Newsdetail

OLG München: Bei Invaliditätsabrechnung darf ein Vorschaden nur dann berücksichtigt werden, wenn er über den alterstypischen Verschleiß hinausgeht!

Urteil OLG München vom 21.03.2006, 25 U 3482/04

I. Vorinvalidität in der Unfallversicherung liegt nur dann vor, wenn die normale körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers bereits vor dem Unfallereignis dauerhaft beeinträchtigt war. Hierbei ist auf die Altersgruppe abzustellen, welcher der Versicherungsnehmer angehört. Eine altersentsprechende Weitsichtigkeit bei einem über 60 jährigen Versicherungsnehmer entspricht daher der normalen körperlichen Leistungsfähigkeit der Vergleichsgruppe und begründet keine Vorinvalidität.

II. Auch die Notwendigkeit, zeitweise beim Lesen kleiner Schriften eine Lesebrille tragen zu müssen, begründet, anders als beim stark kurzsichtigen Versicherungsnehmer (vgl. BGH NJW 1983, 2091), keine Vorinvalidität.

Anmerkung Dr. Büchner:

Ein immer wieder auftretendes Feld der Auseinandersetzung zwischen Versicherungsnehmer und der privaten Unfallversicherung im Rahmen der Invaliditätsbemessung ist die Frage eines eventuell bestehendes Vorschadens, welcher beim zu bestimmenden Invaliditätsgrad zu berücksichtigen sei.

Zweifellos; sollte eine Vorinvalidität bestehen, ist diese bei der Bemessung der Invalidität z.B. nach § 7 I Abs. 3 AUB 94 in Abzug zu bringen. Allerdings verwechseln sowohl Gutachter als auch die Sachbearbeiter in der Privaten Unfallversicherung – ob bewusst oder aus Unkenntnis mag dahingestellt bleiben – gern die Kategorien. Es ist nämlich streng zu unterscheiden zwischen einem echten Vorschaden, welcher zu berücksichtigen ist und einer altersentsprechenden, degenerativen Vorschädigung, welche eine altersentsprechende Verschleißerscheinung darstellt und keinesfalls Berücksichtigung finden darf.

Vielmehr ist in der Privaten Unfallversicherung immer auf die Leistungsfähigkeit einer gesunden Person aus der entsprechenden Altersgruppe abzustellen. Erst wenn das alterstypische Maß erheblich überschritten ist, kann eine sog. Vorinvalidität Berücksichtigung finden.

Das vorgestellte Urteil des OLG München stellt im Grunde keine neue Entwicklung in der Rechtsprechung dar, sondern wiederholt die ständige Rechtsprechung des BGH seit 1983. Gleichwohl zeigt es auf, dass sowohl Versicherungen als auch die von ihnen beauftragten Gutachter, das Prinzip der Berücksichtigung eines Vorschadens in der privaten Unfallversicherung weiterhin nicht wirklich verinnerlicht haben!


Seite drucken