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AG Aachen: „Bei dem Geschwindigkeitsmessverfahren Poliscan-Speed handelt es sich nicht um ein "standardisiertes Messverfahren“.

Das AG Aachen hat - mittels rechtskräftigem - Urteil vom 10.12.2012 (Az.: 444 OWi-606 Js 31/12-93/12) eine Betroffene vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen

Die Begründung des Gerichts lautet im Wesentlichen: „Grundlage für den Bußgeldbescheid war eine Messung mit dem Gerät Vitronic Poliscan Speed, Gerätenummer PSS 623 735, Softwareversion 1.5.5, Eichung am 02.03.2011, gültig bis Ende 2012, verwendete Objektive 50mm und 75 mm, Betriebszustand automatisch, Seitenabstand zum Fahrstreifen 208 cm, Aufstellungshöhe 102 cm. Das Gericht konnte jedoch keine sicheren Feststellungen dahin treffen, dass dieses Gerät die von der Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit tatsächlich zutreffend gemessen hat.

Das Gericht stützt sich hierzu auf das schlüssige und widerspruchsfreie Gutachten des Sachverständigen Dr. N. Dieser hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass eine Überprüfung von konkreten Messwerten im Rahmen einer nachträglichen Richtigkeitskontrolle beim Gerät Poliscan Speed nicht möglich sei. Dies liege daran, dass die Messwerte zwar grundsätzlich vorhanden seien, aber seitens der Herstellerfirma aus patentrechtlichen Gründen nicht zur Verfügung gestellt würden. Es gebe ein erhebliches Informationsdefizit zulasten der Sachverständigen, weshalb das Gerät als eine „Black Box“ beschrieben werden müsse. Aus diesem Grund sei lediglich eine näherungsweise Feststellung der Geschwindigkeit unter Analyse des Messfotos mit Hilfe des sogenannten „Smear-Effekts“ möglich. Hierbei handele es sich nur um eine „Pseudoauswertung“, die mit einer Analyse der Messdaten nichts zu tun habe. Es komme dabei zu Abweichungen von bis zu 15% zu dem auf dem Messfoto angezeigten Wert.“

Auch das AG Herford hat sich in einem Urteil  vom  24.01.2013 – 11 OWi 502 Js 2650/12 -982/12 mittlerweile der Auffassung des AG Aachen angeschlossen:

Im Gegensatz zum AG  Aachen  hat sich das AG Herford  allerdings bereits darauf zurück gezogen, dass - unabhängig davon, ob das Messverfahren standardisiert ist oder nicht, sich immer noch die Frage der richterlichen Überzeugungsbildung stellt, und ist dann zu dem Ergebnis gekommen, dass das Messverfahren allgemein und seine Anwendung im konkreten Fall so erhebliche Zweifel aufwerfen, so dass eine Verurteilung darauf nicht gestützt werden könne:

“Insgesamt gab es somit wegen der Gerichtsverwertbarkeit des Messverfahrens erhebliche Zweifel, außerdem aber auch wegen der Zuordnung des auf dem Messfoto abgebildeten Fahrzeuges zu der durchgeführten Geschwindigkeitsmessung. Wie bereits das Amtsgericht Aachen in seinem Urteil vom 10.12.2012 zutreffend festgestellt hat, konnte das in dieser Sache durchgeführte Messverfahren deshalb nicht für den Nachweis herangezogen werden, dass der Betroffene an der fraglichen Stelle so schnell fuhr, wie ihm im Bußgeldbescheid vorgeworfen wurde.” 

Anmerkung von RA Wegner, Fachanwalt für Vekehrsrecht:

Die Entscheidung des Amtsgerichts Aachen setzt sich - im Anschluss an eine Entscheidung des AG Dillenburg - abermals mit den weiterhin ungelösten Problemen, welche das Poliscan speed- Messverfahren aufwirft, kritisch auseinander. Es stellt insoweit klar, dass es einem rechtsstaatlichen Verfahren entgegenläuft, Ungewissheiten schlichtweg zu ignorieren und allein auf die Zulassung des Gerätes durch das Technische Aufsichtsamt zu verweisen.

Das im Jahre 2008 eingeführte Messgerät der Herstellerfirma Vitronic basiert auf einem Lasermessverfahren wird - nach wie vor - von vielen Kommunen im großen Stile angeschafft, in dem Glauben, die „Wunderwaffe“ beim Abkassieren der Autofahrer gefunden zu haben, gegen die auch alle Einsprüche und Gerichtsverfahren der Betroffenen zwecklos sind. Bisher gab es, bis auf eine Einstellung eines Verfahrens durch das AG Mannheim im Jahre 2008 (ohne Begründung), keine gerichtlichen Entscheidungen zu diesem Messverfahren, welche zugunsten betroffener Autofahrer Recht gesprochen haben. Nach der nun vorliegenden – rechtskräftigen -Entscheidung des AG Aachen besteht wieder die Hoffnung, dass die Ordnungsämter nicht mehr blind auf das gar zu reibungslose Funktionieren ihrer Goldesel vertrauen dürfen. Wir bleiben jedenfalls weiter am Ball und raten jedem Autofahrer, gegen Bescheide, die aufgrund einer PoliScan Speed – Messung ergangen sind Einspruch zu erheben und ins Verfahren zu gehen!


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