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OLG Hamm: Führt eine Bodenunebenheit zum Umknicken beim Fußball, ist der Unfallbegriff i.S. der privaten Unfallversicherung erfüllt.

OLG Hamm, Urteil vom 15.8.2007 (20 U 5/07)

 Der klagende Versicherungsnehmer nahm die beklagte Versicherung aus einer bei dieser genommenen Unfallversicherung, der die AUB 88/94 zugrunde lagen, auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung nach einem 1/5 Beinwert aufgrund eines behaupteten Unfalls vom 16. 6. 2002 in Anspruch. Zu diesem Zeitpunkt betrug die vereinbarte Invaliditätsgrundsumme unstreitig 59 822 Euro. Am 17. 6. 2002 wurde der Kl. durch den Chirurgen Dr. K. unersucht; am 25. 6. 2002 stellte Dr. N. nach Durchführung einer Szintigraphie einen Fusswurzelausriss am Knochen unter dem linken Fuß fest. Er verordnete Gips für drei Wochen.

Am 1. 7. 2002 wurde der Kl. aufgrund einer eingetretenen Thrombose in das E. Krankenhaus eingeliefert, wo er sich bis zum 9. 7. 2002 befand. Ein erneuter Krankenhausaufenthalt aufgrund einer Nierenbeckenblutung bei Marcumarbehandlung fand in der Zeit vom 25.-29. 7. 2002 statt.

Der Kl. meldete der Bekl. den Unfall mit Schadensanzeige vom 16. 9. 2002. Darin gab er u. a. an: "Beim Ballspielen mit linkem Fuß umgeknickt". Mit Schreiben vom 4. 12. 2002 lehnte die Bekl. die Zahlung von Krankenhaustagegeld/Genesungsgeld ab, da kein Unfall vorliege und wies auf die Fristen des § 7 I Nr. 1 AUB hin. Hiergegen erhob der Kl. mit Schreiben vom 7. 4. 2003 Einwendungen und fügte das Attest von Dr. K. vom 25. 3. 2003 bei. Ein weiterer Schriftverkehr fand am 5. 9. 2003 statt.

Auf Veranlassung der Bekl. bescheinigte Dr. K. im "ärztlichen Erstbericht" vom 6. 5. 2003 unfallbedingte Dauerfolgen aufgrund eines postthrombotischen Syndroms. Im Auftrag der X. Versicherung, bei der der Kl. eine weitere Unfallversicherung unterhielt, fertigte Dr. L. (E. Krankenhaus) am 8. 7. 2004 ein Gutachten an. Darin wurde eine voraussichtliche dauernde Invalidität aufgrund eines Freizeitsportunfalls vom 16. 6. 2002 nach 1/5 Beinwert bescheinigt. Die X. Versicherung hatte hiernach entschädigt. Mit Schreiben vom 22. 11. 2004 lehnte die Bekl. die Zahlung einer Invaliditätsentschädigung mit der Begründung ab, es habe keine Invaliditätsanzeige gegeben. Im August und Dezember 2003 hatte sie dem Kl. aber Krankenhaustagegeld gezahlt.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

Dem Kl. steht der geltend gemachte Invaliditätsanspruch zu. Es liegt ein versicherter Unfall nach § 1 Abs. 3 AUB vor. .

Es steht unter Anwendung des Beweismaßstabs des § 286ZPO zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kl. sich durch einen bedingungsgemäßen Unfall, also durch ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis, unfreiwillig verletzt hat (§ 1 Abs. 3 AUB). Die Bekl. stellt nicht in Abrede, dass die Voraussetzungen des Unfallbegriffs ihrer AGB vorliegen, wenn der Kl. beim Fußballspielen wegen einer Bodenunebenheit umgeknickt ist, also nicht lediglich deshalb, weil im Fuß selbst zuvor eine Instabilität eingetreten war. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und nach der Lebenserfahrung ist der Senat davon überzeugt, dass der Kl. bei Fußballspielen aufgrund einer Bodenunebenheit (Kuhle) umgeknickt ist und sich dadurch verletzt hat. Dafür spricht zunächst der Umstand, dass das Fußballspiel - wie vom Zeugen M. bekundet - auf einem sogenannten "Bolzplatz" stattgefunden hat. Solche Plätze befinden sich bekanntermaßen in einem schlechten Zustand und sind u. a. durch Bodenunebenheiten gekennzeichnet. So hat auch der Zeuge M. den Platz beschrieben.

Nach der Aussage des Zeugen M. steht des Weiteren fest, dass der Kl. im unmittelbaren zeitlichen und örtlichem Zusammenhang mit dem aktiven Eingreifen in das Spiel verletzt worden ist. Für die Verursachung des Umknickens durch diese äußere Ursache (Bodenunebenheit) spricht der Umstand, dass der - ergänzend angehörte - Sachverständige Dr. V. keine Umstände festgestellt hat, die das Vorliegen einer inneren Ursache im Sinne eines Umknickens ohne Bodenunebenheit erklären könnten. Zwar hat der Sachverständige theoretische Möglichkeiten hierfür aufgezeigt. So wird ein Umknicken durch eine Störung der Stabilität des Gelenks verursacht. Dabei wird die Stabilität durch ein komplexes System hergestellt. Hierbei spielt u. a. die Übertragung von Signalen zum Gehirn und vom/zum Rückenmark eine erhebliche Rolle. Wird oder ist der Übertragungsweg aufgrund von Erkrankungen oder besonderen Umständen (z. B. Alkohol) gestört und kommt es so zur einer Fehlverarbeitung von Signalen, so kann es zu einem Verlust der Stabilität und zu einem Umknicken kommen. Der Sachverständige hat vorliegend aber keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass beim Kl. solche Störungen aufgetreten sind.

Anmerkung RA Dr. Büchner

In unserer Praxis müssen wir immer wieder feststellen, dass Unfallversicherungen das Vorliegen eines Unfalls im Sinne der Versicherungsbedingungen verneinen. Bemerkenswerterweise geschieht das nicht selten zu einem Zeitpunkt, an dem der Versicherungsnehmer mit einem solchen „Argument“ längst nicht mehr rechnet. Häufig sind bereits Übergangsleistungen, wie z.B. Krankenhaustagegeld oder Vorschusszahlungen auf die Invaliditätsleistung etc. durch die Versicherung gezahlt worden oder die Invalidität dem Grunde nach ist bereits festgestellt, wenn der Versicherung einfällt, dass sie jetzt  feststellen musste, dass der Unfallbegriff im Sinne der Versicherungsbedingungen gar nicht erfüllt ist.

Im Ergebnis stellt sich die Versicherung dann vollständig leistungsfrei und ist u.U. bereit, wenn der Versicherungsnehmer keine weiteren Ansprüche stellt, auf die Rückforderung der schon erbrachten Leistungen zu verzichten.

Auch wenn es schwer fällt die Situation zu verstehen; das Nichtvorliegen des Unfallbegriffs kann der Versicherer auch im Regulierungsverfahren noch geltend machen; fraglich bleibt nur, ob er es zu Recht tut. In jedem Fall ist der Unfall als ein ".. plötzliches, von außen auf den Körper wirkendes Ereignis" in der privaten Unfallversicherung schwer zu handhaben und nicht jedes vermeintliche Unfallgeschehen muss ein Unfall sein. Bei der Definition eines Unfalls bleibt die Abgrenzung zur sog. „Eigenbewegung“ immer schwierig, wie der vorliegende Fall zeigt. Hier kam das Gericht unserem  Versicherungsnehmer mit der Annahme zu Hilfe, dass Fußballplätze grundsätzlich uneben sind, so dass in den unterstellten Unebenheiten das plötzliche, von außen wirkende Ereignis zu sehen war.

Zu beachten ist, dass der Darstellung des Unfallgeschehens durch den Versicherungsnehmer eine herausragende Bedeutung zukommt. Leider führen ungeschickte – nicht der eigentlichen Sachlage entsprechende Formulierungen – in der Unfallanzeige oft zu einer Leistungsablehnung der Versicherung. Die spätere Korrektur der Angaben durch den Versicherungsnehmer führt dann häufig zum Vorwurf der Unglaubwürdigkeit und macht die Sache nicht besser. Nicht selten nimmt der Versicherer seine Behauptungen auch aus dritten „Quellen“; z.B. aus dem Aufnahmebericht der Notaufnahme des Krankenhauses, an dem der Versicherungsnehmer u.U. überhaupt nicht beteiligt war, weil über den Unfall nur die beteiligten Personen berichtet haben.

Wie auch immer: verneint die Unfallversicherung das Vorliegen eines Unfalls sollte unbedingt anwaltliche Hilfe herangezogen werden. Wesentlich besser jedoch ist es, bereits beim Ausfüllen der Unfallmeldung und der Darstellung des Sachverhaltes die Formulierungen mit uns abzustimmen, um nicht später Gefahr zu laufen, alle Ansprüche zu verlieren.


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