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LG Berlin: Eine elektronische Reproduktion der Gesundheitsfragen für die Berufsunfähigkeitsversicherung reicht nicht zum Beweis einer arglistigen Täuschung bei Anfechtung des Vertrages durch die Ergo-Lebensversicherung

Landgericht Berlin, Urteil vom 15.01.2013

Nachdem unser Mandant im Jahre 2006 Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Victoria (später Ergo) Lebensversicherung beantragt hatte, sprach diese im Rahmen der Leistungsprüfung einen Rücktritt und später eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung mit dem Argument aus, dass ihr im Rahmen der Beantwortung der Gesundheitsfragen bei Vertragsschluss im Jahr 2003 angeblich eine Vorerkrankung, hier eine sog. Peronaeuslähmung verschwiegen worden sei.

Die Gesundheitsfragen wurden durch unseren Mandanten gegenüber dem Versicherungsagenten der Victoria- bzw. Ergo-Lebensversicherung im Beisein seiner damaligen Ehefrau vollständig und korrekt beantwortet, wobei der Versicherungsagent diese selbst schriftlich in das Antragsformular eingetragen hatte. Die Ergo Lebensversicherung bestritt diesen Vortrag, so dass eine gerichtliche Entscheidung unumgänglich wurde.

Im Rahmen des Klageverfahrens vor dem Landgericht Berlin konnte die Ergo-Lebensversicherung – wie bereits in der vorprozessualen Auseinandersetzung – den schriftlichen Antrag, in dem die Gesundheitsfragen beantwortet worden waren, nicht mehr vorlegen. Stattdessen bot sie eine Reproduktion des Antrags in elektronischer Form an, welche keine Unterschrift unseres Mandanten trug.

Überdies wurde der Versicherungsagent der Ergo-Lebensversicherung mündlich einvernommen, welcher bestätigte, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragsstellung den Fragebogen mit den Gesundheitsfragen eigenhändig unterschrieben hatte.

Darüber hinaus sagte der Versicherungsagent aus, dass er sich genau daran erinnern könne, dass der Kläger sich ihm gegenüber bei Antragstellung als vollkommen gesund erklärte, konnte allerdings nicht mehr beantworten, wo das Antragsgespräch stattgefunden habe. Das Gericht bewertete diese Aussage als in sich widersprüchlich und nicht glaubhaft und sah vielmehr die Aussage der geschiedenen Ehefrau des Klägers, welche sich an das Antragsgespräch widerspruchsfrei erinnern konnte, als schlüssig und glaubhaft an.

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Büchner:

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin spiegelt einen typischen Sachverhalt, welcher immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten führt.

Bekanntermaßen beginnen Berufsunfähigkeitsversicherungen ihre Leistungsprüfung regelmäßig mit der Suche nach sog. vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzungen bei Vertragsschluss, d.h. nach ggf. verschwiegenen Vorerkrankungen bei der Beantwortung der sog. Gesundheitsfragen. Sind diese gefunden, muss mit der eigentlichen Prüfung der Leistungspflicht gar nicht erst begonnen werden, sondern man kann den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten und ist den Versicherten, der i.d.R. jahrelang Beiträge gezahlt hat, für immer los.

Nicht selten spielen in diesem Zusammenhang Versicherungsmakler oder Versicherungsagenten eine wenig rühmliche Rolle. So werden die Gesundheitsfragen gegenüber den Kunden heruntergespielt und bagatellisiert und ihnen z.B. glaubend gemacht, dass die Versicherung sich nur für schwere Erkrankungen wie Krebs oder Herzinfarkt interessiert. In anderen Fällen gehen die Vertreter sogar so weit, dass sie Erkrankungen, die ihnen ihre Kunden offenbaren, überhaupt nicht in die Antragsunterlagen eintragen und hoffen, dass der Kunde, der ihnen (zu diesem Zeitpunkt noch) vertraut, dies nicht bemerkt und gleichwohl unterschreibt; ein solcher Fall lag hier vor.

Auch wenn Versicherungsnehmer oft glauben, sie wären in einer solchen Situation chancenlos, zeigt der hier vorgestellte Fall erneut eindrucksvoll, dass es sich durchaus lohnen kann, den Rechtsweg zu beschreiten.

Wie gesehen, schenkte das Landgericht dem Vortrag der Ergo-Lebensversicherung keinen Glauben. Diese hatte zunächst durch ihre Anwälte behaupten lassen,  unser Mandant hätte seine Angaben mündlich gegenüber dem Agenten getätigt, während der Ergo-Versicherungsagent in der mündlichen Verhandlung das Gegenteil einräumen musste, nämlich dass bei Antragstellung ein (nicht mehr wiederbringbarer) schriftlicher Antrag ausgefüllt worden war. Darüber hinaus wurde durch das Gericht einmal mehr klargestellt, dass (entgegen landläufiger Auffassung) die Zeugenaussage einer Ehefrau – solange sie schlüssig und widerspruchsfrei ist – durchaus entscheidungserheblich sein kann.


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