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OVG Lüneburg: Ärzteversorgung ist bei Berufsunfähigkeit eines Arztes auch bei theoretischer Möglichkeit der Arbeit in Teilbereichen seines Berufes zu Leistung verpflichtet

Urteil vom 26.04.2007, Az.: 8 LB 212/05

Die 1944 geborene Klägerin war über 30 Jahre als Anästhesistin in verschiedenen Krankenhäusern beschäftigt und konnte dieser Tätigkeit aber unstreitig seit dem Jahr 2000 gesundheitsbedingt nicht mehr nachgehen. Sie beantragte deshalb bei der Ärzteversorgung Niedersachen, die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente.

Die Ärzteversorgung, als berufsständische Versorgungseinrichtung lehnte die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente mit dem Argument, berufsunfähig sei nur, wer zu einer ärztlichen Tätigkeit überhaupt außer Stande sei. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall, da sie zwar ihre alte Tätigkeit nicht mehr ausüben könne, sie aber ohne unmittelbaren Patientenkontakt etwa als Gutachterin im Öffentlichen Dienst, in der Pharmaindustrie oder medizinjournalistisch arbeiten könne.

Die daraufhin erhobene Klage hat das erstinstanzliche Verwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin gesundheitlich jedenfalls noch in der Lage sei, halbtags bei dem Medizinischen Dienst einer Krankenversicherung als «Aktengutachterin» tätig zu sein und sie insofern nicht berufsunfähig sei.

Das Niedersächsische OVG hat der Berufung der Klägerin stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung der begehrten Berufsunfähigkeitsrente verurteilt. Eine Ärztin, die - wie die Klägerin - Patienten nicht mehr behandeln oder untersuchen könne, werde auch als Gutachterin im Öffentlichen Dienst, zum Beispiel beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung oder in einem kommunalen Gesundheitsamt, nicht mehr eingestellt.

Auf andere von der Beklagten genannte Tätigkeiten, zum Beispiel in der Pharmaindustrie oder als Medizinjournalistin, müsse sich die Klägerin nicht verweisen lassen. Denn dafür benötige sie keine Approbation. Nur auf solche Stellen könne sie jedoch nach der maßgeblichen Satzungsbestimmung der Beklagten verwiesen werden. Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

Anmerkung Dr. Büchner:

 

Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert, da es von der Spruchpraxis anderer Verwaltungsgerichte im Bereich der Ärzteversorgung abweicht und zwei Dinge klarstellt:

Zum einen muss sich der Arzt ( gleiches dürfte für die Zahnärzteversorgung bzw. Apothekerversorgung gelten ) nicht auf Tätigkeiten verweisen lassen, für die keine Approbation erforderlich ist. Zum anderen scheidet eine abstrakte Verweisung, für die ein konkreter Arbeitsplatz nicht erlangbar ist vorliegend aus.

Zu beachten ist, dass divergierende Entscheidungen verschiedener Verwaltungsgerichte häufig auch auf unterschiedliche Satzungsbestimmungen der einzelnen Versorgungswerke zurückzuführen sind, welche dem einzelnen Rechtsstreit zugrunde liegen.

Mit einem aktuellen, durch unsere Kanzlei erstrittenes Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 26.03.2015 wird die hier vorgestellte Spruchpraxis einmal mehr bestätigt.

Gleichwohl sollten sich Antragsteller, die sich mit dem Gedanken befassen, ggf. Berufsunfähigkeitsrente bei ihrem Versorgungswerk zu beantragen, bereits im Vorfeld genau über die zugrunde liegende Satzung informieren und durch einen Fachanwalt beraten lassen.

 


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