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OLG München: BU-Leistungseinstellung im Nachprüfungsverfahren durch Bayern-Versicherung rechtswidrig

Urteil OLG München 12.03.2010 (rechtskräftig)

Unser Mandant machte gegenüber der Bayern-Versicherung Lebensversicherung AG geltend, weiterhin Leistungen aus der im Jahre 1993 zwischen den Parteien geschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu erhalten, nachdem diese nach Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens mit Schreiben vom erklärt hat, dass sie ab 01.11.2007 keine Leistungen Kläger mehr erbringe und die Leistungen ab diesem Zeitpunkt auch eingestellt hat.

Zuvor hatte die Bayern-Versicherung auf den Leistungsantrag des Mandanten vom 19.05.2004 mit Schreiben vom 19.01.2005 erklärt, dass sie nach den ihr vorliegenden Unterlagen vollständige Berufsunfähigkeit des Klägers bis auf weiteres anerkenne.

Die Bayern-Versicherung hat ihre Einstellungsmitteilung auf das von ihr eingeholte fachorthopädische Gutachten vom 06.08.2007 gestützt und dieses Gutachten der Einstellungsmitteilung vom 09.08.2007 auch beigefügt. Der Sachverständige war in diesem Gutachten zu der Einschätzung gelangt, die gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers hätten sich gegenüber dem Zustand zum 01.12.2004 deutlich gebessert. Zum damaligen Zeitpunkt habe eine merkliche Einschränkung der Kopfbeweglichkeit bestanden, während jetzt eine nahezu normale Halsbeweglichkeit vorhanden sei. Auch die Lendenwirbelsäule zeige keine relevanten Auffälligkeiten. Der Kläger mache keinen depressiven Eindruck.

Unser Mandant hat vorgetragen, weiterhin zu mindestens 50 % berufsunfähig zu sein. Sein Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert, sondern vielmehr verschlechtert. Er leide weiterhin an Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule, der Lendenwirbelsäule sowie sonstigen körperlichen und psychischen Beschwerden.

Das Landgericht Deggendorf hatte unsere Klage durch Endurteil vom 22.07.2009 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, unser Mandant habe keinen Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen. Nach dem Ergebnis der Gutachten bestehe bei ihm allenfalls noch eine Leistungsminderung von 30 %. Das fachorthopädische Gutachten habe ergeben, dass beim Kläger auf orthopädischem Gebiet keine signifikanten Leistungsminderungen bestünden. Das psychiatrische Gutachten habe zwar ergeben, dass der Kläger an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit einer leichten depressiven Episode leide. Das Schmerzsyndrom habe sich zum Untersuchungszeitpunkt allerdings derartig verbessert, dass seit 2007 nur noch eine Berufsunfähigkeit von 30 % bestehe.

Im Berufungsverfahren vor dem OLG München haben wir gerügt, dass die Mitteilung vom 09.08.2007 sei nicht als wirksame Leistungseinstellungsmitteilung anzusehen ist. Eine korrekte Einstellungsmitteilung erfordert einen Vergleich zwischen dem Gesundheitszustand, den die Beklagte ihrem Anerkenntnis zugrunde gelegt habe, sowie der seinerzeitigen Bewertung der Auswirkungen dieses Zustands im Berufsbereich des Versicherungsnehmers mit seinem Gesundheitszustand und dessen Auswirkungen zum Zeitpunkt der Nachprüfung. Diesen Anforderungen wurde die auf das Gutachten Dr. O. vom 06.08.2007 gestützte Einstellungsmitteilung der Bayern-Versicherung nicht gerecht. Der Sachverständige beschränkte sich bei der Darstellung des aktuellen Gesundheitszustandes des Klägers fast ausschließlich auf das orthopädische Fachgebiet. Die Ermittlung und Darstellung des Gesundheitszustandes des Klägers auf psychiatrischem Gebiet war nicht ansatzweise ausreichend gewesen. Im Übrigen war, selbst bei einer unterstellten wirksamen Einstellungsmitteilung die Beklagte bezüglich ihrer Behauptung, die mindestens 50 %ige Berufsunfähigkeit des Kläger sei weggefallen, beweisfällig geblieben. Das Landgericht hatte dem von ihm beauftragten Sachverständigen schon nicht die zur ordnungsgemäßen Prüfung des Wegfalls der Berufsunfähigkeit erforderlichen Anknüpfungstatsachen nach § 7 Abs. 4 BB-BUZ aufgezeigt. Deshalb haben beide Sachverständige unzureichende und damit im Ergebnis falsche Feststellungen getroffen. Auch waren die seit dem Anerkenntnis zusätzlich hinzugetretenen Gesundheitsstörungen auf internistischem und urologischem Fachgebiet nicht berücksichtigt worden.

Entscheidungsgründe

Das Oberlandesgericht München hat das erstinstanzliche Urteil des LG Deggendorf aufgehoben und die Bayern-Versicherung verurteilt, an unseren Mandanten weiterhin die vereinbarte monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von € 1.783,58 zu zahlen.

Das OLG München erachtete unsere Berufung für begründet, da die Bayern-Versicherung ihre Leistungspflicht durch Schreiben vom 19.01.2005 gemäß § 5 BB-BUZ anerkannt hatte und kann sich hiervon nur durch ein Vorgehen im Nachprüfungsverfahren gemäß § 7 BB-BUZ wieder lösen konnte.

Dazu bedarf es jedoch einer in § 7 BB-BUZ vorgesehenen Mitteilung des Ergebnisses der Nachprüfung. Erst die zugegangene Mitteilung lässt nach einer Schutzfrist die Leistungspflicht wieder entfallen, nicht schon zuvor der Eintritt von Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen des Versicherten. In der Regel ist im Nachprüfungsverfahren der Vergleich des Gesundheitszustandes des Versicherten, wie ihm der Versicherer in seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand des Versicherten zu einem späteren Zeitpunkt maßgebend. In diesen Fällen ist die Mitteilung des Versicherers nur nachvollziehbar, wenn er seine Vergleichsbetrachtung und die daraus gezogenen Folgerungen aufzeigt (BGH NJW-RR 1993, 721). Die Einstellung oder Herabsetzung der Leistungen des Berufsunfähigkeitsversicherers im Nachprüfungsverfahren setzt voraus, dass der Versicherer den Gesundheitszustand, den er seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Nachprüfung vergleichend aufzeigt und darlegt, von welchen Gesundheitsverhältnissen und welchen sich daraus ergebenden Folgen für die Berufsunfähigkeit er bei Abgabe seines Anerkenntnisses ausgegangen ist. Dabei ist darzulegen, auf welche in der Zwischenzeit aufgetretenen Verbesserungen der Gesundheitsverhältnisse sich der Versicherer berufen will, wobei die ärztlichen Gutachten, auf die der Versicherer sein Verlangen stützen will, dem Versicherungsnehmer voll umfänglich zugänglich zu machen sind. Nicht ausreichend ist die Mitteilung ärztlicher Diagnosen, wenn sich daraus nicht ergibt, welche Veränderungen des Gesundheitszustandes im Einzelnen beim Versicherungsnehmer eingetreten sind und zu einer bedingungsgemäß erheblichen Verbesserung geführt haben sollen. Auch genügt es nicht, wenn der Versicherer den von ihm im Zeitpunkt des Anerkenntnisses angenommenen Grad der Berufsunfähigkeit diejenige Gradzahl gegenüberstellt, die ein Gutachter zu einem späteren Zeitpunkt ermittelt hat. Ebenso wenig genügt es, nur den Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Nachprüfung mitzuteilen (vgl. Kammergericht Berlin RuS 2006, 515). Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen.

Daran gemessen stellt das Schreiben vom 9.8.2007 keine wirksame Einstellungsmitteilung dar. Die von der Beklagten mit Schreiben vom 19.5.2005 anerkannte Leistungspflicht der Beklagten ist daher nicht wieder entfallen. Der Einstellungsmitteilung vom 9.8.2007 ist bereits nicht zu entnehmen, von welchem Grad der Berufsunfähigkeit die Beklagte aufgrund welcher von ihr für feststehend erachteten Beeinträchtigungen des Klägers bei Anerkennung ihrer Leistungspflicht am 19.5.2005 ausgegangen ist. Wie die Schlussbemerkung des Sachverständigen Prof. Dr. Z. im Gutachten vom 8.2.2008 (S. 33, Bl. 63 d.A.) zeigt, sah auch er sich nicht in der Lage, eine vergleichende Betrachtung vorzunehmen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich auch aus der Bezugnahme der Beklagten in der Einstellungsmitteilung vom 9.8.2007 auf das Gutachten des Dr. O. eine solche vergleichende Betrachtung nicht. Soweit die Beklagte in der Berufungserwiderung (S. 3; Bl. 224 d.A.) – andeutungsweise – unter Bezugnahme auf die Fragestellung in Nr. 5 an den von ihr beauftragten Sachverständigen Dr. O. vorträgt, sie sei davon ausgegangen, dass sämtliche im Gutachten des Dr. O. vom 6.8.2007 zitierten Befunde vorgelegen hätten, überzeugt dies nicht. Eine vergleichende Betrachtung hätte dann auch erfordert, dass die Beklagte dazu Stellung genommen hätte, inwiefern etwa die im zitierten Bericht des Dr. N. vom 3.1.2005 geschilderten weiteren Beschwerden („…Muskelzuckungen, Muskelkrämpfe, chronischer Tennisarm beidseits, Schwächegefühl in dem Armen und manchmal Probleme beim sicheren Greifen; ständige Darm-Blasenprobleme, immer wieder Heliobacter-Befall; Adipositas, regelmäßige Kiefergelenksbeschwerden“) in die Bewertung der Berufsunfähigkeit anlässlich der Entscheidung vom 19.5.2005 eingeflossen sind und welche Veränderungen sich im Rahmen der Nachbegutachtung diesbezüglich ergeben haben. Dasselbe gilt etwa für die im zitierten Bericht des Dr. Schreiber vom 13.4.2005 diagnostizierte Schlafapnoe. Zu sämtlichen zitierten Befunden äußert sich weder die Einstellungsmitteilung noch der Sachverständige Dr. O.. Letzterer befasst sich lediglich mit Beschwerden der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie - am Rande – mit der beim Kläger festgestellten Depression.

In diesem Zusammenhang kommt es nicht einmal darauf an, ob diese weiteren Beeinträchtigungen bei Abgabe des Anerkenntnisses bekannt waren (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR, 2009, 1695), was allerdings hier sogar der Fall war.

Den Schriftsätzen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit kommt nach Auffassung des Senats nicht die Qualität einer Einstellungsmitteilung zu: Die Beklagte hat im Rechtsstreit eine an den vorgenannten Kriterien orientierte Einstellungsmitteilung nicht nachgeholt.

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Büchner

Mit diesem, von uns erstrittenen Urteil des OLG München, bestätigt das Gericht einmal mehr, worauf es im Nachprüfungsverfahren ankommt und woran die Berufsunfähigkeitsversicherer in vielen Fällen scheitern.

Im Nachprüfungsverfahren muss der Versicherer einen Vergleich des Gesundheitszustandes des Versicherten, wie ihm der Versicherer in seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand des Versicherten zu einem späteren Zeitpunkt vornehmen. Dieser ist jedoch nur dann nachvollziehbar, wenn er seine Vergleichsbetrachtung und die daraus gezogenen Folgerungen exakt aufzeigt. Die Einstellung oder Herabsetzung der Leistungen des Berufsunfähigkeitsversicherers im Nachprüfungsverfahren setzt voraus, dass der Versicherer den Gesundheitszustand, den er seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Nachprüfung vergleichend aufzeigt und darlegt, von welchen Gesundheitsverhältnissen und welchen sich daraus ergebenden Folgen für die Berufsunfähigkeit er bei Abgabe seines Anerkenntnisses ausgegangen ist. Dabei ist darzulegen, auf welche in der Zwischenzeit aufgetretenen Verbesserungen der Gesundheitsverhältnisse sich der Versicherer berufen will, wobei die ärztlichen Gutachten, auf die der Versicherer sein Verlangen stützen will, dem Versicherungsnehmer voll umfänglich zugänglich zu machen sind. Nicht ausreichend ist die Mitteilung ärztlicher Diagnosen, wenn sich daraus nicht ergibt, welche Veränderungen des Gesundheitszustandes im Einzelnen beim Versicherungsnehmer eingetreten sind und zu einer bedingungsgemäß erheblichen Verbesserung geführt haben sollen. Auch genügt es nicht, wenn der Versicherer den von ihm im Zeitpunkt des Anerkenntnisses angenommenen Grad der Berufsunfähigkeit diejenige Gradzahl gegenüberstellt, die ein Gutachter zu einem späteren Zeitpunkt ermittelt hat. Ebenso wenig genügt es, nur den Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Nachprüfung mitzuteilen.

Die an uns herangetragenen Einstellungsmitteilungen von Berufsunfähigkeitsversicherern genügen den Anforderungen, welche die Rechtsprechung stellt, im Regelfall nicht, so dass sich eine genaue Prüfung immer lohnt und die Entscheidung der Berufsunfähigkeit keinesfalls akzeptiert werden sollte, nur weil sie auf Sachverständigengutachten beruht (welche von der Versicherung in Auftrag gegeben wurden) und die pauschal behaupten, der Gesundheitszustand habe sich verbessert.


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