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LG München: Bayern-Versicherung muss Berufsunfähigkeit eines Studenten wegen Zwangsstörung anerkennen, die Unterstellung einer Aggravation wurde widerlegt. Das Gutachten des Herrn Dr. von Winterfeldt war nicht plausibel sondern handwerklich fehlerhaft!

Landgericht München, Urteil v. 20.07.2021, 26 O 3057/20

Unser Mandant war als Student des Studienfachs Informationsorientierte Volkswirtschaftslehre, seit 01.10.2015 aufgrund psychischer und psychosomatischer Erkrankungen studienunfähig und machte im Jahr 2018 Leistungen wegen Eintritts einer Berufsunfähigkeit bei der Bayerischen Versicherungskammer (Bayern-Versicherung) geltend Mit Schreiben vom 07.12.2018 lehnte die Bayern-Versicherung die Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab. Nachdem hiergegen zunächst Einwendungen durch unseren Mandanten selbst erhoben wurden, gab die Bayern-Versicherung ein psychiatrisches Gutachten Herrn Dr. Christoph v. Winterfeld vom 27.08.2019 in Auftrag, auf dessen Grundlage sie mit Schreiben vom 11.09.2019 ihre Leistungsablehnung bestätigte.

Das von der Bayern-Versicherung beauftragte psychiatrische Gutachten Dr. v. Winterfeldt vermochte den gerichtlichen Gutachter nicht zu überzeugen. Das Gericht macht sich vielmehr die überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen vollumfänglich zu eigen. Der Sachverständige ging von den richtigen Anknüpfungstatsachen aus und konnte seine Feststellungen vollumfänglich nachvollziehbar darlegen. Darüber hinaus setzte sich der Sachverständige in seinem Gutachten ausführlich mit dem seitens der Beklagtenpartei eingeholten Gutachtens des Privatgutachters Dr. von Winterfeldt auseinander, der eine Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers verneinte und vielmehr Tendenzen einer Aggravation feststellte. Der Sachverständige legte in seinem Gutachten dar, dass der Befund des Dr. von Winterfeldt aus gutachterlicher Sicht nicht nachvollziehbar sei. Der Gutachter Dr. von Winterfeldt habe nicht einmal annäherungsweise eine lege artis leitliniengerechte Anamnese erhoben. Die seitens des Gutachters gefundenen Unstimmigkeiten würden daher nicht aus einer Aggravation des Zeugen Obermeier, sondern aus einer insuffizienten bzw. nicht existenten Anamnese- und Befunderhebung des Gutachters selbst resultieren. So würden bspw. weder die eigens ausgeteilten Fragebögen noch der körperliche Befund des Zeugen gewürdigt werden. Insgesamt sei das Gutachten des Dr. von Winterfeldt nicht plausibel und handwerklich fehlerhaft sowie insuffizient.

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass er den Grad der Berufsunfähigkeit von über 50 % ab 01.10.2015 für überwiegend wahrscheinlich halte, dieser jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt sei. Grund hierfür sei, dass für die Zeit vor März 2017 keine ausreichende Aktenlage vorliege, sodass sich der Sachverständige auf die Eigenanamnese des Versicherten stützen müsse. Er erachtet diese dabei als vollständig und schlüssig.

Der Sachverständige führt hierzu aus, dass es keine Hinweise auf Inkonsistenzen, Aggravation oder gar Simulation gegeben habe. Vielmehr neige der Proband aus Schuld- und Schamgefühlen etwas zur Dissimulation, also zum Herunterspielen oder Verbergen von Symptomen. Darüber hinaus ergebe sich aus dem klinischen Erfahrungswissen, dass sich Zwangserkrankungen im Regelfall über einen sehr langen Zeitraum entwickeln würden (im Durchschnitt über 5 – 10 Jahre). Im vorliegenden Fall würde der Schweregrad der Erkrankung und insbesondere auch die Vielgestaltigkeit der Symptome eindeutig auf eine langjährige Erkrankungsgeschichte hinweisen, da sich eine derart gravierende und komplexe Symptomatik nur über einen langen Zeitraum entwickeln würde.

Anmerkung Dr. Büchner, Fachanwalt für Versicherungs- und Medizinrecht

Der von der Bayern-Versicherung beauftragte Gutachter, Herr Dr. von Winterfeldt, hatte bei unserem Mandanten – wie so oft – Aggravation unterstellt, d.h. eine Übertreibung seiner Erkrankung. Aufgrund dieser Begutachtung meinte die Bayern-Versicherung dann ihre Leistungsablehnung auf ein sicheres Fundament gestellt zu haben und blieb bei Ihrer Ablehnung.

Der gerichtliche Gutachter ließ es – wie das Urteil zeigt - an deutlichen Worten über die Arbeit seines Gutachterkollegen nicht vermissen.

Zu beachten ist, dass unser Mandant sich der Begutachtung bei Dr. von Winterfeldt nicht hätte unterziehen müssen, wäre er zu diesem Zeitpunkt bereits von uns anwaltlich vertreten gewesen, hätten wir ihm auch abgeraten, sich dieser Begutachtung zu stellen, was das Verfahren ggf. erheblich verkürzt hätte.

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