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Barmenia Lebensversicherung wegen fingierter Berufsunfähigkeit eines Schiffsmechanikers zur Zahlung verurteilt – Gutachter Dr. Thomas Kausch und Dr. Hinrich Alberti widerlegt.

Landgericht Saarbrücken, Urteil v. 28.01.2020 – 14 O 90/18

vorgestellt von RA Stefan Zeitler

Was war geschehen?

Unser Mandant (Kläger) war als Schiffsmechaniker angestellt tätig. Am 04.12.2013 erlitt er einen Unfall, bei dem er sich anlässlich einer Havarie-Übung bei einem Sprung von einem Containerschiff auf das Deck eines kleineren Schiffes eine Fersenbeinfraktur am linken Fuß zuzog. Seither war er arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Kläger meldete bei der Barmenia Lebensversicherung a.G. – bei der er gegen Berufsunfähigkeit versichert ist – Ansprüche auf Versicherungsleistungen (Rentenzahlung und Beitragsbefreiung) wegen Eintritts einer am 04.12.2013 eingetretenen Berufsunfähigkeit an. Die Beklagte trat in die Leistungsprüfung ein und beauftragte ein orthopädisches Gutachten bei Herrn Dr. Thomas Kausch, Gutachteninstitut MEDGUT, Bachemer Str. 29-33, 50931 Köln  und ein neurologisches Gutachten bei Herrn Dr. Hinrich Alberti, Bismarckstraße 7, 66333 Völklingen, die jeweils die Berufsunfähigkeit verneinten und auf deren Grundlage die Barmenia die Versicherungsleistungen ablehnte.

§ 2 Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Barmenia (AVB-BU) lautet:

Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd zu mindestens 50 % außer Stande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben. Ist die Dauerhaftigkeit noch nicht sicher zu bewerten, dann ist es ausreichend, wenn der Dauerzustand voraussichtlich mindestens 6 Monate ab dem Prognosezeitpunkt gegeben ist.

§ 2 Abs. 2 AVB-BU lautet:

Ist die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, zu mindestens 50 % außer Stande gewesen, ihren Beruf auszuüben, und hat sie in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausgeübt, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, so gilt die Fortdauer dieses Zustands von Beginn an als Berufsunfähigkeit. Wir erbringen in diesem Fall unsere Leistungen rückwirkend ab Beginn dieses sechsmonatigen Zeitraums.

Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken

 

Auf unsere Klage hin beauftragte das Landgericht Saarbrücken den Orthopäden und Unfallchirurgen Prof. Dr. Fritsch aus Homburg / Saar mit der Prüfung der Berufsunfähigkeit des Klägers. Dieser konnte in seinem Gutachten nicht feststellen, dass der Kläger am 04.12.2013 prognostisch gesehen voraussichtlich dauernd oder auch nur voraussichtlich mindestens 6 Monate  zu mindestens 50% berufsunfähig war.

 

Der Sachverständige konnte aber feststellen, dass der Kläger rückschauend den tatsächlichen Verlauf betrachtend seit seinem Unfall am 04.12.2013 aufgrund der Folgen einer Fersenbeinfraktur am linken Fuß, nämlich einer posttraumatischen Arthrose, einer Störung der Tiefensensibilität und einem chronischen Schmerzsyndrom weit länger als sechs Monate ununterbrochen mindestens 50% außerstande war, seine Tätigkeit als Schiffsmechaniker auszuüben. Dies genügte dem Landgericht Saarbrücken, den Anspruch des Klägers zu bejahen und die Barmenia Lebensversicherung a.G. zur Leistung zu verurteilen.

Hinweis RA Zeitler

Nicht nur die Versicherungsbedingungen der Barmenia Lebensversicherung a.G., sondern regelmäßig auch die Versicherungsbedingungen anderer BU-Versicherer enthalten die Klausel der sog. vermuteten bzw. fingierten Berufsunfähigkeit (hier § 2 Abs. 2 AVB-BU). Dem Versicherten, der aus Gesundheitsgründen ganz oder teilweise außerstande ist, seinen Beruf auszuüben soll nicht daraus ein Nachteil entstehen, dass sich die in § 2 Abs. 1 AVB-BU verlangte Prognose, dieser Zustand werde “voraussichtlich dauernd” bzw. “voraussichtlich mindestens 6 Monate” bestehen, nicht stellen lässt. § 2 Abs. 2 AVB-BU enthält deshalb die unwiderlegliche Vermutung, dass diese Prognose gestellt warden kann, wenn der Zustand des Versicherten länger als sechs Monate ununterbrochen bestanden hat.

Unserer Erfahrung nach leiden die vorgerichtlichen Leistungsprüfungen häufig daran, dass Versicherer nur eine Prüfung der Berufsunfähigkeitsprognose nach § 2 Abs. 1 AVB-BU, nicht jedoch die Prüfung der fingierten bzw. vermuteten Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs. 2 AVB-BU durchführen. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf das Ergebnis der Leistungsprüfung haben. Denn Prognosebeurteilungen für die Zukunft sind für Ärzte häufig schwieriger als Beurteilungen tatsächlicher Verläufe aus der Vergangenheit, weil der künftige Gesundheitszustand einer Person von sehr vielen Faktoren abhängt (Art, Schwere der Erkrankung, Alter und Konstitution des Betroffenen, Art, Umfang und Wirksamkeit der Behandlung) und daher nur sehr schwer und manchmal gar nicht vorhergesagt werden kann. Dass keine Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 AVB-BU vorliegt, heißt – wie der vorliegende Fall anschaulich zeigt – aber noch lange nicht, dass auch keine fingierte bzw. vermutete Berufsunfahigkeit nach § 2 Abs. 2 AVB-BU vorliegt.

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