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OLG Nürnberg: BU-Versicherung darf die Leistung auch gegen das Votum des von ihr beauftragten Gutachters ablehnen. Es steht ihr frei, ob es das Gutachten für überzeugend hält oder eben nicht!

OLG Nürnberg, Beschluss v. 22.08.2023 – 8 U 344/23

Bereits 2013/2014 waren beim Kläger Beschwerden am rechten Handgelenk aufgetreten. So war bei ihm am .. .01.2014 in der Klinik für Handchirurgie der Dr. E. Kliniken wegen einer diagnostizierten Discusperforation bei degenerativer Veränderung des rechten Handgelenks und einer Tendovaginitis de Quervain rechts eine ambulante Handgelenksarthroskopie mit Debridement im Discusbereich (Rissumwandlung) sowie eine Spaltung des ersten Strecksehnenfaches durchgeführt worden. Wegen einer diagnostizierten TFCC-Läsion rechts hatte sich der Kläger ferner vom .. .10.2014 bis .. .10.2014 in stationärer Behandlung in der genannten Klinik für Handchirurgie befunden. Dort war eine Ulnaverkürzungsosteotomie durchgeführt worden.

Der Kläger behauptet im Wesentlichen, seit Oktober 2016 unter immer wiederkehrenden Schmerzen und seit Dezember 2016 unter langanhaltenden Schmerzen im rechten Handgelenk zu leiden. Er sei spätestens seit 09.02.2017 nicht mehr in der Lage, die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit als Servicetechniker im Rahmen des betrieblichen Praktikums auszuüben. Dort habe er fünf Tage pro Woche zu jeweils acht Stunden am PC und am Telefon gearbeitet. Unter anderem habe er kurzzeitige stechende Schmerzen in der rechten Hand verspürt, wenn er schwere Aktenordner aus den Regalen gehoben habe. Bei längerem Tippen am PC und Bedienen der Maus habe er Schmerzen in der rechten Hand bekommen, die nicht mehr abgeflacht seien. Der Kläger behauptet, dass es nach der stationären Behandlung im Oktober 2014 zu einer Besserung und Beschwerdefreiheit gekommen sei und sich der gesundheitliche Zustand dann Ende 2016 verschlechtert habe. Ferner ist der Kläger der Ansicht, dass die Beklagte auf Grundlage der im eigenen Auftrag erstatten Gutachtens von Prof. Dr. H. ein sogenanntes gebotenes Anerkenntnis hätte abgeben müssen. Da sie dies nicht getan habe, habe sie ihre aus § 173 Abs. 1 VVG und dem Versicherungsvertrag folgende Verpflichtung verletzt mit der Folge, dass das Anerkenntnis fingiert werde.

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Büchner
Fachanwalt für Versicherungs- und Medizinrecht:

Das LG Nürnberg-Fürth wies die Klage letztlich mit Urteil vom 31. Januar 2023 – 8 O 5649/20 - aufgrund eines von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachtens ab. Die Berufung am OLG Nürnberg hatte keinen Erfolg; insbesondere wurde das Verhalten der BU-Versicherung nicht als rechtsmissbräuchlich erachtet.

Die vorliegende Konstellation gibt es nach unserer Erfahrung häufiger als gedacht. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung glaubt dem eigenen Gutachter nicht und lehnt die Leistung – entgegen dessen Votum – ab. Der Versicherungsnehmer mag glauben, er sei im falschen Film – aber das OLG Nürnberg hat diese Verfahrensweise einmal mehr als zulässig bestätigt und damit auch kein juristisches Neuland beschritten. Vielmehr sollen Versicherer - nach Meinung des Gerichts - frei in ihrer Entscheidung sein, ob sie ihrer eigens beauftragten Gutachter für überzeugend halten oder eben nicht.

Der Gutachter der Berufsunfähigkeitsversicherung hatte u.a. ausgeführt:

„Auch hierzu hatten wir bereits im letzten Gutachten Stellung bezogen. In Zusammenschau der vorliegenden Befunde und der EFL-Testung sind die Kriterien für das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit weiterhin formal erfüllt, da der Versicherte infolge von Krankheit und Kräfteverfall seit mehr als 6 Monaten zu mindestens 50 % außerstand war, seinen zuletzt ausgeübten Beruf (Servicetechniker im Innendienst), so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben.“

Die BU-Versicherung hatte im Prozess die Ansicht vertreten, dass weder das von ihr eingeholte Gutachten von Prof. Dr. H. noch die EFL-Testung eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Klägers ergeben hätten. Eindeutige Aussagen hätten nicht getroffen, sondern lediglich subjektive Angaben des Klägers verwertet werden können.

In der Sache bedeutet das für einen Versicherungsnehmer, welcher einen Leistungsantrag gestellt und nun zu einem von der BU-Versicherung beauftragten Gutachter gehen soll, bereits vorab ganz genau prüfen zu lassen, wie der Gutachtenauftrag aussieht. Nicht selten werden diese Aufträge vom Versicherer „schwammig“ formuliert und allein ein Berufsbild und keine detaillierte Tätigkeitsbeschreibung vorgegeben. Verneint der Gutachter dann die Berufsunfähigkeit, macht sich die Berufsunfähigkeitsversicherung dessen Meinung natürlich zu eigen und lehnt ab. Sollte der Gutachter aber Berufsunfähigkeit feststellen, lässt sich dann leicht gegen ihn argumentieren.

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