LG Hamburg: Hanse-Merkur Berufsunfähigkeitsversicherung zur Zahlung Berufsunfähigkeitsrente auf Dauer - wegen mittelgradiger, rezidivierender Episode mit flukturierendem Verlauf - verurteilt; Privatgutachter Dr. Matias Antonioli widerlegt.
LG Hamburg, Urteil v. 12.05.2022, Az. 337 O 45/22
Unser Mandant war als Grafiker Webdesign / Webentwickler selbständig ohne Mitarbeiter tätig. Nachdem er psychisch erkrankte, stellte er einen Antrag wegen Berufsunfähigkeit bei der Hanse-Merkur geltend. Die Beklagte beauftragte den Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie Herrn Dr. Mathias Antonioli aus Dresden mit der ärztlichen Prüfung der Berufsunfähigkeit. Auf der Grundlage des Privat-Gutachtens erklärte die Hanse-Merkur eine Leistungsablehnung. Zur Begründung führte die Beklagte aus, eine mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit des Klägers sei nicht erwiesen.
Das Landgericht Hamburg gelangt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere dem, durch das Gericht eingeholten Gutachten sowie den ergänzenden Stellungnahmen der gerichtlichen Sachverständigen zu der Überzeugung, dass bei unser Mandant jedenfalls zwischen dem 31. Juli 2018 bis zum 07. Juli 2021 wegen einer rezidivierenden depressiven Episode berufsunfähig, d.h. über 6 Monate zu mindestens 50 % nicht in der Lage war, seine zuvor ausgeübte Tätigkeit als Grafiker Webdesign/ Webentwickler auszuüben.
Selbst wenn es Phasen der Stimmungsstabilisierung oder der medikamentösen Reduktion gegeben habe, sei aufgrund dieser fluktuierenden Symptomatik keine stabile Basis für die erforderliche Leistungsfähigkeit in dem letzten Beruf gegeben. Insbesondere der langfristige Projektcharackter der beruflichen Tätigkeit mache eine dauerhafte Spanne von Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Ausdauer, Kreativität, Konzentration, verlässliche Kommunikation etc. erforderlich, die bei dem Kläger in der erforderlichen Kontinuität und Stabilität nicht vorhanden gewesen sei. Aus diesem Grund gehe die Sachverständige anhand der Behandlungsunterlagen von einer Berufsunfähigkeit vom 31. Juli 2018 bis zum 07. Juli 2021 aus. Für diesen Zeitraum lägen ausreichend fachärztlich gesicherte Befunde vor, die trotz einer hohen Fluktuation der Symptomatik mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Berufsunfähigkeit belegen würden.
Wegen der in § 2 Abs. 3 der Versicherungsbedingungen formulierten Voraussetzungen, dass bereits bei einer angenommenen Einschränkung zur Ausübung der Tätigkeit während der Dauer von 6 Monaten eine Berufsunfähigkeit (auch für die Zukunft) anzunehmen ist, ergibt sich die für den hier streitigen Leistungszeitraum festzustellende Berufsunfähigkeit. Einer weitergehenden Prognose ausgehend vom damaligen Gesundheitszustand des Klägers bedarf es deshalb nicht.
Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Jörg Büchner, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Medizinrecht:
Das Gericht verurteilte die Hanse-Merkur wegen einer sog. „fingierten Berufsunfähigkeit“. Es musste sich insofern nicht mit der Frage befassen, ob aktuell – d.h. zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – noch eine Berufsunfähigkeit vorlag; da die Voraussetzungen bereits in der Vergangenheit erfüllt waren und die Dauerhaftigkeit der BU in den Bedingungen durch die Sechsmonateklausel fingiert ist.
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