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LG Mönchengladbach: Gerichtlicher Sachverständiger Prof. Friedrich Wilhelm Weber wird wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung entbunden und muss die Gutachtervergütung zurückzahlen.

Landgericht Mönchengladbach, Az. 1 O 94/12, Beschluss vom 23.11.2016

Gründe:

Mit Datum vom 17.03.2014 reichte der Sachverständige Prof. Dr. Weber […] sein erstes Gutachten zur Gerichtsakte. Unter dem Passus „Mein Zeichen“ war dort „Lytvin/ol“ vermerkt. Unter dem das Gutachten abschließenden Satz „Einverstanden aufgrund eingehender Prüfung und Urteilsbildung“ hatten der Sachverständige Prof. Dr. Weber sowie der Assistenzarzt Lytvin (dort: Lytvyn) unterzeichnet.

Das allein nach Aktenlage erstellte Gutachten beurteilte die Frage der unfallbedingten Invalidität anhand der GdB-MdE-Tabelle. Auf Antrag der Beklagten erfolgte am 30.10.2014 eine erste mündliche Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. Weber. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wies die Kammer den Sachverständigen sowohl auf das Erfordernis einer körperlichen Untersuchung der Klägerin als auch auf den nach den Versicherungsbedingungen zugrunde zu legenden Maßstab für die Beurteilung einer möglichen unfallbedingten Invalidität hin.(…)

Mit Datum vom 15.01.2015 erstattete derSachverständige ein schriftliches Ergänzungsgutachten, das lediglich von ihm unterzeichnet wurde und aus dem sich keine Anhaltspunkte für die Mitwirkung einer dritten Person bei der Erstellung ergaben. Auch hier wurde im Zusammenhang mit der Beurteilung der Frage der unfallbedingten Invalidität - jedenfalls ergänzend - auf die GdB-MdE-Tabelle zurückgegriffen. (…)

Auf Antrag der Klägerin wurde der Sachverständige erneut im Rahmen eines Termins vom 29.10.2015 angehört. Bei dieser mündlichen Anhörung gab der Sachverständige Prof. Dr. Weber u.a. an, dass die körperliche Untersuchung durch einen anderen Arzt erfolgte, der die Patientin dem Sachverständigen später vorgestellt und die Untersuchungsbefunde in deren Beisein referiert hat. Im Anschluss an diese mündliche Anhörung beantragte die Klägerin u.a. sodann eine Entpflichtung des Sachverständigen sowie diesem die Kosten seiner Beauftragung nicht zu erstatten. (…)

Im Zusammenhang mit der Erstellung des Erstgutachtens vom 17.03.2014 hat der Sachverständige Prof. Dr. Weber jedenfalls gegen § 407a Abs. 2 S. 1 ZPO verstoßen. Hiernach ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Im Zusammenhang mit dem Erstgutachten ergibt sich aber bereits aus dem Akteninhalt, dass als Ersteller im Ergebnis Herr Lytvyn und nicht der bestellte Sachverständige Prof. Dr. Weber angenommen werden muss. (…)

Der Verstoß des bestellten Sachverständigen Prof. Dr. Weber gegen die Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung (§ 407a Abs. 2 S. 1 ZPO) erfolgte auch schuldhaft, weil jedenfalls fahrlässig. Denn das gemeinsam mit der Gerichtsakte übersandte Anschreiben vom 15.02.2013 enthielt einen ausdrücklichen Hinweis auf die in § 407a Abs. 2 ZPO normierten Pflichten. Gleichwohl hat der bestellte Sachverständige - ohne vorherige Rücksprache mit dem Gericht - das Erstgutachten vollständig durch Herrn Lytvyn erstellen lassen. Von einer „Mitwirkung“ bzw. „untergeordneten Hilfsdiensten“, wie in den Grenzen des § 407a Abs. 2 S. 2 ZPO zugelassen, kann - unabhängig davon, dass dies auch nicht kenntlich gemacht worden wäre - mithin nicht mehr gesprochen werden.

Angesichts dieser Umstände kann die Kammer auch dahingestellt sein lassen, ob das Erstgutachten - wegen des Rückgriffs auf die GdB-MdE-Tabelle - inhaltlich überhaupt verwertbar ist. (…)

Hinsichtlich des Ergänzungsgutachtens vom 15.01.2015 hat der bestellte Sachverständige Prof. Dr. Weber jedenfalls gegen seine in § 407a Abs. 2 S. 2 ZPO normierte Pflicht verstoßen. Hiernach hat ein Sachverständiger, soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste untergeordneter Bedeutung handelt. Diesen Anforderungen wird die Tätigkeit des Sachverständigen Prof. Dr. Weber auch in Bezug auf das Ergänzungsgutachten nicht gerecht. (…)

So hat der Sachverständige - allerdings erst auf Vorhalt der Klägerin - selbst eingeräumt, dass die körperliche Untersuchung seiner Erinnerung nach durch Herrn Lytvyn erfolgt ist, während er die Klägerin lediglich zuvor befragt hat. Die Übertragung der kompletten Befunderhebung von dem als Sachverständigen bestellten Chefarzt auf einen Assistenz- oder Oberarzt ist nach Ansicht der Kammer - unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Hinzuziehung eines Assistenz- oder Oberarztes, der nach Weisung des bestellten Sachverständigen unter dessen Aufsicht mitwirkt, zulässig ist - jedenfalls dann nicht möglich, wenn es für die Erstellung des Gutachtens auf die Erkennung und Bewertung der Befunde und damit auch auf die besondere Erfahrung und Fachkunde des Sachverständigen ankommt. (…)

Da bereits mangels persönlicher Befunderhebung auch das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Weber nicht verwertbar und damit nicht zu honorieren ist, kam es auch insoweit nicht auf die Frage der inhaltlichen Verwertbarkeit (Stichwort: Beurteilungszeitpunkt bzw. erneuter Rückgriff auf die GdB- MdE-Tabelle, und zwar trotz eines anderslautenden ausdrücklichen Hinweises im Termin vom 30.10.2014) an.

 

Anmerkung Rechtsanwalt Kohn, Fachanwalt für Versicherungs- und Sozialrecht:

Herr Prof. Weber, ehemals Leiter der Neurochirurgie im städtischen Klinikum Merheim, betreibt auch ein „Institut für neurochirurgische Begutachtungen“ und ein „Rückenzentrum Weber“ Unsere Mandantin hatte unfallbedingt einen Bruch des 1. Lendenwirbelkörpers erlitten mit nachfolgender Implantation eines Wirbelkörperersatzes und mehretagiger Wirbelsäulenversteifung. Die neurochirurgische Begutachtung sollte die Höhe der unfallbedingten Invalidität feststellen.

Der Beschluss ist deshalb bemerkenswert, weil eine Entpflichtung von Sachverständigen wegen Verstoß gegen die Verpflichtung zur persönlichen Gutachtenerstellung – insbesondere mit Rückforderung bereits gezahlter Entschädigung – in der gerichtlichen Praxis eher selten vorkommt. Einerseits darf ein Sachverständiger seinen Auftrag nicht auf andere „übertragen“, andererseits darf er sich dann der Mitarbeit anderer bedienen, wenn es sich nicht um „Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung“ handelt.

Die Abwägung welche Arbeiten noch „Hilfsdienste“ darstellen, und ab wann eine „Übertragung des Auftrages“ stattfindet, fällt oft zugunsten des beauftragten Arztes aus, v.a. wenn es sich um einen Chefarzt, Klinikleiter etc. handelt und es um die Durchführung rein körperlicher Untersuchungen geht. Strenger ist dieRechtsprexchung bei psychiatrischen Gutachten: Die persönliche Begegnung mit dem Probanden unter Einschluss eines explorierenden Gesprächs gilt hier als prägende und regelmäßig in einem nicht verzichtbaren Kern vom Sachverständigen selbst zu erbringende Zentralaufgabe.

Zurecht hat hier das Landgericht betont, dass der Passus „Einverstanden aufgrund eigener Prüfung und Urteilsfindung“ nicht genügt, um von einer Gutachtenerstellung durch den bestellten Sachverständigen auszugehen, da hierdurch nicht erkennbar wird, was er und was die Hilfskraft gemacht hat.

Von besonderer Bedeutung ist, dass das Landgericht hier bei einem nicht psychiatrischen, sondern neurochirurgischen Gutachten es als unzulässig angesehen hat, die körperliche Untersuchung mit Erhebung sämtlicher Befunde komplett auf einen anderen Arzt zu übertragen. Dies sei – so das Landgericht – jedenfalls dann nicht möglich, wenn es für die Erstellung des Gutachtens auf die Erkennung und Bewertung der Befunde und damit auch auf die besondere Erfahrung und Fachkunde des Sachverständigen ankommt.

Dies sollte im Hinterkopf behalten, wer zu einem Gutachten geladen wird und unverzüglich den eigenen Anwalt informieren, wenn die Untersuchung gar nicht vom eigentlich bestellten Sachverständigen durchgeführt wird

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