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LG Berlin: Cosmos Direkt Unfallversicherung zahlt wegen Inkontinenz und Beischlafunfähigkeit einer Frau weitere Invaliditätssumme von 210.000 € sowie lebenslang 1.575 € monatliche Unfallrente.

LG Berlin, 23.08.2017 (Az: 7 O 35/13)

Gerichtlicher Sachverständiger beurteilt Beischlafunfähigkeit der Frau analog erektiler Dysfunktion des Mannes

Unsere Mandantin erlitt am 25.10.2009 einen schweren Reitunfall. Ihr Pferd scheute, die Mandantin versuchte noch sich festzuhalten, was ihr aber nicht gelang. Sie stürzte mit Steiß und Rücken voraus auf harten Boden. Nach dem Sturz war sie nicht in der Lage aufzustehen und sich zu bewegen, sie musste mit einem Hubschrauber in die Unfallchirurgische Rettungsstelle des nächstgelegenen Klinikums transportiert werden.

Radiologische und neurologische Untersuchungen ergaben, dass sie sich durch den Unfall eine beidseitige Sacrumfractur mit Läsion der Nervenwurzeln S3, S4 und S5 beidseitig und einer Störung der Wurzel S2 rechts und eine Rückenmarkskontusion in Höhe Th11l zuzog.

Die Mandantin wandte sich an die Cosmos Versicherungs AG, bei der sie eine private Unfallversicherung abgeschlossen hatte.

Diese schickte sie zur Begutachtung bei Frau Dr. Petra Göttel auf chirurgischem und Herrn Dr. Tim Hendgen auf neurologischem Fachgebiet. Frau Dr. Göttel leugnete rundheraus, dass es auf ihrem Fachgebiet irgendwelche Unfallfolgen gebe, die starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen um Bereich der Wirbelsäule, welche die Mandantin seit dem Unfall erlitt, seien nicht durch diesen erklärlich.

Herr Dr. Hendgen leugnete nicht die unfallbedingten Nervenschäden und darauf gründende Missempfindungen ab unterhalb des Bauchnabels, sowie im Reithosenbereich.

An Beeinträchtigungen diagnostizierte er jedoch nur eine Harnblasen- und Stuhlinkontinenz, wofür er „in Anlehnung an die Maßstäbe des sozialen Entschädigungsrechts“ einen Invaliditätsgrad von 30% außerhalb der Gliedertaxe annahm. Nach dieser Maßgabe rechnete die Cosmos Direkt dann auch ab.

Wir monierten die fehlende Berücksichtigung der Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule und der Beischlafunfähigkeit. Die Cosmos Direkt begnügte sich als Reaktion damit, dass die von ihr beauftragten Gutachter in wenigen Zeilen kurzen Stellungnahmen ihre Einschätzungen noch einmal bekräftigten. Wir erhoben daraufhin Klage vor dem Landgericht Berlin.

Dieses holte ein Sachverständigengutachten auf neurochirurgischem und eines auf neurologischem Gebiet ein.

Der neurochirurgische Sachverständige sah anders als Frau Dr. Göttel noch Folgebeschwerden des Unfalls im Bereich der Brustwirbelsäule, Beschwerden im Bereich des Kreuzbeins und des rechten Beines sowie Unfallfolgen im Bereich des Brustbeins, alles zusammen schätzte er mit einer unfallbedingten Invalidität von 10% ein.

Der neurologische Sachverständige stellte ein unfallbedingtes Taubheitsgefühl mit Sensibilitätsstörungen am Unterbauch, im Genital- und Analbereich sowie an der Innenseite der Oberschenkel fest. Diese Störungen seien zurückzuführen auf eine Contusio spinalis in Höhe Th7 sowie durch eine Schädigung der Nervenwurzeln S2 bis S5 beidseitig in Folge einer Os sacrum-Querfraktur.

Hinsichtlich der Invaliditätsbemessung meinte er, dass für die nahezu vollständige, nicht auf psychischer sondern organischer Ursache beruhende, Beischlafunfähigkeit der Mandantin, wohl analog der männlichen Impotentia coeundi mit bis zu 20% zu bewerten sei. Er stützte sich dabei auch auf einen Fachartikel von Fabra zur erektilen Dysfunktion aus dem Jahr 2001. Ausdrücklich wies er die Behauptung der Cosmos Direkt zurück, dieser sei überholt. In den Jahren danach habe es dazu kaum weitere Publikationen gegeben. Der Autor Fabra sei ein äußerst erfahrener neurologischer und psychiatrischer Sachverständiger, der vielfach in medizinischen Fachzeitschriften publiziere.

Der Versicherer erkannte schließlich, dass er um eine Zahlung nicht herumkommen werde. Er bot einen Vergleich an, mit dem er nach Maßgabe einer Invalidität in Höhe von 50% Leistungen erbringen werde – Kapitalentschädigung sowie lebenslange Unfallrente in Höhe von 1.575 € im Monat, auch die seit dem Unfallzeitpunkt aufgelaufenen Renten wurden nachgezahlt. Die Kosten des Verfahrens übernahm mit 85 Prozent ebenfalls weitestgehend die Cosmos Direkt. Dieser Vergleich kam dann auch zustande und wurde vom Landgericht per Beschluss festgestellt.

Anmerkung Rechtsanwalt Kohn, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Sozialrecht:

Dieser Fall ist, wie der Sachverständige anmerkte, medizinisch eher ungewöhnlich, eine unfallbedingte Beischlafunfähigkeit betrifft sonst meistens Männer. Eine einheitliche Literaturmeinung zur Bewertung hat sich aber bereits für erektile Dysfunktion bei Männern nicht herausgebildet, erst recht nicht für ähnliche Beeinträchtigungen bei Frauen. Umso erfreulicher ist es, dass der Sachverständige hier sich eindeutig festgelegt hat, dass solche Beeinträchtigungen bei Frauen analog zu denen bei Männern zu bewerten sind. Dies sollte eigentlich selbstverständlich sein.

Ferner ist bedeutsam, dass der neurologische Sachverständige sich positiv auf den ausführlichen Artikel von Fabra aus dem Jahr 2001 bezogen hat, wonach die erektile Dysfunktion bei Männern mit 20% zu bewerten sein kann. Andere Stimmen in der gutachterliche Literatur empfehlen niedrigere Bemessungen und verkennen dabei die bedeutende Rolle der Sexualität im Leben des Menschen. Versicherte sollten auch bei unfallbedingten Beeinträchtigungen in derart intimen Bereichen keine falsche Scham oder Scheu haben, diese – auch gerichtlich – geltend zu machen. Darauf hatte hier der Versicherer gesetzt, denn es machte letztlich den Unterschied zur Zahlung einer weiteren Invaliditätsentschädigung und einer lebenslangen Unfallrente aus.

 

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