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Landgericht Bochum: Versicherungsgutachter Klaus Besig komplett widerlegt! ERGO Versicherung muss Invaliditätsentschädigung i.H.v. 63.050,00 € nach Rotatorenmanschettenruptur zahlen; da kein degenerativer Vorschaden am Unfall mitgewirkt hatte.

Urteil LG Bochum v. 20.11.2015, Az. I-4 O 406/13 (rechtskräftig nach Berufungsrücknahme am OLG Hamm v. 09.12.2016)

Unser Mandant unterhielt bei der Ergo bereits seit über 15 Jahren eine private Unfallversicherung.

Mit Unfall-Schadenanzeige vom 26.01.2011 meldete er der Ergo einen Unfall vom 16.12.2010, wobei es aufgrund eines Sturzes bei Eis und Schnee zu einer Schulterverletzung gekommen war. Sein behandelnder Arzt bescheinigte ihm als unfallabhängige Diagnose unter anderem einen Rotatorenmanschettenmassendefekt rechts im Supraspinatus, Infraspinatus und Subskapularis mit beginnender Defektarthropie rechts sowie eine Ruptur der distalen Bizepssehne rechts. Es wurde eine Dauerschadigung dahingehend bescheinigt, dass als Unfallfolge eine hochgradige Gebrauchsminderung des rechten Armes vorliege.

Die Ergo hat unseren Mandanten darauf hin zur Begutachtung bei dem Arzt für Orthopädie Klaus Besig beim „Institut für medizinische Begutachtung“ geschickt. Dieser Gutachter wird sehr häufig von Versicherern zur Erstellung von Privatgutachten eingesetzt. Nach unserer Praxis ist es bei ihm absolut üblich, dass er Unfallfolgen verneint, also den Zusammenhang zwischen dem Unfall und den anschließenden Beschwerden der Versicherten leugnet. Gerne bedient er sich dabei der Methode, den Unfall in Einzelteile zu zerlegen (etwa den Sturz, die MRT-Bilder, die Beschwerden) und dann für jedes Einzelteil separat zu behaupten, dieses sei „nicht beweisend“ für eine Kausalität, es könnte auch andere Ursachen haben.

Ähnlich ging er auch hier vor und betonte in seinem „Gutachten“ vom 15.05.2012, in der Altersgruppe des 66jährigen Mandanten seien Rotatorenmanschettendefekte auf degenerativem Boden weit verbreitet. Unfallbedingte Rotatorenmanschettendefekte seien hingegen die Ausnahme. Der Versicherte müsse beweisen, dass hier keine Ausnahme vorliege. Die Ergo-Versicherung lehnte daraufhin unter Berufung auf das Besig-Gutachten jede Leistung ab, da die Beschwerden unseres Mandanten angeblich nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen waren.

Trotz wiederholtem Widerspruch und auch mehrerer Stellungnahmen des behandelnden Arztes beharrte die ERGO auf ihrer Ablehnung. Sie holte lediglich ergänzende Stellungnahmen ihres Privatgutachters Klaus Besig ein, der seine Verneinung eines Unfallzusammenhangs bekräftigte.

Daraufhin erhoben wir Klage zum Landgericht Bochum. Das Gericht holte Beweis ein durch Zeugenvernehmung unseres Mandanten – die ERGO hatte im Gerichtsverfahren sogar bestritten, dass überhaupt ein Unfall stattgefunden habe.

Der Mandant schilderte ausführlich wie er nach hinten ausgerutscht war und sich mit dem ausgestreckten rechten Arm abzustützen versucht hatte. Danach habe er den Arm nicht mehr bewegen können. Vorher habe er nie Probleme mit dem Arm gehabt. Das Gericht hielt seine Aussage ausdrücklich für glaubhaft.

Sodann holte das Gericht ein medizinisches Sachverständigengutachten ein. Der Sachverständige ging zwar von ganz erheblichen vorbestehenden Schäden an der betroffenen Schulter aus, die er als asymptomatisch ansah (die also vorher keine Probleme gemacht hatten), kam aber gleichwohl zu dem Schluss dass der Unfall relevant für die nun bestehenden Beeinträchtigungen an der Schulter verantwortlich war.

Als entscheidend sah er den geeigneten Unfallmechanismus und die unmittelbare Funktionsverschlechterung der Schulter direkt nach dem Unfall – bei vorbestehender Beschwerdefreiheit – an. Die ERGO hat hiergegen noch einmal eine privatgutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage aufgeboten, diesmal von Dr. Harald Scheele. Dies änderte allerdings nichts an der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen.

Dem gerichtlichen Sachverständigengutachten ist das Gericht gefolgt und hat die Ergo zu einer Zahlung von 63.050,00 € verurteilt.

Die von der Ergo-Versicherung gegen das Urteil eingelegte Berufung wurde von der Ergo in der mündlichen Verhandlung v. 09.12.2016 nach richterlichem Hinweis durch das OLG Hamm zurückgenommen. Damit wurde das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig.

Anmerkung Büchner Rechtsanwälte

Rotatorenmanschettenrupturen sind ein sehr häufiges Problem in der privaten Unfallversicherung. Sehr oft kommen Gutachter wie Klaus Besig in langen Gutachten im Auftrag im Auftrag der Versicherer dann zu dem Schluss, der Schaden sei vorbestehend und verweisen auf vermeintlich eindrucksvolle bildgebende Befunde über „degenerative Vorschäden“. Leistungen werden dann in der Regel vollständig oder teilweise wegen angeblich fehlender Kausalität abgelehnt.

Hiervon sollte man sich nicht beeindrucken lassen

Tatsächlich kommt es bei der Prüfung des Unfallzusammenhangs im wesentlichen darauf an, ob:

·        Ein geeignetes Unfallereignis vorlag

·        Unmittelbar nach dem Unfall einschlägige Beschwerden/Beeinträchtigungen („drop arm“, d.h. der Arm konnte nicht nicht mehr bewegt werden) vorlagen

·        Vor dem Unfall Beschwerdefreiheit bestand

Selbst ob der Versicherer dann noch Abzüge wegen degenerativer Vorschäden („Krankheiten“ bzw. „Gebrechen“) machen darf, ist keineswegs ausgemacht. Ein großer Teil der Rechtsprechung steht nämlich auf dem Standpunkt, dass solche Kürzungsgründe nur dann vorliegen, vorher tatsächlich ärztliche Behandlungsbedürftigkeit oder Funktionsbeeinträchtigungen vorlagen. Ein solches Urteil des OLG Stuttgart ist dieses Jahr vom BGH bestätigt worden. Zudem darf kein Abzug erfolgen, wenn die „degenerative Vorschädigung“ altersentsprechend war. Das gilt nach einem Urteil des OLG Celle sogar bei 80%iger Vorschädigung.

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