Klägerin beantragt mit ihrer dem Beklagten am 06.05.2021 zugestellten Klage
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 84.791,95 EUR zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 76.610,19 EUR ab dem 04.08.2020 sowie auf jeweils 1.022,72 EUR ab dem 02.09., 02.10., 03.11., 02.12.2020, 05.01., 02.02., 02.03. und 02.04.2021.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer ***.0 beginnend ab Mai 2021 bis längstens 01.09.2045 bis zum 1. Werktag eines jeden Monats im Voraus eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von jeweils 900 EUR zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf und zwar jeweils ab dem auf den ersten Werktag eines jeden Monats folgenden Tag für den Fall, dass die Zahlung durch die Beklagte nicht am ersten Werktag eines jeden Monats erfolgt.
3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Prämienzahlungspflicht für die Lebensversicherung, für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung und für die Unfall-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer ***.0 ab dem 01.05.2021 bis längstens zum 01.09.2045 zu befreien.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zum Sachverhalt im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien sowie die zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen und verwiesen.
Das Gericht hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.12.2021 die Klägerin persönlich angehört sowie den Zeugen K.*** vernommen. Darüber hinaus ist betreffend die Behauptung der Klägerin zum Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben worden.
Auf die Sitzungsniederschrift sowie das unter dem 20.02.2023 erstattete Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. Z.***, mündlich erläutert im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.11.2023, die ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 18.03.2024 sowie ergänzend auf den gerichtlichen Hinweis vom 24.11.2023 (Bl. 350 d.A.) wird Bezug genommen und verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage unterlag nur teilweise betreffend die geltend gemachten Zinsen der Abweisung.
1. Der Klägerin stehen dem Grunde nach die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nach § 1 Absatz 1 und 2 der streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen BUZ-S aufgrund seit August 2013 bestehender bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nach § 2 Absatz 1 BUZ-S zu.
Aufgrund des unstreitigen Sachverhalts sowie nach der durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der persönlichen Angaben der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.12.2021 steht für das Gericht fest, dass die Klägerin seit diesem Zeitpunkt jedenfalls für die Teiltätigkeiten Waffenausbildung, das Schießen, der Vorbereitung und Durchführung des Wachdienstes und Sport aufgrund sowohl teils psychischer, teils körperlicher Beeinträchtigungen zu mindestens 75 Prozent berufsunfähig ist.
Die insoweit bestehenden Einschränkungen der Klägerin bei der Erfüllung für das Wehrdienstverhältnis erforderlicher Teil-Tätigkeiten, bei denen es sich um unverzichtbare, für das soldatische Berufsbild prägende Verrichtungen handelt, führen zu Berufsunfähigkeit auch dann, wenn – wie hier – betreffend andere Teil-Tätigkeiten der nach den Bedingungen zumindest erforderliche Grad der Berufsunfähigkeit nicht erreicht ist.
Im Einzelnen
a) aa) Nach § 2 BUZ-S liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich auf Dauer (mindestens drei Jahre) vollständig außerstande ist, in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf – so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war – tätig zu sein.
Teilweise Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad voraussichtlich mindestens drei Jahre dauernd erfüllt sind. Bedingungsgemäße Leistungen nach § 1 BUZ-S werden vollständig erbracht, bei einem Grad der Berufsunfähigkeit von mindestens 75 Prozent.
bb) Der Versicherungsnehmer, den die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen der Eintrittspflicht des Versicherers trifft, muss nachweisen, dass er, bezogen auf einen konkreten Zeitpunkt (Stichtag), zu der versicherten beruflichen Tätigkeit in einem Ausmaß nicht mehr imstande ist, welches nach den Versicherungsbedingungen einen Anspruch auf die Versicherungsleistungen begründet; außerdem muss er – soweit streitig – darlegen und beweisen, dass er auch keine andere, seiner Ausbildung oder Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit ausübt.
Für diesen Beweis gilt der Maßstab des § 286 ZPO; er erfordert die Überzeugung des Richters von der zu beweisenden Tatsache im Sinne eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.
b) aa) Das Gericht hat sich die hiernach erforderliche Überzeugung zu Art und Umfang der versicherten Tätigkeit der Klägerin in zuletzt noch gesunden Tagen aufgrund des unstreitigen Sachverhalts sowie nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme und der Angaben der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.12.2021 verschafft. Insbesondere stehen die von der Klägerin durchweg glaubhaften Angaben in Übereinstimmung mit den Bekundungen des als Zeugen vernommenen ehemaligen Dienstvorgesetzen K.*** der Klägerin.
bb) Dass teils körperliche, vor allem jedoch psychische, chronische Funktionsstörungen aufgrund Krankheit vorliegen, die zu einer vollständigen Nichtausübbarkeit der benannten Teil-Tätigkeiten führen, folgt für das Gericht insbesondere aufgrund der schriftlichen sowie mündlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. Z.***.
In seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme vom 18.03.2024 hat der Sachverständige zusammengefasst hervorgehoben, die insbesondere die bei der Klägerin festgestellte hohe Schmerzbelastung unter Berücksichtigung der pathologisch verminderten Stressbelastbarkeit führe zu zeitweisen Einbußen der Konzentration und Aufmerksamkeit, die mit einer Waffenausbildung und dem Schießen sowie der Teilnahme am Wachdienst mit der potentiellen Notwendigkeit, die Waffe zu benutzen, nicht in Einklang zu bringen sind.
Zudem sei für eine Sportausbildung mit Leistungsansprüchen bei der Klägerin auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Akzentuierung körperlich begründeter Schmerzen im Bereich der Gelenke keine ausreichende Belastung gegeben.
Betreffend das Vorliegen einer im Ausgangspunkt auf körperlichen Ursachen gründenden, chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie einer seronegativen rheumatoiden Arthritis schließt sich das Gericht sowohl in der Begründung wie im Ergebnis dem Sachverständigen Dr. Z.*** an, der darüber hinaus im Anhörungstermin lediglich eine komorbide psychische (Folge-) Störung bei der Klägerin verneint und weitergehend angegeben hat, dass schon die feststellbaren körperlichen Beeinträchtigungen der Klägerin zu der Bewertung einer 100 prozentigen Beeinträchtigung etwa betreffend die Waffenausbildung geführt hätte.
cc) Die vollständige Unfähigkeit zur Verrichtung der benannten Teil-Tätigkeiten führt zu einem mindestens 75 prozentigen Grad der Berufsunfähigkeit der Klägerin.
(1) Nach der Rechtsprechung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes, der die Kammer folgt, darf für die Bemessung des Grades der Berufsunfähigkeit nicht nur auf den Zeitanteil einer einzelnen Tätigkeit abgestellt werden, die der Versicherungsnehmer nicht mehr ausüben kann, wenn es sich hierbei nicht um eine abtrennbare Einzelverrichtung handelt, sondern diese untrennbarer Bestandteil eines beruflichen Gesamtvorgangs ist.
Kann der Versicherungsnehmer eine bestimmte, zu seinem Beruf zählende und ihn prägende Tätigkeit nicht mehr ausüben, ist er insbesondere auch dann berufsunfähig, wenn diese im beruflichen Alltag zeitlich nur einen geringen, ggf. rechnerisch unbedeutenden Umfang hat oder nicht täglich anfällt, wohl aber notwendigerweise mit ihm verbunden ist.
Bei der Frage, ob eine untrennbare Teiltätigkeit vorliegt, handelt es sich nicht um eine medizinische, sondern um eine Sachfrage, deren Beantwortung dem Tatrichter obliegt (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2017, Az. IV ZR 535/15; vom 26.02.2003, Az. IV ZR 238/01; s. a. OLG Saarbrücken, Urteil vom 16.07.2021, Az. 5 U 107/08; OLG Hamm, Urteil vom 04.05.2018, Az. I-20 U 178/16 u.a.; KG Berlin, Beschluss vom 06.03.2015, Az. 6 U 109/13; Neuhaus, BU-Versicherung, 4. Auflage, Kap. 6, Rn. 51ff.
2. Bei den benannten Teiltätigkeiten handelt es sich um prägende, untrennbar mit der Ausübung des Wehrdienstes zusammengehörige soldatische Betätigungen.
Das Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (SG) beschreibt neben der Begründung und der Beendigung insbesondere den zeitlichen Rahmen, die Grundpflicht des Soldaten und seine Pflicht zum Gehorsam, darüber hinaus jedoch den Inhalt des Wehrdienstverhältnisses nicht näher. Einigkeit besteht jedoch bereits darin, dass aus der Pflicht zum treuen Dienen nach der in § 7 SG geregelten Generalklausel eine allgemeine Verpflichtung zur gewissenhaften Erfüllung militärischer Aufgaben folgt (näher Metzger, in: Eichen/Metzger/Sohm, SG, 4. Auflage, § 7 Rn. 12 ff. m. w. N.).
Zur Bestimmung der Ausgestaltung des Wehrdienstverhältnisses sind die vom Bundesministerium der Verteidigung oder nachgeordneten Stellen erlassenen Zentralen Dienstvorschriften (ZDv) sowie vom Kommando einer Teilstreitkraft erlassenen Bereichsvorschriften und dabei die in ihnen festgelegten Maßgaben und Verhaltensvorschriften für die ordnungsgemäße Erfüllung der soldatischen Pflichten in den Blick zu nehmen.
Bereits Ziffer 101 der Zentralrichtlinie A2-222/0-0-4750 Schießen mit Handwaffen bestimmt in inhaltlicher Entsprechung der Vorgängerregelungen (darunter ZDv 3/12, A2-222/0-0-1210) dass Soldatinnen und Soldaten mit ihrer Waffe in jeder Lage treffsicher schießen können müssen. Dazu müssen sie an der Waffe ausgebildet sein, Schießerfahrung haben und in Übung gehalten werden. Eine Ausnahme ist lediglich nach Ziffer 110 für den Reservistendienst Leistende vorgesehen.
Gegenstand der Zentralvorschrift A1-211/0-24 (sowie entsprechender Vorgängerregelungen), die einen bundeswehrgemeinsamen Mindeststandard festlegt, sind weiter Ausbildung und Erhalt der individuellen Grundfertigen (IGF), worunter nach Ziffer 105 die allgemeinen militärischen Fertigkeiten zählen, die jeder Soldat und jede Soldatin beginnend ab der Grundausbildung zu erwerben und ständig zu beherrschen hat. Ziffer 206 Buchstb. a) zählt hierzu das (ständige) Beherrschen der Schießfertigkeiten.
Nach Ziffer 107 muss zudem jeder Soldat bzw. jede Soldatin eine ausreichende physische und psychische Leistungsfähigkeit besitzen, um die Anforderungen des soldatischen Dienstes jederzeit erfüllen zu können.
Betreffend Sport und die körperliche Leistungsfähigkeit ist der ZDv A1-224/0-1 ebenfalls in weitgehender Entsprechung der Vorgängerregelungen zusammengefasst zu entnehmen, das bei allen Soldatinnen und Soldaten ausgehend von einer zu schaffenden Basisfitness jedenfalls eine Soldatengrundfitness herzustellen und durch die verpflichtende Teilnahme an Sportausbildungen zu erhalten ist. Das Training der körperlichen Leistungsfähigkeit (KLF) ist für das Erreichen und Halten der Einsatzfähigkeit und Einsatzbereitschaft unabdingbar, damit Soldatinnen und Soldaten die physischen Anforderungen in den unterschiedlichsten Verwendungen bewältigen können.
2. Die Höhe des zuerkannten Anspruchs ergibt sich rechnerisch ausgehend von der vereinbarten Rente in Höhe von monatlichen 900,00 EUR für die Zeit von Mai 2014 bis April 2021 (84 Monate) sowie den Prämienzahlungen der Klägerin in Höhe von monatlichen 90,23 EUR für die Zeit vom Mai 2014 bis August 2014 und in Höhe von monatlichen 97,98 EUR für die Zeit von September 2014 bis August 2016, in Höhe von 106,57 für die Zeit vom September 2016 bis Juli 2018 und in Höhe von monatlichen 122,72 EUR für die Zeit vom August 2018 bis April 2021.
Damit beläuft sich der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer rückständigen Berufsunfähigkeitsrente auf insgesamt 75.600,00 EUR sowie ihr Anspruch auf Rückzahlung infolge der Beitragsbefreiung übererhobener Prämien auf insgesamt 9.101,95 EUR.
Die Verurteilung eines Berufsunfähigkeitsversicherers zu Zahlungen ist von einem Hinweis auf sein vertraglich vorbehaltenes Abänderungsrecht entgegen der Ansicht des Beklagten freizuhalten (BGH, Urteil vom 27.05.1987, Az. IVa ZR 56/86).
Der Zinsanspruch der Klägerin rechtfertigt sich nicht aus Verzug.
Die Verzugsvoraussetzungen nach § 286 Absatz 1, 2 BGB sind weder dargelegt noch für das Gericht aus den Anlagen ersichtlich. Die Klägerin hat – jedenfalls nicht nachweislich – weder die trotz eingetretener Berufsunfähigkeit geleisteten Beiträge noch die ausstehende BU-Rente angemahnt. Insoweit ist der Anspruch erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, §§ 288, 291 BGB.
Der unter der Bedingung der Nichtzahlung bzw. verspäteten Zahlung der künftigen BU-Rente beantragte Zinsausspruch kommt der Klägerin nicht zu.
Zwar können bei wiederkehrenden Leistungen, die – wie hier – von keiner Gegenleistung abhängen, gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Verzugszinsen sind jedoch keine Leistungen im Sinne von § 258 ZPO, sondern Sekundäransprüche, deren Entstehung ungewiss ist. Insoweit kann nur Klage nach § 259 ZPO erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis begründet ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen. Anhaltspunkte, der Beklagte werde bei einer Verurteilung seiner Zahlungspflicht künftig nicht rechtzeitig nachkommen, bestehen nicht, sie werden auch nicht vorgetragen. Das bloße Bestreiten der Hauptforderung begründet noch keine solche Besorgnis.
II.
Die Entscheidung über die Kosten ergeht aufgrund von § 91 Absatz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Büchner, Fachanwalt für Versicherungs- und Medizinrecht:
Die von uns erstrittene Entscheidung beinhaltet im Grunde nichts Neues; spätestens seit dem sog. Automatenaufsteller-Urteil des BGH vom 26. 2. 2003 - IV ZR 238/01 - weiß man, dass die Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers nicht schematisch nach Zeiteinheiten errechnet werden darf, sondern auch berücksichtigt werden muss, ob die Tätigkeiten, welcher der Versicherungsnehmer nicht mehr ausüben kann, ggf. so essentiell – also prägend – für das Berufsbild sind, dass mit dem Wegfall dieser ggf. Sinnhaftigkeit der Berufsausübung als solche in Frage steht.
So war es auch hier. Es war unstreitig, dass unsere Mandantin als Berufssoldatin für die Waffenausbildung, das Schießen, für die Vorbereitung und Durchführung des Wachdienstes und den Sport nicht mehr einsetzbar war. Die Debeka hatte diese Einschränkungen zeitlich auf den Arbeitstag bezogen bei ungefähr 10 Prozent eingeordnet und meinte, aufgrund der – dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden – Staffelregelung, welche einen Rentenanspruch erst ab 25% beginnen lässt, überhaupt nicht leisten zu müssen.
Das Landgericht Hamburg hat jedoch zutreffend und dogmatisch nachvollziehbar ausgeurteilt, dass die ständige BGH-Rechtsprechung in Bezug auf sog. Prägende Tätigkeiten auch durch die, von der Debeka verwendeten Staffelregelung nicht durchbrochen wird.
Zu beachten ist, dass die BGH-Rechtsprechung auch bei normalen Versicherungsverträgen, wo ab einer 50%igen Berufsunfähigkeit die volle Rente zu zahlen ist von den Versicherern häufig nicht beachtet wird, was Versicherungsnehmern nicht immer auffällt. Wenn also eine Berufsunfähigkeitsversicherung die Berufsunfähigkeit unter 50% quantifiziert, ist immer Vorsicht und anwaltliche Beratung geboten!
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