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OLG Karlsruhe: Keine Leistungseinstellung bei „ burnout “ im Nachprüfungsverfahren wenn die Verbesserung des Gesundheitszustandes nicht konkret dargelegt wurde

OLG Karlsruhe, Urteil vom 3.7.2008 (12 U 22/08)

 Eine wirksame Mitteilung im Nachprüfungsverfahren über die Leistungseinstellung setzt jedenfalls bei fortdauernder Erkrankung voraus, dass nachvollziehbar dargelegt wird, welche Auswirkungen die Verbesserung des Gesundheitszustands des Versicherten auf dessen Fähigkeiten zur Berufsausübung hat.

Sachverhalt

Das OLG Karlsruhe hat in der hier vorgestellten Entscheidung durch einstweilige Verfügung entschieden, dass dem Versicherten die Berufsunfähigkeitsrente, die wegen eines sog. „ burnout - Syndroms „ gezahlt wurde, weiter gewährt werden muss.

Der Kläger erkrankte unstreitig im Jahr 2001 an einer schweren depressiven Störung mit sogenanntem Burn out Syndrom. Die typischen Symptome einer Depression im Sinne einer Einschränkung bis zur Aufhebung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit, Vorliegen innerlicher Unruhe, Vorhandensein von Ängsten mit vegetativen Begleiterscheinungen wie Schlafstörungen und Appetitlosigkeit, hinzukommend Energie- und Antriebsminderung und Reduzierung der Konzentrationsfähigkeit in erheblichem Maß lagen beim ihm  vor.

Im Rahmen der erstmaligen Prüfung der Berufsunfähigkeit veranlasste die Versicherung eine psychiatrische Begutachtung. Hieraus ergab sich die Diagnose einer depressiven Störung und ein Grad der Berufsunfähigkeit des Kl. von etwa 70 %.Die Beklagte anerkannte mit Leistungsentscheidung vom 16. 5. 2002 ihre Leistungsverpflichtung rückwirkend zum 1. 9. 2001 und gewährte eine Berufsunfähigkeitsrente und Befreiung von der Beitragszahlungspflicht.

Im Frühjahr 2007 führte die beklagte Versicherung ein sog. Nachprüfungsverfahren durch und beauftragte für die Begutachtung den Chefarzt einer psychiatrischen Universitätsklinik.

Im Ergebnis wurde durch den Gutachter bei fortbestehender Diagnose einer depressiven Störung die Frage nach dem Grad der Berufsunfähigkeit dahin gehend beantwortet, dass eine nachhaltige, 10 % bis 15 % überschreitende Beeinträchtigung der Berufsfähigkeit auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Gebiet nicht mehr bestehe. Auf der Grundlage dieses, von ihr beauftragten Gutachtens lehnte die Beklagte  mit Schreiben vom 30. 8. 2007 eine Anerkennung der Berufsunfähigkeit und weitere Leistungen über den 31. 10. 2007 hinaus ab.

Am 14. 12. 2007 machte der Kläger gegen die Beklagte eine Klage auf Fortführung der Rentenleistungen beim Landgericht Mannheim anhängig. Mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrte der Kläger vorläufige Zahlung der Rente  bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens.

Das LG hat dem Antrag teilweise stattgegeben. Die Berufung der beklagten Versicherung  hatte keinen Erfolg.

Urteilsgründe:

Das Gericht hatte keinen Zweifel, dass die von der Beklagten anerkannte Leistungspflicht nicht mit ihrer ablehnenden Entscheidung im Nachprüfungsverfahren geendet hat und daher auch für den - hier zu beurteilenden - Zeitraum vom 1. 1. bis 30. 4. 2008 ein Verfügungsanspruch gegeben ist.

Bei einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung kann ein Versicherer sein Ziel, eine von ihm anerkannte Leistungspflicht wieder enden zu lassen, regelmäßig nur über ein sogenanntes Nachprüfungsverfahren erreichen

Es setzt voraus, dass dem Versicherten über die Leistungseinstellung eine Mitteilung gemacht wird. Kommt es nicht zu einer Mitteilung oder ist sie rechtsunwirksam, besteht die anerkannte Leistungspflicht auch dann fort, wenn sich die maßgeblichen Umstände derart geändert haben, dass sie den Versicherer zur Leistungseinstellung berechtigt hätten Sollte die Mitteilung wirksam nachgeholt werden, ist zu beachten, dass die anerkannte Leistungspflicht nicht rückwirkend beenden kann.

Wirksam ist eine solche Mitteilung nur, wenn darin nachvollziehbar begründet wird, warum die anerkannte Leistungspflicht wieder enden soll Nachvollziehbarkeit der Entscheidung des Versicherers setzt in der Regel voraus, dass eine Vergleichsbetrachtung angestellt wird. Der gesundheitliche Zustand des Versicherten zum Zeitpunkt der die Nachprüfung beschließenden Entscheidung muss jenem gegenübergestellt werden, den der Versicherer seinem gebotenen Anerkenntnis zugrunde gelegt hat. Außerdem müssen die aus dieser Vergleichsbetrachtung abgeleiteten Folgerungen aufgezeigt werden. Dazu gehören auch die aus den medizinischen Erkenntnissen gezogenen berufsbezogenen Schlussfolgerungen, die deshalb ebenfalls vergleichend darzulegen sind. Letzteres hat vor allem in den Fällen einen guten Sinn, in denen es - wie hier - nicht um die vollständige Heilung einer zuvor Berufsunfähigkeit begründenden Krankheit geht, sondern um Besserungen, die lediglich eine teilweise Rehabilitation möglich erscheinen lassen.

Diesen Anforderungen ist die beklagte Versicherung in ihrer Mitteilung vom 30. 8. 2007 nicht gerecht geworden. So ist zum einen nicht nachvollziehbar dargelegt, weswegen der Kläger einerseits "alle Tätigkeiten" wieder "in vollem Umfang" soll ausüben können, obschon andererseits - wie dort ausdrücklich ausgeführt ist - seine Berufsfähigkeit weiterhin zu "10-15 %" beeinträchtigt ist.

Zum andern ist nicht nachvollziehbar dargelegt, wie die bis zum Eintritt der Berufsunfähigkeit am 1. 9. 2001 vom Kl. tatsächlich ausgeübte berufliche Tätigkeit konkret beschaffen war, zur Ausübung welcher (Teil-)Tätigkeiten er nach dem 1. 9. 2001 aufgrund der damals gegebenen "Gesundheitsstörungen" "zu mehr als 50 %" nicht mehr in der Lage war, zur Ausübung welcher (Teil-)Tätigkeiten er im Vergleich dazu nunmehr, weil sich sein "Gesundheitszustand wesentlich gebessert" habe, seit 1. 11. 2007 nach Ansicht der Bekl. wieder in der Lage ist und welche anwaltlichen (Teil-)Tätigkeiten er infolge der nach wie vor gegebenen 10-15%igen Berufsunfähigkeit nach Meinung der Bekl. nicht oder nur eingeschränkt ausüben kann; dem Gutachten von Prof. Dr. C. vom 2. 8. 2007 kann dies ebenfalls nicht entnommen werden.

Anmerkung Dr. Büchner:

Versicherungsnehmer müssen immer damit rechnen, dass Nachprüfungsverfahren durch die leistende Berufsunfähigkeitsversicherung nicht allein die behandelnden Ärzte befragt werden, ob der zur Berufsunfähigkeit geführte Gesundheitszustand weiterhin fortbesteht, sondern mit dieser Frage darüber hinaus ein von der Versicherung ausgewählter Gutachter befasst wird. Im Regelfall ist der BU-Versicherer bedingungsgemäß berechtigt, den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers nachzuprüfen, wenngleich die geforderte Art und Weise der Begutachtung ebenfalls immer zu hinterfragen ist. Bei nichtumgestellten Altverträgen (Vertragsschluss bis 31.12.2007) gilt ohnehin die Situation, dass Mitwirkungspflichten im Nachprüfungsverfahren gänzlich entfallen (siehe auch Urteil LG Hamburg vom 27.02.2015)

Schließlich kommen die von der Versicherung beauftragten Gutachter nicht selten, zu einem – für den Versicherer interessengerechten – Ergebnis, welches von den Mandanten und deren behandelnden Ärzten jedoch nicht mitgetragen wird.

Nach unserer Erfahrung lohnt es sich, die von den Versicherern in Auftrag gegebenen Gutachten einer anwaltlichen und ggf. dann gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen, wie das vorgestellte Urteil ebenfalls zeigt.

In vielen Fällen zeigt sich nämlich, dass die beauftragten Gutachter noch nicht in der Lage sind, den Gesundheitszustand des Versicherten bei Antragstellung mit dem aktuellen Gesundheitszustand im Nachprüfungsverfahren zu vergleichen. Dies kann verschiedene Gründe haben, häufig verfügt der Versicherer aber noch nicht einmal über eine hinreichende Datenlage über die Leistungsfähigkeit seines Versicherten zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses, so dass dann eine konkrete Vergleichsbetrachtung unmöglich wird. Diese für den Versicherungsnehmer oft sehr komfortable Situation wurde in der hier vorgestellten Entscheidung erstmals deutlich herausgearbeitet.


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