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OLG Stuttgart: Geburtsschaden - für hypoxische Hirnschädigung ist ein Schmerzensgeld von € 500.000 angemessen

OLG Stuttgart v. 09.09.2008

Das Gericht hatte über einen im Jahre 1998 stattgehabten Behandlungsfehler( frühkindlicher Geburtsschaden ) zu entscheiden. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen standen folgende Behandlungsfehler unstreitig fest: Fehlerhaft war es, bei der sich in der Gebärwanne befindenden Kreißenden die Wehentätigkeit nicht abzuleiten. Dadurch war es nicht möglich, die für die Geburtsleitung wichtige Zuordnung zwischen fetaler Herzfrequenz und Wehenverlauf zu kontrollieren. Wäre dies erfolgt, hätte die Bradykardie vermieden bzw. abgekürzt werden können. Außerdem hätte die Gebärende beim Abfallen der Herzfrequenz sofort aus der Gebärwanne herausgenommen werden müssen. Eine wegen der anhaltenden Bradykardie zur Prüfung einer vorzeitigen Geburtsbeendigung erforderliche Fetalblutanalyse wurde nicht durchgeführt. Unmittelbar nach der Geburt wurde behandlungsfehlerhaft kein Nabelschnurblut entnommen, so dass der Säure-Basen-Status nicht bestimmt und keine Aussage zu Schwere und Dauer des intrauterinen Sauerstoffmangelzustandes getroffen werden konnte. Schließlich wurde der Kläger zu lange vergeblich mittels Maske beatmet und zu spät intubiert.

Diese Behandlungsfehler führten - unstreitig - zu schwersten körperlichen und geistigen Schäden. Der Kläger leidet an einer schweren spastischen Tetraparese sowie einer therapieresistenten Epilepsie mit bis zu 15 epileptischen Anfällen täglich. Hinzu gekommen ist inzwischen auch eine hirnorganische Blindheit. Ein Reflux, unter dem der Kläger ebenfalls litt, konnte operativ behoben werden. Der Kläger ist bei allen wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens dauerhaft und ausschließlich auf fremde Hilfe angewiesen. Nur weil er regelmäßig von seinen Eltern und seinen zwei jüngeren Geschwistern gefüttert wird, war eine Umstellung auf Sondenernährung bislang nicht erforderlich. Die motorische Entwicklung entspricht dem Stand eines drei bis vier Monate alten Kindes, die geistige Entwicklung nicht einmal einem Kind dieses Alters. Es ist so gut wie keine Kommunikation mit dem Kläger möglich, nur zu Schmerzbekundungen ist er in der Lage. Er kann aber weder lachen noch weinen. Seine Familie vermag zu erkennen, wenn er zufrieden ist oder sich freut. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich die Situation künftig nicht verbessern lassen.

Zur Höhe des Schmerzensgeldanspruchs führte das Gericht Folgendes aus:

Das Gericht hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 € für angemessen. Der Kläger sei auf das Schwerste geschädigt. Seine Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeit sei auf ein Minimum eingeschränkt. Sein Leben werde weitgehend auf die Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen sowie die Vermeidung von Krankheiten und Schmerzen beschränkt bleiben. Eine erhebliche Reduzierung des Schmerzensgeldes dürfe nicht deswegen vorgenommen werden, weil der Kläger aufgrund seiner Schädigung nicht in der Lage sei, die Bedeutung und das Ausmaß seiner körperlichen und geistigen Behinderung und damit sein Schicksal bewusst zu erfassen.


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