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OLG Hamm: Bemessung der Invalidität in der Privaten Unfallversicherung


Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Urteil vom 07.11.2001

 

Die Sparte der Privaten Unfallversicherungen wird von der Versicherungswirtschaft selbst als eine der gewinnträchtigsten Versicherungszweige bezeichnet. Wenn es jedoch darum geht, von Versicherten erlittene Unfälle korrekt zu regulieren, sprich die richtig ermittelten Invaliditätsentschädigungen auszuzahlen, steckt der „Teufel häufig im Detail“:

Das Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Urteil vom 07.11.2001 entschieden, dass die volle Invaliditätsentschädigung für die Funktionsuntüchtigkeit einer „Hand im Handgelenk“ bei vollständiger Einsteifung des Handgelenks auch dann zu zahlen ist, wenn Restfunktionen der Hand selbst erhalten geblieben sind.

Bei einem Unfall im Jahre 1996 hatte sich der 40-jährige Kläger u. a. eine komplexe Radiustrümmerfraktur links mit Gelenkflächenbeteiligung und Schädigung der Handwurzelknochen zugezogen. Wegen fortdauernder schmerzhafter Beschwerden des linken Handgelenks wurde am 9. 11. 1998 im Krankenhaus eine Versteifung des linken Handgelenks durchgeführt. Der Kläger klagt seit der Operation noch über Schmerzen im linken Handgelenk, die bis in den Ellenbogen hochziehen.

Die verklagte Unfallversicherung hatte ein Gutachten anfertigen lassen, welches die Verletzungen des Klägers an der Hand und im Handgelenk mit 2/5 Armwert berücksichtigte. Der Kläger bekam aufgrund dieser Berechung einen Betrag von DM 89.760,00 ausgezahlt.
Das Oberlandesgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung, welche die Auffassung der Versicherung bestätigte, aufgehoben und dem Kläger einen Betrag von insgesamt DM 216.480,00 zugesprochen.

Das Oberlandesgericht hat geurteilt, dass bei der Bemessung einer Handverletzung im Handgelenk nach der den Unfallversicherungsbedingungen zugrunde liegenden sog. Gliedertaxe nicht von einem Prozentsatz des Armwertes auszugehen ist (so die Versicherung und das erstinstanzliche Gericht), sondern vielmehr von dem in der Gliedertaxe festgelegten Wert für die Hand im Handgelenk.

Die Funktionsuntüchtigkeit des Armes wird im Rahmen der Gliedertaxe mit 70% der Invaliditätssumme bewertet. Das von der Versicherung eingeholte Gutachten, welches 2/5 Armwert festlegte, führte zu einer Bewertung von gerade einmal 28 %. Bei Funktionsuntüchtigkeit der Hand im Handgelenk dagegen legt die Gliedertaxe bereits 55% fest.
Berücksichtigt man dann die regelmäßig in Versicherungsverträgen vereinbarte Progressionsstaffel, so erklären sich die erheblichen Unterschiede im Zahlbetrag.

Die durch die Versicherung vorgenommene Bewertung i.H.v. 28% (2/5 Armwert), ergibt nach Einbeziehung der Progressionsstaffel einen Gesamtbetrag von 33% der vereinbarten Invaliditätsleistung, im vorliegenden Fall also 89.760 DM.
Die durch das Oberlandesgericht getroffene Einschätzung i.H.v. 55% führt nach Progressionsstaffel zu einem Betrag von 120% der vertraglichen Invaliditätsleistung, hier also DM 216.480 DM.

Das OLG Hamm folgte mit seinem Urteil der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der einen ähnlichen Fall mit Urteil vom 17.01.2001 ( IV ZR 32/00) zu entscheiden hatte. Durch die Entscheidung des BGH, Urteil vom 9.7.2003 (IV ZR 74/02), wurde das vorgestellte Urteil durch den Bundesgerichtsof nunmehr bestätigt und hat dazu geführt, daß die Mehrheit der Unfallversicherungen ihre Bedingungen geändert haben.

Von den Versicherungen wird diese, streng am Bedingungstext orientierte Rechtsprechung aus nicht fernliegenden Gründen scharf angegriffen und als „praxisfern“ bezeichnet. Das hier vorgestellte Urteil zeigt, dass es sich lohnt, die Regulierungsentscheidungen der Unfallversicherer überprüfen zu lassen.
Zu bedenken ist, dass die behandelnden Ärzte im Regelfall keine versicherungsmedizinisch geschulten Fachleute sind und die juristischen Fragen bei Auslegungen der Gliedertaxe weder kennen noch ansatzweise abschätzen können.

Jedoch greifen die Versicherer häufig und gern auf die aus Unkenntnis getroffenen Einschätzungen der die Versicherten behandelnden Ärzte zurück, weil diese zu einer weit geringeren Festlegung der prozentualen Invalidität kommen, als die Gliedertaxe tatsächlich vorsieht. Die Versicherten finden sich aus Unkenntnis meist mit der von der Versicherung gezahlten Entschädigung ab, da sie ja auf der Beurteilung des eigenen Arztes beruht.

Sinnvoll ist es immer, die Einschätzung des Versicherers zu überprüfen und ggf. mit dem beratenden Rechtsanwalt zu besprechen, ob es sich lohnt, gegen die Bewertung der Versicherung vorzugehen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass in einer Vielzahl der Fälle mit den Versicherern bereits außergerichtlich ein weitaus höherer als der zunächst festgelegte Invaliditätsentschädigungsbetrag ausgehandelt werden kann.

Wir betreuen unsere Mandanten u.a. in allen Fragen, die mit der Bewertung von Unfallfolgen durch Versicherer zusammenhängen. Unsere Kanzlei arbeitet dabei mit Medizinern und Ärzten zusammen, welche ausreichend Erfahrung als Gutachter mitbringen.

Bitte beachten Sie, sobald die Versicherung die Bewertung der Unfallfolgen vornimmt und einen Invaliditätsgrad festlegt, können Fristen zu laufen beginnen. Wenn die Invalidität nicht binnen einer Frist von 12 Monaten ärztlich festgestellt und binnen weiteren drei Monaten dem Versicherer bekannt gegeben worden ist, droht der vollständige Verlust des Anspruchs.

Bedenken Sie, daß ein Gutachter, den die Versicherung benennt, auch von der Versicherung bezahlt wird. Die Ergebnisse können insofern interessenbezogen sein. Durch die Versicherung benannte Gutachter kommen desöfteren zu dem Ergebnis, dass keine Invalidität vorliegt.
Darüber hinaus geht Ihnen wertvolle Zeit verloren.

Es ist deshalb, unabhängig vom Bestehen einer Rechtsschutzversicherung - in jedem Fall ratsam, die Folgen eines erlittenen Unfalls in Bezug auf den eigenen Unfallversicherungsvertrag mit einem im Unfallversicherungsrecht erfahrenen Rechtsanwalt zu besprechen. Die investierten Beratungskosten werden sich fast immer rentieren; häufig muß diese am Ende sogar die gegnerische Versicherung erstatten.

Zur Information stellen wir Ihnen einen Auszug aus den AUB 88, § 7 Abs. 2 (sog. Gliedertaxe) zur Verfügung. Diese ist in der hier dargestellten Form regelmäßig in den Bedingungen der privaten Unfallversicherung enthalten:

(2) Die Höhe der Leistung richtet sich nach dem Grad der Invalidität.
a) Als feste Invaliditätsgrade gelten - unter Ausschluß des Nachweises einer höheren oder geringeren Invalidität - bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit

eines Armes im Schultergelenk 70 Prozent
eines Armes bis oberhalb des Ellenbogengelenks 65 Prozent
eines Armes unterhalb des Ellenbogengelenks 60 Prozent
einer Hand im Handgelenk 55 Prozent
eines Daumens 20 Prozent
eines Zeigefingers 10 Prozent
eines anderen Fingers 5 Prozent
eines Beines über der Mitte des Oberschenkels 70 Prozent
eines Beines bis zur Mitte des Oberschenkels 60 Prozent
eines Beines bis unterhalb des Knies 50 Prozent
eines Beines bis zur Mitte des Unterschenkels 45 Prozent
eines Fußes im Fußgelenk 40 Prozent
einer großen Zehe 5 Prozent
einer anderen Zehe 2 Prozent
eines Auges 50 Prozent
des Gehörs auf einem Ohr 30 Prozent
des Geruchs 10 Prozent
des Geschmacks 5 Prozent

b) Bei Teilverlust oder Funktionsbeeinträchtigung eines dieser Körperteile oder Sinnesorgane wird der entsprechende Teil des Prozentsatzes nach a) angenommen.
c) Werden durch den Unfall Körperteile oder Sinnesorgane betroffen, deren Verlust oder Funktionsunfähigkeit nicht nach a) oder b) geregelt sind, so ist für diese maßgebend, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit unter ausschließlicher Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunkte beeinträchtigt ist.
d) Sind durch den Unfall mehrere körperliche oder geistige Funktionen beeinträchtigt, so werden die Invaliditätsgrade, die sich nach (2) ergeben, zusammengerechnet. Mehr als 100 Prozent werden jedoch nicht angenommen.

Verfahren:

Sollten Sie unsere Kanzlei mit der Prüfung Ihres Sachverhaltes mandatieren wollen, kontaktieren Sie uns bitte innerhalb der Fristen umgehend telefonisch oder per Email.

In einem ersten Telefonat mit dem zuständigen Anwalt können dann die wesentlichen Fragen zum Fall vorbesprochen und ggf. ein Beratungstermin vereinbart werden.

Wir arbeiten bundesweit und sind für den Fall, dass Sie nicht in Berlin und Umgebung wohnen, in der Lage innerhalb kürzester Zeit zu reagieren und den Sachverhalt mit Ihnen zunächst telefonisch vorzubesprechen.

Die Kosten des Verfahrens und natürlich auch die der Vertretung im Termin übernimmt im Regelfall Ihre Rechtsschutzversicherung, so diese vorhanden ist. Wir arbeiten mit allen Rechtsschutzversicherern zusammen und übernehmen selbstverständlich für Sie die Deckungsanfrage und die Abrechnung.

Bitte beachten Sie, dass Sie nach den Rechtsschutzversicherungsbedingungen die freie Anwaltswahl haben und Rechtsschutzversicherungen Ihnen nur Empfehlungen aussprechen dürfen. Diese Empfehlungen orientieren sich erfahrungsgemäß meist nicht an der Qualität der Kollegen, sondern daran, ob diese Kollegen bereit sind, im Rahmen von Gebührenvereinbarungen mit den Rechtsschutzversicherern unterhalb Regelgebühren abzurechnen. Dies nützt der Rechtsschutzversicherung, aber nicht Ihnen!

Für den Fall, dass Sie nicht rechtsschutzversichert sind, gleichwohl aber anwaltliche Vertretung oder Beratung wünschen, sprechen Sie uns gern an. Wir klären vorab mit Ihnen, welche Verfahrensschritte wir zunächst für sinnvoll halten und welche Gebühren für Sie durch unsere Tätigkeit im jeweiligen Verfahrensabschnitt entstehen, so dass auf beiden Seiten Kostensicherheit besteht.



Ansprechpartner Dez. Unfallversicherung:

Rechtsanwalt Dr. iur. Jörg Büchner

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Fachanwalt für Medizinrecht

Budapester Str. 43

10787 Berlin

 

Tel.:      030/ 40 20 33 90

Fax:      030/ 23 00 42 30

EMail:   info@ra-buechner.de



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