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OLG Hamm: Continentale Unfallversicherung kann Mitwirkung eines behaupteten Vorschadens nicht beweisen und zahlt auf ausdrücklichen Rat des Gerichts einen Vergleichsbetrag von 485.000,00 € an unseren Mandanten.

Unser Mandant unterhielt bei der Continentale Sachversicherung AG eine private Unfallversicherung, nach der ab einem Invaliditätsgrad von mindestens 50% eine lebenslange Unfallrente in Höhe von 3.067,75 € versichert war. Sonstige Invaliditätsleistungen waren nicht versichert.

Bei einem schweren Sturz mit seinem Mokick erlitt unser Mandant eine Ruptur der Rotatorenmanschette im Sinne einer Ruptur der Supraspinatussehne an der linken Schulter und eine Fraktur des ersten und zweiten Lendenwirbelkörpers.

Die vom Versicherer beauftragten Gutachter Prof. Dr. med. Joachim Grifka und Dr. med. Franz Köck vom Asklepios Klinikum Bad Abbach in Regensburg bewerteten die durch die Wirbelkörperfrakturen hervorgerufene „Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit“ mit einer Invalidität von 30%. Die am linken Arm im Schultergelenk bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen bewerteten die Gutachter mit 2/10 Armwert und behaupteten diesbezüglich eine unfallfremde Mitwirkung von 50%, womit der Armwert auf 1/10 gekürzt wurde. Bei einem - wie üblich - vereinbarten Gliedertaxwert von 70% für die vollständige Funktionsunfähigkeit eines Arms im Schultergelenk, ergab sich hieraus ein Invaliditätsgrad für die Supraspinatussehnenruptur von nur 7%. Die von den Gutachtern angegebene Gesamtinvalidität betrug 37% und somit weniger als mindestens 50%.

Die Zahlung einer lebenslangen Unfallrente lehnte die Continentale unter Bezugnahme auf das für unseren Mandanten negative Gutachten ab.

Sowohl außergerichtlich als auch im Klageverfahren legten wir ausführlich dar, dass die Continentale aufgrund der von ihr in den AUB verwendeten Formulierung „eines Armes im Schultergelenk“ bei der Invaliditätsbemessung den von der höchstrichterlichen Gelenkrechtsprechung vorgegebenen Vergleichswert anzuwenden habe, wonach nicht die am gesamten Arm, sondern allein die im Schultergelenk bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen sind. In diesem Fall seien die bei unserem Mandanten an der linken Schulter bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht mit nur 2/10 Armwert, sondern wesentlich höher zu bemessen.

Zudem wiesen wir immer wieder darauf hin, dass die Continentale keinesfalls den allein Ihr obliegenden Vollbeweis einer Mitwirkung erbracht habe. Daher sei ein Abzug vom Armwert nicht vorzunehmen.

Bei einer ordnungsgemäßen Abrechnung sei von einem Invaliditätsgrad von mindestens 50% auszugehen und unserem Mandanten eine lebenslange Rente von monatlich 3.067,75 € zu zahlen.

Dem folgte auch das Landgericht Dortmund in seinem Urteil vom 22.08.2013 – Az.: 2 O 291/10 vollumfänglich.

Bereits in seinem Beweisbeschluss vom 18.11.2010 schloss sich das Gericht unserem Vortrag, dass aufgrund der von der Continentale verwendeten Formulierung: „eines Armes im Schultergelenk“ - sofern es für den Versicherten besser ist - auf die allein im Schultergelenk bestehende Funktionsbeeinträchtigung abzustellen ist und formulierte die Beweisfrage an den medizinischen Sachverständigen diesbezüglich wie folgt:

„In welchem Umfang ist die körperliche Leistungsfähigkeit des Klägers infolge des Unfalls vom 21.10.2006 durch die dabei erlittene Verletzung der Rotatorenmanschette links dauerhaft (Prognosezeitpunkt 3 Jahre ab Oktober 2009) eingeschränkt (Invalidität)?

a) nach Armwert

b) Funktionsbeeinträchtigung nur des linken Schultergelenks

In seinem Gutachten stellte der gerichtliche Sachverständige sodann unter Berücksichtigung der Gelenkrechtsprechung eine unfallbedingt bestehende Funktionsbeeinträchtigung allein des linken Schultergelenks von 40% - entsprechend einem Invaliditätsgrad von 28% - fest.

Zuzüglich der mit 30% zu bemessenden Funktionsbeeinträchtigungen wegen der Wirbelkörperfrakturen bezifferte der Sachverständige die unfallbedingte Invalidität folglich mit 58%.

In seinem Urteil vom 22.08.2013 legte das LG Dortmund ausführlich dar, dass für die Invaliditätsleistung nicht der vom Sachverständigen ermittelte Armwert, sondern die Funktionsbeeinträchtigung des Schultergelenkes maßgebend war, die der Sachverständige mit 40 % angegeben habe. Aufgrund der Unklarheit in den AUB durch die Formulierung „eines Armes im Schultergelenk‘‘ habe eine Bemessung sowohl des Armwertes als auch der Funktionsbeeinträchtigung des Schultergelenkes zu erfolgen und für die Invaliditätsleistung der für den Versicherungsnehmer günstigere Wert Geltung zu beanspruchen. Danach sei maßgebend die 40%ige Funktionsbeeinträchtigung des Schultergelenkes, die der Sachverständige aufgrund der klinischen Untersuchung des Klägers festgestellt habe.

Zu den von der Continentale behaupteten Mitwirkung von unfallunabhängigen Krankheiten oder Gebrechen durch degenerativen Verschleiß der Rotatorenmanschette stellte das LG Dortmund in seinem Urteil fest, dass die Beklagte diese nicht bewiesen habe. Ihr obliege mit dem Beweismaß des § 286 ZPO nicht nur der Beweis, dass überhaupt unfallfremde Krankheiten oder Gebrechen mitgewirkt haben, sondern auch der Beweis, dass eine solche Mitwirkung das Ausmaß des bedingungsgemäßen Schwellenwertes von 25% erreicht habe. Dies haben der vom Gericht beauftragte Sachverständige jedoch nicht bestätigt, so dass das Gericht nicht zugrunde legen könne, dass Krankheiten oder Gebrechen, die den Zustand altersgerechter Verschleiß- oder Schwächezustande übersteigen (nur solche Zustände seien als Krankheit oder Gebrechen zu bezeichnen) beim Kläger auch vorgelegen haben.

Zusammen mit der 30%igen Invalidität außerhalb der Gliedertaxe durch die Bewegungs-einschränkungen der Wirbelsäule ergebe die 40%ige Funktionsbeeinträchtigung des Schultergelenkes eine Gesamtinvalidität von 58 %, womit der Klage im vollen Umfang stattzugeben sei und zwar sowohl hinsichtlich der Rentenzahlungen aus der Vergangenheit als auch hinsichtlich der zukünftigen Zahlungspflicht der Beklagten.

Auf die von der Continentale gegen das Urteil des LG Dortmund eingelegte Berufung schlug der Senat in der Sitzung vom 04.06.2014 sodann den für unseren Mandanten äußerst günstigen – und sodann auch vereinbarten - Vergleich vor, nach dem die Continentale zur Abfindung aller Ansprüche unseres 64-jährigen Mandanten einen kapitalisierten Sofortbetrag in Höhe von 485.000,00 € zahlen solle

Anmerkung von Rechtsanwalt Klaus Junghans, Fachanwalt für Versicherungs- und Medizinrecht

Das Gebaren der Continentale ist typisch für das Abrechnungsverhalten privater Unfallversicherungen, welche essentielle – von der Rechtsprechung seit Jahrzenten aufgestellte und immer wieder bestätigte Grundsätze konsequent ignorieren und gegenüber ihren Versicherten so teilweise immense Invaliditätsentschädigungen „einsparen“.

Auch hier weigerte sich eine private Unfallversicherung einmal mehr, die seit über 15 Jahren bestehende und für den Versicherten überaus positive, sog. Gelenkrechtsprechung des BGH zu berücksichtigen. Zudem wird von den Unfallversicherern - und deren Anwälte im Klageverfahren - immer wieder unzutreffend behauptet, dass die BGH-Gelenkrechtsprechung nur für die vollständige Versteifung des Hand-, Arm- oder Fußgelenks, nicht dagegen für die nur - was den Regelfall darstellt - teilweise Versteifung herangezogen werden könne. Sofern die Klage bei einem Landgericht ohne Spezialkammer für Ansprüche aus Versicherungsverträgen erhoben wird, ist daher immer wieder nachdrücklich und mehrfach auf die genaue Anwendung der Gelenkrechtsprechung - möglichst unter Beifügung von Beweisbeschlüssen von versierten Spezialkammern - auch bei einer Teilversteifung hinzuweisen.

Darüber hinaus wurde die feststehende BGH-Rechtsprechung ignoriert, dass allein krankhafte und keine degenerativen Vorschäden bei der Invaliditätsberechnung nach Gliedertaxe im Rahmen einer Mitwirkung Berücksichtigung finden dürfen.

Wie häufig bei Rupturen der Rotatorenmanschette nahm auch die Continentale Unfallversicherung hier pauschal eine hälftige Mitwirkung unfallunabhängiger Krankheiten oder Gebrechen an und kürzte den Invaliditätsgrad einfach um die Hälfte. Dabei konnte sie sich auf die beauftragten Gutachter stützen, die jedoch – wie üblich - keine genaue Begründung für ihre Behauptung liefern, dass bei der unfallbedingten Rotatorenmanschettenruptur eine vermeintlich vorbestehende Krankheit oder Gebrechen zu (genau) 50% mitgewirkt haben soll. Im rechtlichen Sinne ist die Behauptung einer Mitwirkung damit jedenfalls nicht nach dem Beweismaß des § 286 ZPO dargetan.

Sofern auch ein gerichtlicher Sachverständiger einen Mitwirkungsanteil für gegeben hält, muss dies in medizinischer und rechtlicher Hinsicht genauestens hinterfragt und angegriffen werden. Hierbei gilt es sowohl den unfallbedingten Riss der Rotatorenmanschette als auch den vermeintlichen Vorschaden medizinisch bis ins Kleinste genauestens herauszuarbeiten und sodann darzulegen, dass in medizinischer und rechtlicher Hinsicht nicht unerhebliche Zweifel am Vorliegen einer adäquaten Kausalität von vermeintlichem Vorschaden und Unfallschaden bestehen. Wenn der Sachverständige dem nicht dezidiert widersprechen kann, hat der Versicherer den Vollbeweis der Mitwirkung nicht erbracht und kann der Unfallversicherer einen Abzug - zum Teil bis zu 90% - nicht vornehmen.

Wir raten zwar generell jede Abrechnung einer privaten Unfallversicherung durch eine entsprechend versierte Anwaltskanzlei prüfen zu lassen. Invaliditätsabrechnungen, bei denen Gelenkverletzungen oder Mitwirkungsfragen eine Rolle spielen, nicht kritisch zu hinterfragen, bedeutet in der Regel ohne Not Geld liegen zu lassen - in unserem hier vorgestellten  Fall wären es 485.000 € gewesen!

Kontaktieren Sie uns und nehmen Sie unser  Angebot einer kostenlosen Ersteinschätzung  wahr!


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