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BGH: Neufestsetzung der Invalidität in der Privaten Unfallversicherung setzt ebenfalls Erstfeststellung der Invalidität voraus

BGH, Beschluss vom 16.1.2008 (IV ZR 271/06)

Der Kläger begehrte im Verfahren die Feststellung, dass seine private Unfallversicherung verpflichtet sei, auf ihre Kosten die im Rahmen des Verfahrens zur Neufestsetzung einer Invalidität (§ 11 IV AUB 94) erforderliche Nachuntersuchung zu veranlassen.

Der Kläger hatte bei einem Unfall am 14. 10. 2004 Quetschungen des Unterbauchs und des Steißbeins erlitten.

Am 13. 10. 2005 lehnte die Unfallversicherung die vom ihm  begehrten Invaliditätsleistungen ab, weil die zur Begründung von Invalidität behauptete Gebrauchsbeeinträchtigung seines rechten Beins nicht vorliege. Noch im Oktober 2005 verlangte der Kl. eine erneute ärztliche Bemessung der Invalidität. Hierzu sah sich die Versicherung nicht verpflichtet, weil ihrer Rechtsauffassung nach eine Neubemessung der Invalidität ausscheidet, wenn es an einer vorangegangenen Feststellung von Invalidität dem Grunde nach fehlt.

Nachdem zunächst das Amtsgericht dem Begehren des Klägers noch entsprochen hatte, hat das Landgericht die Klage dann zu Recht abgewiesen. Der BGH hat die Revision des Klägers – zu Recht – zurückgewiesen, da die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht vorlagenund die Revision des Kl. auch keine Aussicht auf Erfolg hatte.

Anmerkung RA Dr. Büchner:

Das Urteil des BGH lässt Rückschlüsse auf einen typischen Geschehensablauf bei der Geltendmachung von Ansprüchen durch Versicherte nach einem Unfall zu, der auch hier dazu geführt hat, dass das Unfallopfer leer ausging, weil es– in Unkenntnis der Rechtslage – nicht rechtzeitig für die notwendige Invaliditätsfeststellung Sorge getragen hatte.

Essentiell ist in der privaten Unfallversicherung, dass der Versicherte im Zweifel selbst innerhalb der in den Bedingungen vorgesehenen Fristen, dafür Sorge trägt, dass die Invalidität ärztlich festgestellt und beim Versicherer geltend gemacht wird. Sind diese Fristen verstrichen, kann sich die Unfallversicherung zu Recht – wie auch die hier vorgelegte Entscheidung erneut bestätigt – auf sein „Kleingedrucktes“ berufen und das Unfallopfer ist mit seinen Ansprüchen dauerhaft außen vor!

Dabei ist vielen Versicherten – wie wir in unserer Praxis immer wieder feststellen – gar nicht bewusst, dass sie im Rahmen der Anmeldung des Unfalls irgend etwas falsch gemacht hätten. Der Unfall wurde im Regelfall zeitnah bei der Versicherung angemeldet; diese hat eine Unfallmeldung zugeschickt, welche der Versicherte auch ausgefüllt zurückgesandt hat; meist werden in der Unfallmeldung auch die behandelnden Ärzte angegeben, so dass die Versicherten (aus ihrer Sicht völlig zu Recht) glauben, alles notwendige in die Wege geleitet zu haben, nicht wissend, dass die Unfallversicherung jetzt u.U. nur darauf wartet, dass die in den Versicherungsbedingungen festgehaltene Frist für die ärztliche Feststellung und Geltendmachung der Invalidität abläuft. (Meist sind dafür ein Jahr für die Feststellung und weitere drei Monate für die Geltendmachung vorgesehen).

Unfallversicherungen handeln, was Hinweise zum Vorgehen des Versicherten im Rahmen der Invaliditätsfeststellung anbetrifft, höchst unterschiedlich. Es gibt durchaus Versicherer, welche ausführliche Belehrungen über die Fristen die einzuhalten sind, es gibt aber auch Häuser, die das nicht tun. Die Gerichte jedenfalls haben dieses Verhalten bisher immer als bedingungsgemäß angesehen und tun es auch weiterhin, wie es das vorgestellte Urteil zeigt.

Der Urteilsbegründung des BGH ist zu entnehmen, dass die beklagte Versicherung am 13. 10. 2005 (also innerhalb der Jahresfrist) den vom Kläger begehrten Invaliditätsleistungen abgelehnt hatte, weil die zur Begründung von Invalidität behauptete Gebrauchsbeeinträchtigung seines rechten Beins angeblich nicht vorgelegen haben soll. Über diese Fragestellung hätte man in der Folge trefflich streiten können; wichtig wäre zu diesem Zeitpunkt gewesen, dass das Unfallopfer ein kurzes ärztliches Attest beigebracht hätte, in dem der Arzt feststellt, dass eine dauerhafte Beeinträchtigung des Beins infolge des Unfall vorliegt. Ob die Versicherung das auch sieht, ist in diesem Zusammenhang zunächst völlig irrelevant. Wichtig ist nur, dass die ärztliche Bescheinigung in der Frist vorgelegt wird.

Hinzu kommt ein Weiteres: Viele behandelnde Ärzte tun sich häufig schwer damit, eine sog. Invaliditätsbescheinigung zu erstellen. Die Motivlage diesbezüglich kann sehr unterschiedlich sein. Oft ist es die Scheu, sich irgendwie festlegen zu wollen und ggf. dann von anderen ärztlichen Kollegen kritisiert zu werden. Mancher Arzt hat Sorge für die Zeit, die er damit zubringt, nicht hinreichend bezahlt zu werden. Wieder andere Ärzte - insbesondere der D-Arzt im Rahmen der Behandlung nach einem Arbeitsunfall – haben Erwartungshaltungen ihrer Auftraggeber (z.B. Berufsgenossenschaft ) zu erfüllen und wollen es vermeiden, mit „gespaltener Zunge“ zu sprechen. Schließlich kommt es auch vor, dass Ärzte nicht bereit sind, sich ihr eigenes Behandlungsergebnis „kaputt“ zu reden und zu bescheinigen, dass auch nach ihrer Behandlung etwas zurückbleibt. Für den einen oder anderen Arzt ist das u.U. schon das Eingeständnis, seinen Patienten falsch behandelt zu haben.

Im Ergebnis gibt es in dieser Konstellation nur einen Verlierer, dass Unfallopfer, welches zum medizinischen Schaden auch noch um seine berechtigten Ansprüche gegen die Unfallversicherung gebracht wird.


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