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Landgericht Mannheim (gegen Inter Versicherung): Bauchdeckenschwäche mit Passagestörung bedingt Invalidität i.H.v. mindestens 30%

LG Mannheim, Entscheidung v.21.08.2009,

beklagte Versicherung: INTER Allgemeine Versicherung AG

Bauchdeckenschwäche infolge unfallbedingten Eingriffs in die Integrität der Bauchdecke mit nachfolgender Schwächung der Bauchdecke bzw. insuffizienter Bauchpresse ist mit 20% Invalidität zu bewerten

Passagestörungen mit krampfartigen Beschwerden, deren Ursache in intraabdominelle Verwachsungen nach der operativen Behandlung der unfallbedingten Verletzung zu sehen sind, sind darüber hinaus mit mindestens weiteren 10% Invalidität zu bewerten.

Auszüge aus den Gründen (Zusammenfassung)

Bauchdeckenschwäche infolge einer operationsbedingten der quer verlaufenden Oberbauchlaparotomie: Durch den Eingriff in die Integrität der Bauchdecke kam es zu einer Durchtrennung der Bauchmuskulatur mit Beeinträchtigungen im Bauchbereich. Die Schwächung der Bauchdecke bzw. insuffiziente Bauchpresse wirkt sich nicht nur beim Husten oder beim Stuhlgang, sondern auch bei täglichen Verrichtungen wir beim Bücken oder Heben aus. Gleiches gilt für die bestehenden Empfindungsstörungen (Dysästhesien) im Bereich der Narbe. Hinzu kamen von der Klägerin geklagte Blasenentleerungsstörungen (Miktionsbeschwerden), welche im Zusammenhang mit den Bauchverletzungen (eingeschränkte Bauchpresse) stehen.

Zudem leidet die Klägerin an Passagestörungen mit krampfartigen beschwerden, deren Ursache intraabdominelle Verwachsungen nach der operativen Behandlung der unfallbedingten Verletzung des Dünndarms und des Mesenteriums sind. Aufgrund der Operation wurde der gesamte Bauchraum der Klägerin revisiert, was typischerweise zu Verwachsungen führt, aufgrund derer dich die Darmschlingen schlechter entfalten können. Die Passagestörungen wirken sich vorliegend nach den nachvollziehbaren Äußerungen des Sachverständigen konkret in Tenesmen (Blähungen) und Stuhlgangproblemen aus, ohne das eine Verwertungsstörung gegeben wäre. Zwar sind die Beeinträchtigungen nicht unmittelbar objektivierbar; dies liegt jedoch nach Angabe des Sachverständigen in der Natur der Beschwerden. Vielmehr hat der Sachverständige ausgeführt, dass die von der Klägerin beschriebenen Symptome aufgrund objektiv feststellbarer Verletzungen nachvollziehbar sind, ohne dass Aggravationstendenzen festzustellen waren.

Der gerichtliche Sachverständige bewertete die Passagestörungen mit 20%. Gewissen Bedenken begegnet die Bewertung lediglich insoweit, als deren Schwere bei der Klägerin objektiv nicht genau feststellbar waren. Nach Auffassung des Gerichts ist aber jedenfalls überwiegend wahrscheinlich, dass die Passagestörungen ein solches Ausmaß haben, dass die körperliche Leistungsfähigkeit nicht unerheblich beeinträchtigt ist. Das Gericht schätzt die in Passagestörungen liegenden Auswirkungen der - feststehenden – abdominalen Verletzungen und den daraus folgenden Invaliditätsgrad (§ 287 ZPO, vgl. BGH NJW 1993,201) insoweit auf mindestens 10%. Ob er gar die vom Sachverständigen angesetzten 20% erreicht, kann offen bleiben, da bereits mit einem Ansatz von 10% eine Invalidität der Klägerin von 100% erreicht ist.

Anmerkung RA Dr. Büchner, Fachanwalt für Versicherungs- und Medizinrecht:

Das Urteil des Landgerichts Mannheim gehört zu den wenigen Entscheidungen in der privaten Unfallversicherung, welche zu den Auswirkungen abdomineller Verletzungen ergangen sind. Die dieser Entscheidung zugrunde liegende gutachterliche Bewertung befindet sich in Übereinstimmung mit der maßgebenden Bewertungsliteratur (hier Thomann/Schröter/Grosser: Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, München – Jena 2009), welche Verwachsungen und Narbenbrüche je nach Auswirkung mit einer Invalidität i.H.v. 10- 20% einschätzt. Bei erheblichen Passagestörungen wird die Schwere auf 30% eingeschätzt (wie im zugrunde liegenden Fall). Bei häufigen rezidivierenden Ileuserscheinungen mit deutlicher Beeinträchtigung des Ernährungs- und Kräftezustands wird eine Invalidität i.H.v. 40-50% empfohlen.

Nicht selten können Gutachter, welche von privaten Unfallversicherungen mit der Bewertung innerer Verletzungen beauftragt werden, mit dieser Thematik nicht umgehen und kommen zu völlig ungerechtfertigten Ergebnissen, welche dann vom Sachbearbeiter der Unfallversicherung unkritisch (und in der Regel zum Nachteil des Versicherungsnehmers übernommen werden). Im vorliegenden Fall hatte die beklagte INTER Versicherung die Verletzungen, welche das Gericht im Ergebnis mit insgesamt mindestens 30% bewertet hatte (mögliche weitere 10% offen gelassen, weil die 100% Invalidität bereits erreicht waren), in ihrer ursprünglichen Abrechnung gegenüber unserer Mandantin völlig außen vor gelassen, weil die von der INTER-Versicherung beauftragten Gutachter diesen Verletzungskomplex schlicht übersehen hatten und sich lediglich mit der Bewertung von orthopädisch handhabbaren Verletzungen (hier Gliedmaßen) befasst hatten, welche nach Gliedertaxe eingeschätzt werden konnten.


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