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AG Lüdinghausen, ProVida Messung wegen fehlender Eichung eingestellt

Amtsgericht Lüdinghausen, Beschluss  vom 27.03.2008

10 OWi 89 Js 18/07 -5/07

Die Betroffene wurde am 6.8.2006 mittels des in ein Fahrzeug des Typs Daimler Chrysler E 320 CDI eingebauten Systems ProViDa 2000 auf der A 43 im Bereich Senden mit einer nach Abzug der für geeichte Geschwindigkeitsmessgeräte dieses Typs erforderlichen Toleranz festgestellten Geschwindigkeit von 87 km/h gemessen. Zulässig war jedoch lediglich eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Gegen den Bußgeldbescheid (50 Euro Geldbuße) hat die Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt.

Das Verfahren war nach § 47 OWiG einzustellen. Eine Ahndung des Verstoßes schien nicht geboten, da der Geschwindigkeitsverstoß nur mit erheblichem Aufwand weiterverfolgt werden könnte. Das eingesetzte Messgerät war nämlich zwar zur Zeit der Tat gültig geeicht, doch lagen die Voraussetzungen für eine Eichung offenbar nicht vor, da derzeit trotz unveränderter Bauweise eine Eichung der Fahrzeuge durch das zuständige Eichamt abgelehnt wird. Die Autobahnpolizei hat auf Nachfrage des Gerichts hierzu u.a. wie folgt Stellung genommen: ?Bei der Autobahnpolizei werden Fahrzeuge vom Typ Daimler Chrysler E 320 CDI eingesetzt. Diese Fahrzeuge waren alle mindestens bis 31.12.2006 geeicht und wurden im Dezember dem Eichamt Düsseldorf zwecks Eichung überstellt. Aufgrund eines technischen Details im Fahrzeug wird zurzeit durch das Eichamt Düsseldorf die Eichung nicht durchgeführt, obwohl herstellerseits den Zentralen Polizeitechnischen Diensten (ZPD) mitgeteilt wurde, durch welche technischen Gegebenheiten die erforderlichen Bedingungen gewährleistet sind. Zur Technik kann die Autobahnpolizei Münster keine Stellungnahme abgeben. Die erforderlichen Angaben müssten bei den Zentralen Polizeilichen Diensten (ZPD), der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) und dem Eichamt Düsseldorf eingefordert werden. Aufgrund der ordnungsgemäßen Abnahme des Systems ProViDa 2000, der bisherigen Eichungen und den zu Gunsten der Betroffenen abgezogenen Messtoleranzen bestehen hier keine Zweifel, dass die vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitungen zutreffend sind.? Wie mit solchen Fällen, in denen formell richtig, materiell aber wohl falsch geeichte Messgeräte genutzt wurden zu verfahren ist, ist unklar. Es bedürfte hier sicher einer sachverständigen Klärung. Der hierdurch verursachte Aufwand steht aber hier in keinem Verhältnis zur Wertigkeit des Verstoßes, da eine Geschwindigkeitsüberschreitung in Rede steht, die nicht zu einem Fahrverbot führt. Vielmehr steht zu vermuten, dass nach Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Verwertung des Messergebnisses eine zusätzliche Toleranz zu gewähren wäre, die z.B. dazu führen könnte, dass nur noch eine Geldbuße im nicht eintragungsfähigen Bereich festgesetzt werden kann.

Anmerkung RA Wegner, Fachanwalt für Verkehrsrecht:

Der vorgestellt Beschluss des AG Lüdinghausen zeigt eindringlich, wie wichtig es im Einzelfall sein kann, alle formellen Voraussetzungen der Messung zu überprüfen. Im vorliegenden Fall war in der Verfahrensakte zwar ein gültiges Eichprotokoll zu finden, allerdings wurde bekannt, dass die Voraussetzungen für die Eichung des Gerätes gar nicht mehr vorlagen, da das Eichamt die Eichung der ProVida-Geräte entsprechende Bauart ablehnte.

Nur durch die Akteneinsicht des Anwalts ist es möglich, Fehler der Ermittlungsbehörden aufzuzeigen und so die Behörde u.U. bereits im Vorverfahren zur frühzeitigen Einstellung von Verfahren zu bewegen.


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