BGH: Zeitlich unbegrenzter Schadensersatzanspruch des Handelsvertreters
Handelsvertretervertrag: Zeitlich unbegrenzter Schadensersatzanspruch des Handelsvertreters bei durch die Versicherungsgesellschaft schuldhaft veranlasster fristloser Kündigung; vgl. BGH 8. Zivilsenat, VIII ZR 151/05.
Der Schadensersatzanspruch gemäß § 89 a Abs. 2 HGB wegen einer seitens der Versicherungsgesellschaft schuldhaft veranlassten fristlosen Kündigung ist jedenfalls dann nicht zeitlich begrenzt, wenn die Versicherungsgesellschaft auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung des unbefristeten Handelsvertretervertrages zuvor vertraglich verzichtet hat.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Handelsvertreter (weiteren) Schadensersatz für drei Jahre sowie zugleich die Feststellung des Gerichts, dass die Versicherungsgesellschaft verpflichtet ist, darüber hinaus dem Handelsvertreter auch alle zukünftigen materiellen Schäden zu ersetzen, welche ihm durch die von der Gesellschaft schuldhaft verursachte fristlose Kündigung zukünftig noch entstehen werden.
Ein Anspruch des Handelsvertreters auf weiteren Schadensersatz aus § 89a Abs. 2 HGB, kann, so der BGH, hier nicht mit der Begründung, eine zeitliche Begrenzung sei im Rahmen der vergleichbaren Regelung des § 628 Abs. 2 BGB anerkannt, verneint werden. Eine starre zeitliche Begrenzung des Schadensersatzanspruchs ist im konkreten Fall wegen des vertraglichen Ausschlusses des Rechts der Versicherungsgesellschaft zur ordentlichen Kündigung des Handelsvertreters nicht zulässig.
Daher unterliegt der Schadensersatzanspruch des Handelsvertreters hier keiner zeitlichen
Beschränkung, weil die Versicherungsgesellschaft vertraglich auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung des Handelsvertretervertrags verzichtet hat. Sie hätte also - jenseits ihres Rechts zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund - keine Möglichkeit mehr gehabt, das Vertragsverhältnis gegen den Willen des Handelsvertreters (einseitig) zu beenden und auf diese Weise die dem Handelsvertreter daraus erwachsenden Vermögensvorteile zeitlich zu begrenzen.
Anmerkung von Rechtsanwalt Wegner, Fachanwalt für Versicherungsrecht:
Der BGH hatte hier einen Fall zu entscheiden, in welchem die außerordentliche Kündigung des Handelsvertreters von der Versicherungsgesellschaft verschuldet worden war. Die Besonderheit des Falles lag darin, dass ein ordentliches Kündigungsrecht der Versicherungsgesellschaft zu diesem Zeitpunkt vertraglich bereits ausgeschlossen war, sich die Gesellschaft also nicht mehr einseitig vom Vertrag hätte lösen können. Der Schadensersatzanspruch aus § 89a Abs. 2 HGB soll es dem kündigenden Handelsvertreter grundsätzlich ermöglichen, ein unzumutbar gewordenes Vertragsverhältnis zu kündigen und dafür angemessen wirtschaftlich entschädigt zu werden. Der Anspruch ist grundsätzlich zeitlich zu begrenzen. Entscheidend für eine zeitliche Begrenzung des Schadensersatzanspruchs ist jedoch normalerweise der Umstand, dass der Kündigende Teil (hier der Handelsvertreter) Vermögensvorteile aus seinem Vertragsverhältnis nur bis zu dem Zeitpunkt ernstlich erwarten kann, zu dem sich die Versicherungsgesellschaft durch eine ordentliche Kündigung von dem Vertrag hätte lösen können. Deshalb kann eine derartige Befristung – folgerichtig - dann nicht angemessen sein, wenn sich die Versicherungsgesellschaft, wie vorliegend, der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Handelsvertreters zuvor vertraglich selbst „beraubt“ hat.