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LG Berlin: Feuersozietät-Berufsunfähigkeitsversicherung kann sich nicht auf vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung berufen, wenn der Versicherungsagent Vorerkrankungen bei Antragstellung kannte, aber nicht in den Antrag mit aufnimmt.

Landgericht Berlin v. 10.03.2009

Hat der den Antragsfragebogen ausfüllende Versicherungsagent – z.B. aus anderen von ihm vermittelten Verträgen – Kenntnis über Vorerkrankungen des Versicherten und trägt er diese – auch wenn der Versicherungsnehmer im Vertrauen auf die Kenntnis des Agenten über seinen Gesundheitszustand diesen nicht noch einmal gesondert auf die Vorerkrankungen hinweist – nicht in den Antrag ein, so kann sich der Versicherer nicht auf eine angebliche vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers berufen. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB greift nicht durch.

Wenn der Versicherungsagent gegenüber dem Versicherten bei Antragstellung zusichert, dass für die Entscheidung des Versicherers im Leistungsfall eine Bescheinigung des Hausarztes, dass Berufsunfähigkeit vorliegt, bindend sei, muss sich der Versicherer an diese Zusicherung binden lassen, unabhängig davon, ob die tatsächlichen bedingungsgemäßen Voraussetzungen für die Geltendmachung der Berufsunfähigkeit tatsächlich vorliegen.

Sachverhalt:

Unser Mandant hatte bei dem  Versicherungsagenten eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Feuersozietät Versicherung AG beantragt, der ihm bereits zuvor eine Krankenversicherung bei der gleichen Gesellschaft (Feuersozietät) vermittelt hatte. Der Versicherungsagent  kannte insofern die Vorerkrankungen unseres Mandanten, u.a. sein Herzleiden. Im Vertrauen, auf diese Kenntnis ließ er den Versicherungsagenten die Gesundheitsfragen im Antrag auf Berufsunfähigkeitsversicherung selbständig ausfüllen und unterschrieb am Ende nur den Antrag. Da der Versicherungsagent das Herzleiden des Mandanten verschwiegen hatte, berief sich die Berufsunfähigkeitsversicherung im Leistungsfall auf die angebliche vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung (Verschweigen der Herzkrankheit), erklärte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB  und stellte sich leistungsfrei.

Hinzu kam ein weiteres Problem: Bei Antragsstellung hatte unser Mandant den Versicherungsagenten auch dahingehend befragt, wer denn – sollte er einmal Berufsunfähigkeit anmelden müssen – im Zweifel über seinen Antrag entscheiden würde und ob er dann von Gutachter zu Gutachter geschickt würde. Hierzu hatte ihm der Versicherungsagent mitgeteilt, dass zum Nachweis der Berufsunfähigkeit ein Attest des Hausarztes ausreiche und die Versicherung sich daran halten müsse. Dieses Attest lag vor; die Feuersozietät hat sich jedoch nicht daran gehalten, sondern auf weiterer Begutachtung bestanden. Obwohl die Versicherung mit ihrer Forderung nach weiterer Begutachtung Recht hatte und sich auf die im Vertrag vereinbarten Bedingungen berufen konnte, hatte nach der Entscheidung des Landgerichts die falsche Zusicherung des Agenten Vorrang und die Feuersozietät wurde aufgrund eines Attestes des Hausarztes über das Vorliegen der Berufsunfähigkeit zur Leistung verurteilt.

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Büchner, Fachanwalt für Versicherungsrecht:

Die Entscheidung des Landgerichts behandelt mehrere bei Antragstellung für eine Berufsunfähigkeitsversicherung typische Probleme:

Nicht selten füllt nicht der Antragsteller sondern dessen Versicherungsvertreter den Antrag auf Berufsunfähigkeitsversicherung für seinen Kunden aus und dieser verlässt sich mehr oder weniger blind auf dessen Einschätzung, wie die Gesundheitsfragen zu beantworten sind. Dieses Vertrauen wird – wie im hier vorliegenden Fall auch – häufig gestützt von dem Glauben des Kunden, dass der Versicherungsvertreter seine gesundheitlichen Verhältnisse bestens kennt, z.B. weil er dem Kunden bereits eine Krankenversicherung verkauft hatte, wo die Gesundheitsfragen bereits durchgegangen worden sind. Im Ergebnis erkennt der Kunde jedoch häufig nicht, dass der Versicherungsvertreter zunächst  ein Provisionsinteresse verfolgt und – wenn er unseriös handelt - an einer Bagatellisierung eventueller Vorerkrankungen seines Kunden interessiert ist und bestenfalls nach dem Motto handelt: „Es wird hoffentlich alles gut gehen“, schlechtestenfalls nach der Devise „Nach mir die Sintflut, ich habe ja mein Geld“. Auch gibt es Versicherungsvertreter, die ihren Kunden guten Glaubens zur falschen Beantwortung der Gesundheitsfragen raten, weil sie es schlicht nicht besser wissen. Derartige Falschberatungen muss sich eine Versicherungsgesellschaft nach der sog. „Auge und Ohr“-Rechtsprechung des BGH zurechnen lassen, sprich: die Versicherung muss für falsche Zusicherungen ihres Agenten haften. Selbstverständlich prüfen Gerichte, wenn der Agent bestreitet, falsch beraten zu haben, ob der Versicherungsnehmer seine Aussagen beweisen kann. Im vorliegenden Fall hat das Gericht – wie es in Prozessen nicht selten der Fall ist – die glaubhafte und widerspruchsfreie Aussage der Ehefrau unseres Mandanten zum Nachweis gereicht. Die Aussage des Versicherungsagenten hingegen hatte das Gericht als widersprüchlich und wenig glaubhaft bezeichnet. Insofern zeigt die Entscheidung, dass es nicht – wie vielfach geglaubt – völlig aussichtslos ist, seine Aussagen vor Gericht zu beweisen, wenn der einzige Zeuge der zur Verfügung steht, die Ehefrau oder ein anderer Verwandter ist. Im Ergebnis zählt der Eindruck, den der Zeuge auf das Gericht hinterlässt.


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