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LG Berlin: (Beklagte – Alte Leipziger Lebensversicherung) Gerichtlicher Gutachter bestätigt vollständige Berufsunfähigkeit wegen anhaltender ängstlich-depressiver Störung (ICD-10 F34.) und chronischer Schmerzstörung (ICD-10 F 45.41)

Unsere Mandantin hatte am 13.03.2009 bei der Alten Leipziger Lebensversicherung einen Antrag auf Leistungen aus ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung gestellt.  Die Alte Leipziger holte im Antragsverfahren zunächst bei der behandelnden Neurologin einen ärztlichen Bericht ein, in dem ihre 100%ige Berufsunfähigkeit bestätigt wurde. Die behandelnde Psychotherapeutin bescheinigte in ebenfalls eine aufgehobene berufliche Belastbarkeit aufgrund einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung mit Depression und Somatisierung. Die Alte Leipziger gab jedoch kein Leistungsanerkenntnis ab, auch nicht, nachdem ihr das nervenärztliche Gutachten vom 02.06.2009 und der darauf gründende Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung vom 06.07.2009 zur Verfügung gestellt wurde. Stattdessen behauptete sie ohne Angabe von Gründen, es sei zur Zeit nicht möglich, zu beurteilen, ob Berufsunfähigkeit vorliege und gab stattdessen ein ärztliches Gutachten bei Herrn Dr. med. Detmar Trostdorf, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums am Urban, Berlin in Auftrag. Nachdem unsere Mandantin ihr Unverständnis für eine erneute Begutachtung zum Ausdruck gebracht hatte, behauptete die Alte Leipziger, aus den bisher vorliegenden Unterlagen würden zum Teil unterschiedliche Aussagen hervorgehen, was die Einholung eines Gutachtens zur Berufsunfähigkeit erforderlich mache. Um welche angeblichen unterschiedlichen Aussagen es sich dabei handelt, teilte die Beklagte jedoch nicht mit.

 

Mit Schreiben vom 11.09.2009 legte die Mandantin  noch einmal dar, warum aus ihrer Sicht eine erneute Begutachtung nicht erforderlich und ihr auch nicht zumutbar sei. Hierauf reagierte der Leistungssachbearbeiter erst vier Wochen später und behauptete, zwischen dem Bericht der Reha-Klinik, dem MdK-Gutachten und dem Gutachten der Deutschen Rentenversicherung Bund würden sich „Widersprüche“ ergeben, die sich anhand der vorliegenden Unterlagen nicht aufklären ließen. Um welche angeblichen Widersprüche es sich dabei handelt und warum sich diese nicht aufklären lassen, teilte die Alte Leipziger unserer Mandantin jedoch erneut nicht mit. Stattdessen bot sie eine Leistungsvereinbarung an, wonach sie sich für den Zeitraum vom 01.01.2008 befristet bis zum 31.12.2009 ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht bereit erklärte, die vertragliche BU-Rente zu erbringen. Unsere Mandantin ließ sich – zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertreten - und  verunsichert durch die von der Alten Leipziger  behaupteten angeblich „nicht auflösbaren Widersprüche“ zwischen den einzelnen Gutachten auf die befristete Leistungsvereinbarung ein, zumal sie auch keine Nachteile für sich aus einer solchen Vereinbarung erkennen konnte.

Nunmehr beauftragte die Alte Leipziger eine Kollegin von Herrn Dr. Trostdorf am Vivantes Klinikum am Urban in Berlin mit der Erstellung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens. Das Gutachten der Frau Dr. Hußmann vom 15.10.2009 kam schließlich zu dem erwarteten Ergebnis, dass bei unserer Mandantin überhaupt keine Berufsunfähigkeit vorläge.

Zwar räumte die Gutachterin ein, dass bei unserer Mandantin eine „Depressive Symptomatik“ vorläge. Diese sei jedoch nur zum Teil „objektivierbar“. Es sei der Eindruck entstanden, dass die Probandin ihre Beschwerden „ .. subjektiv viel stärker empfindet als diese objektiv zu bewerten sind“. „Bei zumutbarer Willensanstrengung“ sei es ihr möglich, die berufsbehindernden Ausfallerscheinungen aus eigener Kraft zu überwinden. Die Probandin könne sämtliche Tätigkeiten in ihrem Beruf als Ergotherapeutin zu 100% ausführen.

Am 02.11.2009 gab die Alte Leipziger auf der Grundlage des von ihr beauftragten und bezahlten psychiatrischen Gutachtens die Ablehnung weiterer Rentenzahlung über den 31.12.2009 hinaus bekannt.

Nachdem wir uns für die Mandantin gegenüber der Alten Leipziger anwaltliche Vertretung angezeigt hatten, zeigte diese gleichwohl keine Bereitschaft, ihre Auffassung zu ändern und teilte vielmehr mit, dass man „eine unabhängige Stelle“ mit der Einschätzung der Leistungsfähigkeit beauftragt habe, welche überdies vom ärztlichen Dienst der Versicherung bestätigt worden sei. Frau Dr. Petra Hußmann habe als Oberärztin der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Klinikums am Urban in Berlin die nötige Kompetenz, um eine Beurteilung der Berufsunfähigkeit unserer Mandantin vornehmen zu können. Insofern habe man keine Möglichkeit, die getroffene Leistungsentscheidung zu  ändern, sei aber bereit, diese erneut zu „prüfen“, sofern von unserer Mandantin ein „Gegengutachten“ eingereicht würde, welches von einer „Anerkannten Kapazität (mindestens Oberarzt einer klinischen Einrichtung)“ erstellt würde. Diesem Vorschlag sind wir nicht gefolgt und haben stattdessen am 27.10.2010 Klage erhoben.

Das Landgericht Berlin beauftragte schließlich mit Beschluss vom 28.07.2011 von Amts wegen den Psychiater  Dr. Hubert Becker mit der erneuten Begutachtung unserer Mandantin. Diese legte am 06.10.2012 sein Gutachten vor, in dem er zu dem Ergebnis kam, dass unsere Mandantin zu 100% berufsunfähig ist.

Angesichts der entstanden prozessualen Situation und um ein stattgebendes Urteil zu vermeiden, erklärte sich die Alte Leipziger bereit, den BU-Vertrag gegen Zahlung einer Summe i.H.v. € 70.000,00 abzufinden. Dieses Angebot nahm unsere Mandantin in der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2014 an.

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Büchner, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Medizinrecht:

Der hier vorgestellte Sachverhalt ist durchaus typisch für die Leistungsprüfung einer Berufsunfähigkeitsversicherung im Bereich der psychischen Erkrankungen, bei denen es in der Natur der Sache liegt, dass keine „harten Diagnosen“ – wie z.B. eine Amputation oder eine Krebserkrankung mit negativer Prognose – vorliegen. Gleichwohl haben sich fast alle privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen entschieden, psychische Erkrankungen zu versichern, tun sich im Leistungsfall mit der Anerkennung aber sehr schwer.

Wir haben einmal mehr gesehen, dass sich die Berufsunfähigkeitsversicherung von einem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung über eine volle Erwerbsminderung nicht hat beeindrucken lassen, wohl wissend, dass die Leistungsvoraussetzungen dort sogar noch wesentlich enger sind. Der Alten Leipziger wurde das von der Rentenversicherung eingeholte Gutachten vorgelegt, welches eine 100%ige Aufhebung jeglichen des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (und nicht etwa im Beruf der Ergotherapeutin) feststellte.

Das von der Alten Leipziger in Auftrag gegebene und bezahlte Gutachten einer „anerkannten Kapazität“ stellte hingegen eine 100%ige Leistungsfähigkeit im Beruf der Ergotherapeutin fest und bezeichnete die Schilderungen unserer Mandantin als "nicht objektivierbar"  – krasser können die Unterschiede nicht sein! Insofern war das gerichtliche Gutachten mit Spannung erwartet worden, welches ebenfalls zu einer 100%igen Berufsunfähigkeit gelangte und insofern unseren Vortrag und die von unserer Mandantin beigebrachten Vorgutachten eindrucksvoll bestätigte.  

Im Ergebnis können wir Versicherungsnehmern, die in einer ähnlichen Situation sind, nur dringend raten, nach einer ablehnenden Leistungsentscheidung nicht aufzugeben und sich von Einschätzungen angeblicher „Kapazitäten“ – welche von der Versicherung beauftragt wurden - nicht beeindrucken zu lassen. Im hier vorliegenden Fall war uns durchaus bekannt, dass die Alte Leipziger bereits seit vielen Jahren regelmäßig Gutachtenaufträge an das Klinikum am Urban vergibt, so dass man Vermutungen anstellen darf, warum die Einschätzung der Gutachterin zu 100% „daneben“ lag!

Kontaktieren Sie uns und nehmen Sie unser  Angebot einer kostenlosen Ersteinschätzung  wahr!


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