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BGH: Verletzung durch Aufprall auf den Boden bei einem Sturz auf der Skipiste ist Unfall i.S. der AUB

Urteil BGH 06.07.2011

Verletzt sich der Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung bei einem Sturz dadurch, dass er auf den Boden prallt, liegt darin ein von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis. Insoweit ist nur das Geschehen in den Blick zu nehmen, das die Gesundheitsbeschädigung unmittelbar herbeiführt

Tatbestand

Der Kläger fordert weitere Invaliditätsleistungen aus zwei bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherungen wegen einer Schulterverletzung, die er sich am 3. März 2000 beim Skifahren zugezogen hat. Vorgerichtlich hat die Beklagte unter Zugrundelegung einer Invalidität von 4/10 Armwert (das entspricht einer Gesamtinvalidität von 28% und einem progressiven Invaliditätsgrad von 37%) i.H.v. 12.864,10 € erbracht.

Nach der Behauptung des Klägers hat sich bei ihm eine bereits vorhandene Vorschädigung der Rotatorenmanschette verschlimmert, als er nach einer gefährlichen Annäherung eines anderen Skifahrers bei dem Vorfall vom 3. März 2000 zu Fall kam und auf die linke Schulter stürzte. Der linke Arm sei seither zu 50% invalide (Gesamtinvalidität demnach 35%).

Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in VersR 2009, 1252 veröffentlicht ist, hat angenommen, die Klage scheitere schon daran, dass kein Versicherungsfall vorliege; einen bedingungsgemäßen Unfall habe der Kläger nicht bewiesen. Grundsätzlich müsse dafür die Außenwelt, mithin Personen oder Sachen, in Form eines Zusammenstoßes auf den Körper des Versicherten einwirken. Eigenbewegungen, welche zu einer Gesundheitsbeschädigung führten, könnten demgegenüber nur dann als Unfall angesehen werden, wenn die entscheidende Ursache der Verletzung von einem irregulären Zustand der Außenwelt, etwa besonderen Hindernissen, Bodenunebenheiten oder einer besonderen Bodenbeschaffenheit herrühre. Beruhe die Verletzung hingegen lediglich auf einer ungeschickten Eigenbewegung, ohne dass ein solches äußeres Ereignis mitwirke, liege kein bedingungsgemäßer Unfall vor.

Nach diesen Maßstäben habe der Kläger den Beweis für einen bedingungsgemäßen Unfall nicht erbracht. Zwar habe er behauptet, beim Befahren eines steilen Hanges habe sich ein von rechts kommender Skifahrer derart angenähert, dass es zu einer Kollision gekommen wäre, wenn er, der Kläger, nicht nach links ausgewichen wäre, wobei er sodann in einen Schneehaufen gefahren und gestürzt sei. Das stellte aber nur dann einen bedingungsgemäßen Unfall dar, wenn zu der Eigenbewegung des Ausweichens als äußere Einwirkung noch die Schneewehe als Ursache des Sturzes hinzugetreten wäre. Einen solchen Geschehensablauf habe die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Auch eine bewusste Ausweichbewegung des Klägers, die das äußere Schadenereignis psychisch hätte vermitteln können, sei nicht bewiesen.

Nach allem könne offen bleiben, ob die Invalidität des Klägers rechtzeitig ärztlich festgestellt worden sei, welchen Grad sie unter Berücksichtigung der Vorschädigung erreiche und ob der Kläger den Versicherungsfall rechtzeitig angezeigt habe.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Unter Zugrundelegung seines Vorbringens hat der Kläger einen bedingungsgemäßen Unfall erlitten. Das Berufungsgericht hat nicht bedacht, dass die Schulterverletzung erst infolge des Sturzes beim linksseitigen Aufprall des Klägers auf die Skipiste eingetreten ist und deshalb ein Zusammenprall des Körpers mit dem Boden unmittelbare Ursache der Gesundheitsbeschädigung war.

Nach den hier vereinbarten Unfallversicherungsbedingungen und auch der gesetzlichen Definition in § 178 Abs. 2 VVG liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis eine unfreiwillige Gesundheitsbeschädigung erleidet. Dafür, dass der Sturz hier nicht plötzlich geschehen oder der Kläger freiwillig zu Schaden gekommen wäre, ist nichts ersichtlich.

Für die Frage, ob die Einwirkung "von außen" erfolgt, ist allein das Ereignis in den Blick zu nehmen, das die Gesundheitsbeschädigung unmittelbar herbeiführt. Nicht entscheidend sind demgegenüber die Ursachen, auf denen dieses Ereignis seinerseits beruht. Jedenfalls dann, wenn - wie hier - eine Verletzung erst als unmittelbare Folge eines Aufpralls des Körpers auf einen anderen Gegenstand - hier die Skipiste - eintritt, liegt darin der von den Bedingungen vorausgesetzte, schadensursächliche Kontakt des Körpers des Versicherten zur Außenwelt und deshalb ein von außen wirkendes Ereignis vor. Es macht insoweit keinen Unterschied, ob der Körper des Versicherten mit einer beweglichen oder unbeweglichen Sache kollidiert.

Ob auch eine Eigenbewegung des Versicherten im Zusammenspiel mit äußeren Einflüssen als ein von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis im Sinne dieses Unfallbegriffs angesehen werden kann ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nur zu prüfen, wenn schon diese Eigenbewegung - und nicht erst eine durch sie verursachte Kollision - zur Gesundheitsbeschädigung führt. So lag der Senatsentscheidung vom 28. Januar 2009 (IV ZR 6/08, r+s 2009, 161 Rn. 11) ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der Versicherte sich nach einem Fehltritt noch im Fallen infolge einer Drehbewegung unter der von ihm mitgeführten 40 kg schweren Last eine Verletzung der Wirbelsäule zugezogen hatte.

Anmerkung Rechtsanwalt Dr.  Büchner:

Das Urteil befasst sich mit einem in der Praxis von privaten Unfallversicherungen immer wieder bemühten Argument, mit dem Unfallgeschädigten die Invaliditätsentschädigung vorenthalten werden soll. Dem Versicherungsnehmer, der – wie bei einer Sportverletzung regelmäßig der Fall – das Unfallereignis aus einem vorher geplanten Bewegungsablauf heraus erlitten hat, unterstellt man, es liege kein versichertes Unfallereignis vor, da dieses nicht – wie die Definition es scheinbar erfordert – weder durch „Einwirkung von außen“ und auch nicht „plötzlich“ bzw. „unfreiwillig“ erfolgt sei.

 

Noch das Berufungsgericht (OLG Celle) hatte entschieden, dass es sich bei dem Unfallgeschehen letztlich um eine nicht versicherte „Eigenbewegung“ gehandelt habe, die nur dann als Unfall angesehen hätte werden können, wenn die entscheidende Ursache der Verletzung von einem irregulären Zustand der Außenwelt, etwa besonderen Hindernissen, Bodenunebenheiten oder einer besonderen Bodenbeschaffenheit herrühre. Beruhe die Verletzung hingegen lediglich auf einer ungeschickten Eigenbewegung, ohne dass ein solches äußeres Ereignis mitwirke, liege kein bedingungsgemäßer Unfall vor.

Der Bundesgerichtshof hatte diese Entscheidung zu kassieren und seine ständige Rechtsprechung zur Anwendung zu bringen, wonach dann, wenn - wie hier - eine Verletzung erst als unmittelbare Folge eines Aufpralls des Körpers auf einen anderen Gegenstand - hier die Skipiste - eintritt, darin der von den Bedingungen vorausgesetzte, schadensursächliche Kontakt des Körpers des Versicherten zur Außenwelt und deshalb ein von außen wirkendes Ereignis vorliegt. Es macht insoweit keinen Unterschied, ob der Körper des Versicherten mit einer beweglichen oder unbeweglichen Sache kollidiert.


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