Voraussetzung Begutachtung

Wenn im BU-Vertrag von „weiteren ärztlichen Untersuchungen durch von uns beauftragte Ärzte“ die Rede ist, meint die Berufsunfähigkeitsversicherung letztlich nichts anderes, als eine oder mehrere Begutachtungen. Im Unterschied zu den gesetzlichen Rentenversicherungen und Krankenkassen unterhalten private Berufsunfähigkeitsversicherer keinen sog. Medizinischen Dienst, welcher mit Untersuchungen und Begutachtungen der Versicherten beauftragt wird. Wenn die Versicherer dennoch sog. Gesellschafts- oder Beratungsärzte beschäftigen bzw. zurate ziehen, dann meist mit dem alleinigen Zweck, vom Versicherungsnehmer beigebrachte medizinische Unterlagen auszuwerten. Sollten die Auswertungen dieser Ärzte zu dem Ergebnis gelangen, dass die vom Versicherten vorgelegten bzw. bei dessen Behandlern abgefragten medizinischen Unterlagen eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht nachweisen, kommt es im Nachgang regelmäßig zur Beauftragung von externen Gutachtern.

Die Praxis lehrt darüber hinaus, dass Versicherer den Einsatz tatsächlich unabhängiger Gutachter eher selten gewährleisten können. Es geschieht zwar durchaus, dass z.B. Universitätskliniken beauftragt werden, welche meist in dem Ruf stehen, wissenschaftlich auf höherem Niveau und unabhängig zu arbeiten. Im Regelfall kommen jedoch privat tätige Gutachter bzw. vermehrt sog. Gutachteninstitute zum Einsatz, die überwiegend oder ausschließlich für Versicherer arbeiten bzw. bei diesen gelistet sind und keineswegs Gewähr dafür bieten, unabhängig zu sein. Aus diesem Grund bleiben v. a. private Gutachteninstitute bei der Sachverständigenauswahl durch Gerichte nicht selten prinzipiell außen vor. (siehe Beschluss AG Köln

Zumutbarkeit der Untersuchung

 

Die Verpflichtung des Versicherungsnehmers, sich einer – vom Versicherer angeordneten – Begutachtung oder Untersuchung zu unterziehen, steht wie alle erweiterten Mitwirkungspflichten unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit, welcher deren Umfang und Ausmaß begrenzt.

Anfahrt zum Gutachter

Bereits die Beauftragung von Gutachtern, welche weit entfernt vom Wohnort der Versicherten praktizieren, stellt für diese in der Praxis regelmäßig ein wiederkehrendes Problem dar, wenn geltend gemacht wird, dass die Fahrt zum Gutachter – auch wenn sie vom Versicherer zu finanzieren ist – unzumutbar sei.

In diesen Fällen eine generelle Zumutbarkeitsgrenze zu finden, dürfte aufgrund der äußerst vielfältigen Einzelfallumstände schwierig sein. Von entscheidender Bedeutung ist zunächst die Niederlassungsdichte der im Zweifel zur Verfügung stehenden Fachärzte. Hier ist zu berücksichtigen, dass es für einen Versicherer im ländlichen Raum wesentlich schwieriger sein wird, einen geeigneten Gutachter zu finden, als in großstädtischen Ballungsgebieten. Umso „ausgedünnter“ letztlich ein Gebiet in Bezug auf das Vorkommen geeigneter Ärzte ist, umso mehr Zugeständnisse müssen beide Parteien machen, d. h. der Versicherte hat in diesem Fall Wegstrecken in Kauf zu nehmen, und der Versicherer muss im Gegenzug verstärkte Bemühungen bei der Suche nach geeigneten Gutachtern nachweisen können.

Auch wenn dem Versicherer das Auswahlrecht zusteht, kann es nicht angehen, dass er auf „lieb gewordenen“ Gutachtern besteht, wenn diese Hunderte von Kilometern vom Wohnort des Versicherungsnehmers entfernt residieren. Es ist den Versicherern in diesen Fällen durchaus zumutbar, in Wohnortnähe der versicherten Person nach Gutachtern zu suchen, die ggf. noch nicht auf ihrer „Liste“ stehen.

2. Ausmaß und Umfang der Begutachtung

Zuweilen bestehen Versicherer auf dem Einverständnis des Versicherungsnehmers, sich im Rahmen der Feststellung der bedingungsgemäßen Leistungspflicht einer mehrtägigen stationären Untersuchung zu unterziehen.

Das OLG Hamm  (VersR 1983, 1177) geht richtigerweise davon aus, dass der mit einer geforderten stationären Untersuchung verbundene Eingriff in die Privatsphäre zumutbar, d.h. gerechtfertigt sein muss. Angesichts der Tatsache, dass weder die MB-BUV/BUZ noch andere auf dem Markt befindlichen Bedingungen die Obliegenheit, im Zweifel auch in stationäre Untersuchungen einzuwilligen erwähnen, kann diese nur eine ultima ratio für die Fälle darstellen, in denen der Versicherer nachweisen kann, dass die Feststellung der Leistungspflicht nicht anders möglich ist.

3. Medizinische Notwendigkeit der Untersuchung?

Neben dem zeitlichen Umfang einer Mitwirkungsobliegenheit stellt sich die Frage nach der medizinischen Notwendigkeit von anlässlich einer Begutachtung vorgenommenen Eingriffen. Bekanntlich sind Begutachtungen zuweilen mit einem nicht unerheblichen gesundheitlichen Risiko für den Versicherungsnehmer verbunden, sodass deren Zumutbarkeit nicht selten bezweifelt werden muss.

Wo am Ende die Grenze der Zumutbarkeit liegt, ist durch die Rechtsprechung bisher noch nicht eindeutig bestimmt. Jedoch wird sich ein Versicherungsnehmer keiner Untersuchung unterziehen müssen, welche mit einer erhöhten oder gar überwiegenden Wahrscheinlichkeit gesundheitliche Schäden nach sich ziehen wird.

Bedingung für die Mitwirkungsobliegenheit bei risikobehafteten Untersuchungen muss insofern sein, dass die Untersuchung die einzige Möglichkeit darstellt, die vorgetragene tatsächliche Erkrankung nachzuweisen. Sollten gleichwertige, wissenschaftlich ebenfalls anerkannte Methoden zur Verfügung stehen, müssen diese bevorzugt in Betracht gezogen werden, auch wenn sie ggf. erheblich aufwendiger oder kostenintensiver sind. Ebenso muss feststehen, dass die geforderten Untersuchungen dem wissenschaftlich anerkannten Standard entsprechen, um einen unabdingbaren und sicheren Nachweis der Erkrankung liefern zu können. (LG Bielefeld r+s 2012, 613) Im Umkehrschluss besteht für den Versicherungsnehmer keine Obliegenheit, sich Untersuchungen zu stellen, welche nach der herrschenden wissenschaftlichen Meinung nicht geeignet sind, valide Erkenntnisse zu liefern, unabhängig davon, ob damit auch ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Versicherungsnehmers verbunden ist.

III. Erforderlichkeit einer „informierten“ Einwilligung

Bevor die Begutachtung beginnt, sollte der Versicherte einer solchen ausdrücklich und möglichst schriftlich, im Rahmen einer sog. „informierte Einwilligung“ zustimmen und nicht, wie es vielfach rechtswidrige Praxis darstellt,  das Einverständnis des Versicherten in die Untersuchung und die Weitergabe der Ergebnisse an den Versicherer bereits als gegeben unterstellt wird, wenn dieser zur Begutachtung erscheint.

Information über den Gang testpsychologischer Begutachtungen

An dieser Stelle ist es erforderlich, auf einige Besonderheiten einzugehen, welche insbesondere im Rahmen von psychiatrischen Begutachtungen zutage treten, die jedoch durchaus auch in anderen Begutachtungsfeldern von Bedeutung sein können.

Aktuell halten trotz der bereits beschriebenen signifikanten Zunahme der psychischen Erkrankungen als Ursache der Berufsunfähigkeit alle Versicherer – bis auf eine Ausnahme - daran fest, dieses Risiko weiterhin zu versichern. Im Gegensatz zu den meisten anderen Krankheitsbildern besteht jedoch bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen das Problem, dass Gutachter hier in besonderem Maße auf die subjektiven Beschwerdeschilderungen des Versicherten angewiesen sind, was eine gewisse Gefahr von Simulations- bzw. Aggravationstendenzen beim Probanden zwangsläufig nach sich zieht. Trotz dieser nicht zu leugnenden Möglichkeit einer Antwortverzerrung durch den Versicherungsnehmer in der Begutachtungssituation mit dem Resultat, das Ergebnis in seinem Sinne günstig zu beeinflussen, haben es Rechtsprechung und Literatur gleichermaßen akzeptiert, dass im Bereich der psychiatrischen Erkrankungen letztlich kein sicherer Nachweis, sondern nur ein hoher Grad an Gewissheit möglich ist, dass beim Versicherungsnehmer die geklagten Beschwerden tatsächlich vorliegen. Dieser herabgesetzte Beweismaßstab ist durch das OLG Hamm bei mindestens 80-90 % angesetzt worden und hat keinen Widerspruch gefunden  OLG Hamm, VersR 1997, 817.

Ob diese Restunsicherheit in der Beweisführung beseitigt werden kann, bleibt fraglich. Während eine Auffassung bei Zweifeln an einer ausreichenden Verifizierung ggf. die Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen (gleicher Fachrichtung) für geboten hält, sehen andere Stimmen die Lösung in der Heranziehung alternativer bzw. ergänzender Verfahren, welche ggf. zusätzlichen Aufschluss über die psychische Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers bringen können.

In diesem Zusammenhang muss man sich vor Augen führen, um welche Verfahren es sich hier handelt. Die in der Praxis der BU-Begutachtung regelmäßig eingesetzten neuropsychologischen Testverfahren werden unter dem Oberbegriff der sog. Beschwerdevalidierungstests zusammengefasst und von einem Teil der medizinischen Literatur als unverzichtbar für die Überprüfung der Kooperation und der Authentizität von geklagten Beschwerden angesehen, da ein behaupteter Anteil von 45-82 % der Antragsteller in der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht authentische Beschwerden vortragen soll. Dabei wird die Anwendung unterschiedlicher Testverfahren (sog. Testbatterien) als nötig erachtet, da so die Chance, mangelnde Kooperation oder Beschwerdeübertreibung beim Versicherungsnehmer zu entdecken, beträchtlich steigen soll.

Der Auffassung, dass sog. Beschwerdevalidierungstests unabdingbare Voraussetzung für die Überprüfung auf Aggravation und Simulation darstellen, wird von der wohl maßgebenden Meinung in medizinischen Wissenschaft widersprochen. Nach dieser Auffassung in der psychiatrischen Forschung kann der Einsatz von Beschwerdevalidierungstests bei der Begutachtung letztlich nur feststellen, ob das Anstrengungsverhalten des Probanden den Erwartungen entspricht. Inwiefern in einem zweiten Schritt dann die Zuordnung eines solchen Befundes zur Rubrik „Simulation“ oder „Aggravation“ möglich ist, soll nur in einem klinischen Gesamtkontext bewertbar sein.

Hinzu kommt, dass die sog. Beschwerdevalidierungstests zur Begutachtung nach Schädel-Hirn-Verletzungen entwickelt worden sind, d.h. allein neurokognitive Störungen untersuchen können. Bei psychiatrischen Begutachtungen von Probanden, die keine derartigen Probleme geltend machen, versagen diese Tests zwangsläufig. Tatsache ist jedoch, dass diese Testverfahren in der Praxis nicht nur bei den relativ selten zu begutachtenden Schädel-Hirn-Traumen, sondern unreflektiert bei allen Varianten von psychischen Erkrankungen eingesetzt werden, was wissenschaftlich fragwürdig sein dürfte.

Schließlich wird kritisiert, dass es bisher in der Begutachtungspraxis in Deutschland auch keinen Konsens darüber gibt, welche und wie viele der zahlreich verfügbaren Tests sinnvollerweise zum Einsatz kommen sollten, „…Solange die Auswahl der BVT aber dem Belieben des Gutachters überlassen bleibt, kann der Einsatz solcher Tests auch kein Qualitätsmerkmal eines sozialmedizinischen Gutachtens oder gar ein einzufordernder obligatorischer Standard sein.

Nach Feststellung des OLG Bremen gibt es in der psychiatrischen und psychotherapeutischen Diagnostik keine verlässliche Methode, Störungen von Befinden und Erleben durch bestimmte Messergebnisse zu objektivieren, sodass es für die Feststellung der Berufsunfähigkeit eines psychisch Erkrankten entscheidend auf den psychischen Befund ankommt, der sich aus den Angaben des Betroffenen zu seinem Erleben und Befinden und der Beobachtung seines Verhaltens ergibt. Der Untersucher wiederum muss sich sicher sein, dass die psychischen Beschwerden nicht vorgetäuscht sind.( OLG Bremen  r+s 2012, 610; analog LG Heidelberg, Urteil v. 22.01.2013, Az. 2 O 395/09 )

Wenn der Versicherer zum Nachweis einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ausführliche Berichte von Ärzten über Ursache, Beginn, Art und Verlauf sowie voraussichtliche Dauer der Erkrankung verlangt, hat er damit einen wissenschaftlichen Standard vorgegeben, den er auch im Rahmen seiner eigenen Überprüfungsmethoden nicht verlassen darf, selbst wenn er in den Bedingungen auch Untersuchungen durch nichtärztliche sachverständige Personen zulässt.  Angesichts der kontrovers geführten Diskussion in der psychiatrischen Wissenschaft und der offenbar überwiegenden Ablehnung der Testpsychologie als probates Mittel der Beschwerdevalidierung kann es nicht als gesichert angesehen werden, dass diese Verfahren dem geforderten wissenschaftlich anerkannten Standard zum sicheren Nachweis einer Erkrankung entsprechen LG Bielefeld r+s 2012, 613, sodass sich der Versicherungsnehmer diesen im Zweifel verweigern können muss, ohne dass der Versicherer in der Folge leistungsfrei wird.

Es hat sich in der Praxis unterdessen als Usus durchgesetzt, dass v. a. private Gutachteninstitute, welche regelmäßig und wohl auch überwiegend für Versicherungsunternehmen tätig sind, im Rahmen der Abarbeitung von Gutachtenaufträgen im Bereich der psychischen Erkrankung zunächst eine testpsychologische Begutachtung anberaumen, welche darin besteht, dass der Versicherungsnehmer u. U. über mehrere Stunden hinweg am Computer sog. Testbatterien beantworten muss, die anschließend von einem Psychologen ausgewertet werden. Wenn diese Auswertung vorliegt, wird im Nachgang die zeitlich meist wesentlich kürzere ärztliche Exploration durch den vom Versicherer beauftragten psychiatrischen Gutachter vorgenommen. Eine ganz typisches und in der anwaltlichen Praxis regelmäßig anzutreffendes Ergebnis besteht letztlich darin, dass das testpsychologische (Zusatz) Gutachten den Vorwurf einer negativen Antwortverzerrung durch den Probanden postuliert, während das psychiatrische (Haupt) Gutachten diesen durch scheinbar objektive Messergebnisse herausgearbeiteten Simulations- bzw. Aggravationsvorwurf lediglich übernimmt und letztlich als Grundlage einer, für den Versicherungsnehmer negativen Leistungsentscheidung dient.

Bei einem derartigen methodischen Vorgehen besteht generell die Gefahr, dass der Versicherte aufgrund von wissenschaftlich fragwürdigen Untersuchungsmethoden von vornherein als Simulant stigmatisiert wird und sich diese Ansicht auch in der anschließenden ärztlich-psychiatrischen Begutachtung nicht mehr ändert.

1. Arzt oder Facharzt?

An einen, von einer Berufsunfähigkeitsversicherung beauftragten Gutachter werden gewisse  fachliche Mindestanforderungen gestellt, welche einzuhalten sind.

Wenn der Gutachtenauftrag an eine Klinik vergeben wird, so hat die Anfertigung mindestens auf Oberarztebene zu erfolgen. Sollten Weiterbildungsassistenten mit der Begutachtung beauftragt werden, muss zwingend eine Fortbildung auf gutachterlichem Gebiet nachgewiesen werden. Darüber hinaus sollten klinische und nichtklinische Gutachter über folgendes fachliches Profil verfügen:

-        Facharzt für das erforderliche Fachgebiet

-        Allgemeine Fortbildungsnachweise auf seinem Fachgebiet

-        Fortbildungsnachweise zum Thema Begutachtung

-        Praktische Erfahrung auf dem Gebiet der Begutachtung

-        Arbeitsmedizinische Kenntnisse bei Fragen zur Berufsunfähigkeit

Die Erfahrungen in unserer anwaltlichen Praxis zeigen, dass dieser Anforderungskatalog durch die Versicherer nicht selten unterlaufen wird.

2. Arzt, Psychologe oder sonstige Gutachter

Wenn es im Rahmen von psychiatrischen Begutachtungen zur Beauftragung von testpsychologischen Zusatzgutachten kommt, so werden diese regelmäßig von niedergelassenen oder auch klinischen Diplom-Psychologen verantwortet, welche für diese Art von Begutachtungen im Zweifel auch originär zuständig sind. Problematisch ist allerdings, dass die allermeisten marktüblichen Bedingungswerke – ebenso wie  § 7 Abs.2 MB-BUV/BUZ 13 - ausschließlich ärztliche Untersuchungen bzw. Begutachtungen vorsehen.

Interessanterweise verstärkt die Formulierung in § 7 Abs. 2 MB-BUV den Eindruck, dass ausschließlich Ärzte infrage kommen, noch dadurch, dass man „[…] weitere ärztliche Untersuchungen durch von uns beauftragte Ärzte“ in Betracht zieht, sodass der durchschnittliche Versicherungsnehmer dies durchaus als ausdrückliches Versprechen ansehen kann. Wenn letztlich – wie im Bereich der psychischen Erkrankung mittlerweile durchaus üblich – eine durch Diplom-Psychologen durchgeführte testpsychologische Begutachtung als Grundlage für die Leistungsentscheidung des herangezogen wird, kann sich der Versicherungsnehmer einer derartigen Begutachtung verweigern bzw. ist diese im Zweifel bedingungswidrig eingeholt worden.

Unterdessen reagieren verschiedene Anbieter, indem keine Festlegungen hinsichtlich der Profession bzw. Qualifikation des Gutachters bzw. des Untersuchenden getroffen werden. Wenn von einer „Untersuchung durch von uns beauftragte Ärzte und sonstige Sachverständige/Gutachter“ die Rede ist, wird man unter den Begriff der sonstigen Sachverständigen/Gutachter sicherlich auch einen Psychologen fassen dürfen. Gleiches gilt, wenn von „Auskünften und Aufklärungen durch Angehörige von nichtärztlichen Heilberufen“  gesprochen wird, wenngleich die Bandbreite der „nichtärztlichen Heilberufe“ an Definitionsschärfe zu wünschen übrig lässt und zumindest die Gefahr einer Überdehnung des Personenkreises besteht.

In unserer  Praxis des Verfassers ist es bereits vorgekommen, dass BU-Versicherungen im Rahmen ihrer Leistungsprüfung darauf bestanden haben, den Versicherungsnehmer einer sog. EFL-Testung zu unterziehen. Dabei handelt es sich um ein in den 80er Jahren von Susan Isernhagen in den USA entwickeltes, heute in Deutschland vorwiegend im Bereich der beruflichen Rehabilitation von den gesetzlichen Unfallversicherungen (Berufsgenossenschaften) eingesetztes Verfahren. Im Rahmen einer zweitägigen Untersuchung wird mit 29 standardisierten Einzeltests (Beweglichkeit, Koordinationsvermögen u.s.w.) v.a. die Leistungs- und Kooperationsbereitschaft des Versicherten geprüft. Wenn die tatsächliche Leistungsfähigkeit – wegen unterstellter mangelnder Mitarbeit des Probanden - nicht ermittelt werden konnte, wird im Testbericht ausdrücklich darauf hingewiesen.

Derartige Testverfahren dürften auch den privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen zur Validierung des behaupteten Leistungsvermögens ihrer Versicherungsnehmer, ähnlich wie die besprochenen testpsychologischen Verfahren mehr als interessant erscheinen, sind aber nach den mehrheitlich verwendeten Bedingungswerken, welche nur ärztliche Untersuchungen gestatten, letztlich unzulässig. Ob der Begriff „zusätzliche Untersuchungen“ dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend transparent beschreibt, dass davon im Zweifel auch gezielt bis an die physische und psychische Leistungsgrenze des Probanden gehende Verfahren umfasst sind, darf bezweifelt werden.

Das LG Berlin sieht die Weigerung des Versicherungsnehmers, sich einer sog. EFL-Testung zu unterziehen, bereits deswegen nicht als Obliegenheitsverletzung an, weil deren Durchführung bei Patienten mit Beschwerden oder reduzierter Belastbarkeit das Risiko für die Auslösung/Verschlimmerung von weiteren Beschwerden in sich birgt. (LG Berlin, Beschluss v. 29.06.2011, Az. 7 O 194/11)

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