Sächsisches LSG: § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII regelt keine zwingende „Aussteuerung“ nach Ablauf der 78. Woche und damit kein automatisches Ende von Verletztengeldzahlungen
Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 14.05.2004
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 27. Juni 2001 wird zurückgewiesen. II. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Verletztengeld über den 23.09.1999 hinaus.
Der am ...1962 geborene Kläger erlernte von 1979 bis 1981 den Beruf des Malers und war danach bis 1986 als Maler beschäftigt. Von 1986 bis 11/88 war er als Hausmeister tätig und von 12/88 bis 03/97 als Betriebshandwerker bei der L ...M ... GmbH, wobei er ab 11/93 nach seinen Angaben in der Leitzentrale des Betriebes arbeitete und hierbei überwiegend sitzend tätig war. Danach arbeitete der Kläger nach seinen Angaben lediglich noch in der Zeit von März 2003 bis August 2003 in einem Umfang von 8 Stunden wöchentlich. In dieser Zeit habe er Bürotätigkeiten in einer Reinigungsfirma ausgeführt.
An 15.12.1984 erlitt er bei einer organisierten sportlichen Betätigung einen Unfall, bei dem er sich eine Ruptur des linken vorderen Kreuzbandes zuzog, aufgrund dessen er bereits von der Verwaltung der Sozialversicherung der DDR eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. erhielt.
Ein weiterer Unfall ereignete sich am 23.09.1991, als sich der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine Distorsion des linken Kniegelenkes zuzog (Unfallanzeige vom 24.09.2001), aufgrund derer er bis zum 01.03.1992 arbeitsunfähig erkrankt war.
Am 11.11.1994 erfolgte während der Arbeit ein erneutes Verdrehtrauma des linken Kniegelenkes.
Der Vorgang wurde zunächst von der Verwaltungs-BG bearbeitet und dann mit Schreiben vom 09.11.1992 an die Beklagte abgegeben. In diesem Schreiben wird ausgeführt, dass die Zuständigkeit der Beklagten für gegeben angesehen werde, da es sich um einen Unfall nach § 1 der Erweiterungsverordnung handele; ferner wurde auf den weiteren Unfall vom 23.09.1991 hingewiesen. Derzeit werde geprüft, ob es sich insoweit um einen Folgeunfall oder einen eigenständigen Unfall handele. Der Kläger beziehe seit 01.01.1991 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H.
In einem Gutachten vom 16.03.1993 führte der Facharzt für Orthopädie W1 ... aus, dass der Unfall vom 23.09.1991 keine Folgen hinterlassen habe. Der derzeit bestehende Zustand des linken Kniegelenkes sei allein Folge des Unfalles vom 15.12.1984. Die MdE werde auf 30 v. H. geschätzt.
Der Kläger war ab dem 06.03.1995 wegen Beschwerden im Bereich des linken Knies arbeitsunfähig erkrankt und bezog Verletztengeld.
Am 01.05.1996 erstellten Prof. Dr. O1 ... und Dr. R1 ... ein Gutachten, in dem sie darauf hinwiesen, dass der Kläger nur noch überwiegend sitzende Tätigkeiten ausüben könne. Große Belastungen seien mit dem erkrankten linken Knie nicht mehr möglich. Sämtliche Zeiten der Arbeitsunfähigkeit könnten auf den Unfall von 1984 zurückgeführt werden.
Vom 27.09.1996 bis zum 25.10.1996 befand sich der Kläger zur medizinischen Rehabilitation in der Klinik B ... in K ... Ausweislich des Entlassungsberichtes vom 05.11.1996 war der Kläger bei der Entlassung nicht schmerzfrei und wurde arbeitsunfähig entlassen. Über die Arbeitsfähigkeit solle in ca. drei bis vier Wochen mit entsprechenden Einschränkungen (keine Zwangshaltungen, keine Arbeiten auf Gerüsten und Leitern, kein ständiges Treppab- und Treppaufwärtsgehen, keine Arbeiten in der Hocke) positiv entschieden werden.
Im September und Oktober 1997 wurde der Kläger u. a. wegen einer Kniegelenksvereiterung mehrfach operativ behandelt.
Am 24.08.1998 gab der behandelnde Arzt weiterin bestehende Arbeitsunfähigkeit an. Der Zustand und die Belastbarkeit des linken Kniegelenkes hätten sich nicht gebessert. Es werde eine erneute stationäre Behandlung vorgeschlagen.
Am 28.10.1998 erstellte der Chirurg/Unfallchirurg und Oberarzt Dr. S1 ... ein Gutachten, in dem er ausführte, dass die Auswertung aller Unterlagen eindeutig ergebe, dass seit 1984 durchgehend eine vordere Kniebandinstabilität bestehe. Seit 1985 und zunehmend seit der Kniegelenksvereiterung 1997 habe sich darüber hinaus eine Verschleißerkrankung im linken Kniegelenk entwickelt. Seit 1984 bestehe durchgehend eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit, wobei die Höhe der MdE von 1984 bis zum 02.10.1997 mit 20 v. H. eingestuft werden müsse und ab Oktober 1997, nach dem Auftreten der Kniegelenksvereiterung, mit 30 v. H. Überwiegend stehende Tätigkeiten wie die des Malers seien nicht mehr ausführbar. Eine Umschulung sei kaum zu umgehen. Solange keine überwiegend sitzende Tätigkeit gefunden werde, bestehe Berufsunfähigkeit. Für die Vergangenheit bestehe Arbeitsunfähigkeit, weil entsprechende sitzende Tätigkeiten bisher nie zugewiesen worden seien. Mit einer allmählichen Befundverschlechterung sei zu rechnen. Anlässlich der röntgenologischen Diagnostik fand der Gutachter eine Knochenzyste im Bereich des rechten Schenkelhalses. Diese sei unfallunabhängig entstanden.
Auf Veranlassung der Beklagten sollte der Kläger daraufhin vom 04.01.1999 bis 15.01.1999 eine Berufsfindungsmaßnahme absolvieren. Das Berufsförderwerk L ... teilte der Beklagten mit Schreiben vom 05.01.1999 mit, dass der Kläger seit 05.01.1999 von der Maßnahme krankheitsbedingt abwesend sei.
Mit Schreiben vom 21.01.1999 an den Kläger wies die Beklagte zunächst darauf hin, dass dieser der Aufforderung, eine aktuelle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, bisher nicht nachgekommen sei. Da im Berufsförderwerk L ... kurzfistig kein Platz in einer Berufsfindungsmaßnahme frei sei, sei der Kläger zum 08.02.1999 im Berufsförderwerk W ... in Ganderkesee angemeldet worden. Es werde gebeten, bis zum 31.01.1999 die Teilnahme schriftlich zu erklären, da anderenfalls der Leistungsabteilung empfohlen werde, die Verletztengeldzahlung einzustellen.
Am 01.02.1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die AOK L ... gebeten worden sei, die Verletztengeldzahlung zunächst einzustellen.
Ausweislich einer Telefonnotiz in der Akte der Beklagte vom 02.02.1999 erklärte der Kläger, dass er wegen einer schmerzhaften Zyste in der rechten Hüfte nicht längere Zeit sitzen könne. Dr. K1 ... habe ihm deshalb ein Attest ausgestellt und der ärztliche Dienst im Berufsförderwerk L ... habe ihn begutachtet und ebenfalls arbeitsunfähig für die Berufsfindungsmaßnahme befunden.
Auf eine Anfrage der Beklagten erklärte der Praktische Arzt und Sportmediziner Dr. K1 ... am 08.02.1999 daraufhin, dass der Kläer seit 05.01.1999 aufgrund einer Zyste an der rechen Hüfte arbeitsunfähig sei. Die Hüftbeschwerden seien auf die Erkrankung bzw. Verletzungsfolge des linken Kniegelenkes zurückzuführen. Durch die Berufsförderungsmaßnahme am 04.01.1999 sei es durch eine ganztägige Belastung des Bewegungsapparates zur akuten Verschlimmerung der Hüftbeschwerden rechs mit Abbruch der Maßnahme sowie Therapie mit starken Analgetika und Antiphlogestika gekommen.
Am 15.02.1999 teilte der Ärztliche Dienst des Berufsförderwerkes L ... mit, dass der Kläger einen Tag nach Beginn der geplanten Berufsfindung/Arbeitserprobung (04.01.1999 bis 15.01.1999) ein Attest des behandelnden Arztes abgegeben habe. Unter der angegebenen hohen Dosierung des starken Schmerzmittelt Katadolon sei davon auszugehen gewesen, dass der Kläger den Testanforderungen nicht habe genügen können.
Mit Schreiben vom 18.02.1999 wies die Beklagte die AOK L ... an, Verletztengeld ab dem 02.02.1999 bzw. dem Tag nach Einstellung des Verletztengeldes in bisheriger Höhe auszubezahlen. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nunmehr nachgekommen. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tage wurde der Kläger gebeten, sich umgehend bei der Beklagten zu melden, wenn absehbar werde, dass er für die Teilnahme an einer Berufsfindungsmaßnahme geeignet sei.
Am 14.06.1999 erstellten Prof. Dr. von S2 .../Dr. V1 ... für die Beklagte ein Gutachten, in dem erneut festgestellt wurde, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, seine Tätigkeit als Maler auszuüben. Eine berufliche Rehabilitation könne aus medizinischer Sicht befürwortet werden. Eine Berufsfindungsmaßnahme solle sobald wie möglich eingeleitet werden. Der Knochenzyste stehe nicht im Zusammenhang mit der Erkrankung des linken Kniegelenkes, ihr komme kein Krankheitswert zu. Die zeitweise auftretende Beschwerdesymptomatik im Bereich des rechten Beckenkammes und des rechten Hüftgelenkes sei als muskuläre Ansatzsehnenreizung zu werten und stehe ebenfalls nicht im Zusammenhang mit der Funktionsstörung des linken Kniegelenkes.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine erneute Berufsfindungsmaßnahme beim Berufsförderwerk W ..., die am 20.09.1999 begann. Am 23.09.1999 fand zwischen dem Kläger, einem Vertreter des Berufsförderwerkes W ... und zwei Vertretern der Beklagten ein Teamgespräch statt, bei dem der Kläger ausweislich der Niederschrift vom 27.09.1999 erklärte, er sei aufgrund einer Bandscheibenerkrankung derart in seiner Merk- und Konzentrationsfähigkeit beim Lernen gestört, dass er sich nicht in der Lage sehe, die Berufsfindungmaßnahme zu Ende zu führen. Seine Leistungsfähigkeit sei so erheblich durch die Schmerzen eingeschränkt, dass er befürchte, in der Maßnahme nicht objektv nach seinen tatsächlichen Fähigkeiten beurteilt zu werden. Er wolle deshalb die Maßnahme abbrechen und zunächst sein Rückenleiden auskurieren. Seitens der Beklagten wurde für den Fall des Abbruchs der Maßnahme die Einstellung des Verletztengeldes angekündigt, da derzeit keine Umschulungsfähigkeit bestehe.
Dr. M1 ..., Leiter des Ärztlichen Dienstes des Berufsförderungswerkes W ... diagnostizierte am 23.09.1999 eine deutlich eingeschränkte Belastbarkeit des linken Kniegelenks, eine eingeschränkte Belastbarkeit der LWS und einen Verdacht auf ein somatoformes Syndrom. Der Kläger habe seit ca. 1 1/2 Jahren bestehende erhebliche Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule angegeben. Der Wunsch, wegen seiner Beschwerden nach Hause geschickt zu werden, werde deutlich, wobei die Entscheidung anderen überlassen werden solle.
Nachdem der Kläger die Maßnahme nach dem 23.09.1999 nicht fortgesetzt hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12.09.1999 das seit 06.03.1995 gewährte Verletztengeld zum 23.09.1999 ein. Verletztengeld werde gemäß § 46 SGB VII gewährt, wenn die Aussicht und Bereichtschaft bestünden, eine berufliche Rehabilitation mit anschließender Wiederaufnahme einer Tätigkeit zu erreichen.
Der Kläger legte Widerspruch gegen den Bescheid ein und führte zur Begründung aus, er sei durch starke Schmerzen im Rückenbereich und erhebliche Schmerzen im Knie eingeschränkt gewesen. Er sei trotzdem am 19.09.1999 im Berufsförderungswerk W ... angereist; leider sei es ihm jedoch nicht möglich gewesen, die Maßnahme fortzusetzen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2000 zurückgewiesen. Zur Überzeugung des Widerspruchsausschusses stehe fest, dass mit dem Widereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei, weil sich der Kläger aufgrund von unfallunabhängigen Erkrankungen nicht in der Lage sehe, an einer Berufsfindungsmaßnahme teilzunehmen.
Hiergegen hat der Kläer am 07.03.2000 Klage vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben. Das SG hat im Rahmen seiner Ermittlungen insbesondere ein von Prof. Dr. D1 ... in einem Rentenverfahren des Klägers erstelltes Gutachten vom 23.03.2000 beigezogen, in dem der Kläger als vollschichtig einsatzfähig für leichte körperliche Tätigkeiten bevorzugt im Sitzen eingeschätzt worden ist. Das lumbale vertebragene lokale bis pseudoradikuläre Schmerzsyndrom erlaube kein häufiges Bücken; Heben und Tragen von Lasten größer als 5 kg sei sowohl wegen der Kniegelenkssymptomatik als auch wegen der Lendenwirbelsäulenbeschwerden ungünstig.
Das SG hat mit Urteil vom 27.06.2001 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte zur Gewährung von Verletztengeld über den 23.09.1999 hinaus verurteilt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger im Bereich der bisher ausgeübten Tätigkeiten arbeitsunfähig gewesen sei. Wegen der grundsätzlich bestehenden Arbeitsfähigkeit sei jedoch mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen gewesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 16.07.2001 zugestellte Urteil am 25.07.2001 Berufung eingelegt und zur Begründung insbesondere ausgeführt, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im erlernten Beruf oder einer ähnlichen Tätigkeit nicht habe gerechnet werden können. Der Kläger habe im Teamgespräch vom 23.09.1999 akzeptiert, dass eine Verhalten eine Einstellung des Verletztengeldes zur Folge habe. Zudem habe er, obwohl er mehrfach dazu aufgefordert worden sei, sich mit ihr nicht mehr zwecks Durchführung einer Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation in Verbindung gesetzt. Verletztengeld sei somit allenfalls bis zum Ende der geplanten Berufsfindungsmaßnahme, also bis zum 01.10.1999 und nicht auf Dauer zu zahlen.
Sie hat des Weiteren ein Rentengutachten vom 29.11.2001, erstellt von den Fachärzten für Orthopädie Prof. Dr. A1 ... und Dr. H1 ..., vorgelegt, in dem die MdE aufgrund der Erkrankung des linken Knies des Klägers mit 30 v. H. geschätzt wird. Der lumbale Bandscheibenschaden L 5/S 1 mit dezenter Radikulärsymptomatik S 1 sei unfallunabhängig entstanden. Hinsichtlich der Erkrankung des linken Knies sei eine Änderung des objektiven Befundes nicht zu erwarten, eine endoprothetische Versorgung des linken Kniegelenkes sei langfristig bis mittelfristig sicherlich notwendig. Berufliche Rehabiliation (Umschulung bezüglich nichtkörperlicher Tätigkeit, vorwiegend im Sitzen) sei erforderlich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Leipzig vom 27.06.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat mehrfach ausgeführt, dass er an Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation interessiert sei. Seitens der Bundesagentur für Arbeit sei eine Eignung für einen kaufmännischen Beruf festgestellt worden.
Am 01.10.2003 hat der Kläger eine Rotations-Totalendoprothese im linken Kniegelenk erhalten; vom 13.10.2003 bis 01.11.2003 ist eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation durchgeführt worden. Im Entlassungsbericht vom 19.11.2003 wird ausgeführt, dass der Kläger derzeit eine BU-Rente sowie eine Unfallrente erhalte. Der Kläger werde zunächst weiter arbeitsunfähig in die weitere ambulante Betreuung entlassen. Er wolle in nächster Zeit eine Umschulung durchführen, dem stehe aus ärztlicher Sicht nichts im Wege. Eine leichte körperliche Tätigkeit im Wechselrhythmus zwischen Stehen, Gehen und Sitzen sei ca. drei Monate postoperativ denkbar.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 15.10.2002 bzw. 12.11.2002 mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheiden, da die hierfür gemäß § 155 Abs. 4, 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderlichen Einverständniserklärungen vorliegen.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht die angefochtenen Entscheidungen aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung von Verletztengeld über den 23.09.1999 hinaus verurteilt.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Verletztengeld ist § 214 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetz (SGB VII) i. V. m. §§ 48, 45 Abs. 1 SGB VII. Hiernach wird Verletztengeld erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalles arbeitsunfähig sind und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt hatten; im Falle der Wiedererkrankung an den Folgen eines Versicherungsfalles wird an Stelle des Zeitpunkts der ersten Arbeitsunfähigkeit auf den der Wiedererkrankung abgestellt. In Anwendung dieser Vorschrift hat die Beklagte dem Kläger Verletztengeld bis zum 23.09.1999 gewährt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Anspruch auf Verletzengeld nicht erloschen; die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 SGB VII, in dem geregelt ist, in welchen Fälle von einem Ende des Verletztengeldanspruches auszugehen ist, sind nicht erfüllt. Nach Satz 1 der Vorschrift endet das Verletztengeld mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme oder mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld entsteht. Satz 2 regelt weiter, dass dann, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, das Verletztengeld mit Ablauf der 78. Woche endet, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung.
Der Kläger ist seit dem 06.03.1995 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit; dies ist in allen vorliegenden Gutachten so gesehen worden und zuletzt im Entlassungsbericht vom 03.12.2003 bestätigt worden. Hinsichtlich des Begriffes der Arbeitsunfähigkeit in § 46 SGB VII ist auf den Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung abzustellen (vgl. BSG vom vom 13.08.2002 - B 2 U 30/01 R - m. w. N.); hiernach liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu schlimmern, verrichten kann (Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 08/2001, Bearb. Höfer, § 44 SGB V, Rn. 10 m. w. N.). Da für den Kläger lediglich Tätigkeiten in Betracht kommen, die überwiegend im Sitzen ausgeübt werden können, kann er jedenfalls im erlernten Beruf des Malers oder ähnlichen Tätigkeiten nicht mehr arbeiten. Auch die Beklagte hat dies nie bezweifelt, so dass jedenfalls ein Ende des Verletztengeldanspruches nach § 46 Abs. 3 Satz 1 SGB VII nicht in Betracht kommt.
Auch die Voraussetzungen des Satz 2 der Vorschrift sind nicht erfüllt. Zwar ist, wie sich aus sämtlichen eingeholten Gutachten ergibt, mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im oben genannten Sinne nicht zu rechnen. Jedoch ist die weitere Voraussetzung - Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind nicht zu erbringen - nicht erfüllt. Auch von der Beklagten ist nie bezweifelt worden, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben grundsätzlich zu erbringen sind. Der Kläger ist, wie sich aus allen eingeholten Gutachten ergibt, auch nicht etwa aus gesundheitlichen Gründen gehindert, an einer Umschulung gehindert; die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit aufgrund von unfallunabängigen Erkrankungen waren jeweils lediglich vorübergehend.
Auch ein Ende des Verletztengeldanspruches mit Ablauf der 78. Woche in Anwendung der Regelung des § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII kommt nicht in Betracht. Die Vorschrift stellt keine absolute Obergrenze für die Gewährung von Verletztengeld dar, wenn die Fälle nach Nr. 1 oder Nr. 2 dieser Vorschrift nicht eingreifen. Vielmehr endet auch nach § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII die Gewährung von Verletztengeld nicht vor dem Tag, an dem feststeht, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen und berufsfördernde Leistungen nicht zu erbringen sind; § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII betrifft nur den Fall, dass diese letztgenannten Voraussetzungen vorliegen und noch keine 78 Wochen verstrichen sind. Besteht in einem derartigen Fall kein Anspruch auf Verletztenrente, endet der Verletztengeldanspruch mit Ablauf der 78. Woche mit der Folge, dass vorliegen der Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld auch über den Ablauf der 78. Woche hinaus bestand (so auch Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand September 2003, § 46 Rn. 16; ebenso i. E. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Stand August 2002, § 46 Rn. 12 a. E.).
Der Anspruch auf Verletztengeld entfällt auch nicht dadurch, dass der Kläger zwei Berufsfindungsmaßnahmen abgebrochen hat. Zum einen ist keine Vorschrift ersichtlich, aufgrund derer bei mangelnder Mitwirkung eines Versicherten Verletztengeld auf Dauer versagt werden könnte. Zudem hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass er zu den Zeitpunkten, zu denen die Maßnahmen stattfinden sollten, aus gesundheitlichen Gründen zu einer Teilnahme nicht in der Lage war und insoweit auch ärztliche Bescheinigungen vorgelegt. Diese Erkrankungen hindern den Kläger aber nicht auf Dauer, an einer entsprechenden Maßnahme teilzunehmen.
Auch soweit die Beklagte vorgetragen hat, der Kläger habe sich entgegen den an ihn gerichteten Aufforderungen nicht von sich aus gemeldet, damit nach seiner jeweiligen Gesundung eine Berufsfindungsmaßnahme durchgeführt werden könne und habe zudem in Kenntnis der drohenden Einstellung des Verletztengeldes die Maßnahme von September 1999 abgebrochen, kann dies zu mangels einer insoweit vorhandenen Norm, aufgrund derer ein Ende des Verletztengeldanspruches in Betracht kommen könnte, zu keiner anderen Beurteilung führen.
Soweit im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.05.2004 als Datum des Urteils des Sozialgerichts Leipzig der 27. Januar 2001 (statt: 27. Juni 2001) genannt worden ist, beruhte dies auf einem Versehen. Nr. I des Urteilstenors war deshalb gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 138 Satz 1 SGG wegen offenbarer Unrichtigkeit zu berichtigen (vgl. Hennig, Sozialgerichtsgesetz, Stand Februar 2004, § 138 Rn. 30 f.). Da hierdurch dem Urteilstenor objektiv kein anderer Inhalt gegeben wird, war eine Anhörung der Beteiligten zur Berichtigung entbehrlich (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand 04/02, § 138 Rn. 29).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). –
Anmerkung Rechtsanwalt Huscher:
Das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld, welches die Berufsgenossenschaften nach einem Arbeitsunfall gewähren führt regelmäßig zu Fragestellungen, welche für den Laien nicht zu beantworten sind.
Häufig werden unsere Mandanten mit der Behauptung der BG konfrontiert, der aus der gesetzlichen Krankenversicherung bekannte 78-Wochenzeitraum - sog. "Aussteuerung" -stelle die „Obergrenze“ für die Verletztengeldzahlung dar, was mit dem vorgestellten Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts erneut widerlegt wird.
Klar ist, die gesetzliche Regelung über die Verletztengeldzahlung ist sehr komplex und sieht eine Vielzahl von Ausnahmetatbeständen vor, die ggf. sehr genau zu prüfen sind.