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KG Berlin: Gutachter Klaus Besig widerlegt! Zurich Unfallversicherung muss ihren Versicherungsnehmer nach Kreuzbandriss i.H.v. € 17.780,00 entschädigen und darf nicht einwenden, er könne seine Schilderungen vom Unfall nicht mittels Zeugen beweisen.

KG Berlin, Beschluss v. 11.08.2016, Az. 6 U 147/13

Das Kammergericht hat die Berufung der Zurich Versicherung gegen ein stattgebendes Urteil des Landgericht Berlin zurückgewiesen, nachdem die Zurich vorgerichtlich unter Berufung auf Gutachten des Klaus Besig Leistungen aus der privaten Unfallversicherung verweigert hatte

Unser Mandant war in der Nacht vom des 08.02.2009 Polizeibeamter beim Verfolgen eines Einbrechers verunfallt. im Funkwageneinsatzdienst gemeinsam mit einer Kollegin und einem Polizei-Auszubildenden eingesetzt. Es kam zu einer Auseinandersetzung mit dem Täter, wobei sich unser Mandant mit mit der Judo-Technik „Außenseitiger Beinfeger“, ausgeführt mit dem rechten Bein, verteidigte. Dabei stürzte er, wie auch der Angreifer, zu Boden und zwar dergestalt, dass sein rechtes Bein zum Teil unter dem Körper des Täters lag. Mit dem Ende der körperlichen Auseinandersetzung  bemerkte unser Mandant, wie sein rechtes Knie massiv und immer stärker schmerzte. Trotz der massiven Schmerzen beendete er noch den Einsatz, meldete sich dann aber sofort krank. Zu Hause stellte er fest, dass sein Knie fast wie ein Ballon angeschwollen war.

Aufgrund der unerträglichen Schmerzen und der enormen Schwellung begab er sich gleich am nächsten Tag in die Praxis von Fachärzten für Orthopäde und Unfallchirurgie. Diese veranlassten umgehend eine MRT-Untersuchung des rechten Knies. Der Kläger erläuterte das vorstehende Geschehen in seiner Schadenanzeige vom 11.05.2009 und gab darin auch eine Schweigepflichtentbindungserklärung für seine Ärzte, Krankenhäuser etc. ab.

Die Zurich Unfallversicherung ließ den Mandanten von dem bei privaten Unfallversicherungen beliebten Gutachter Klaus Besig untersuchen. Dieser behauptete in seinem Auftragsgutachten, der Unfall habe keine dauerhaften Folgen hinterlassen. Es sei nicht sicher nachzuweisen, dass die stattgehabte Kreuzbandruptur kausale Unfallfolge oder Ergebnis eines Vorschadens sei. Falls man einen Zusammenhang zu Unfallgeschehen annehmen würde, was Herr Besig ausdrücklich in den Konjunktiv stellte, bewertete er die Unfallfolgen mit 1/10 Beinwert.

Die Zürich Unfallversicherung sah sich nach Vorliegen des Gutachtens von Herrn Klaus Besig nicht veranlasst, irgendeine Zahlungsverpflichtung anzuerkennen, sondern berief sich ausdrücklich auf einen nach Herrn Besig angeblich nicht nachgewiesenen Kausalzusammenhang zwischen Unfallgeschehen und Verletzung.

Lediglich kulanzhalber wurde schließlich statt der geforderten 24.500,00 € Invaliditätsentschädigung - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - eine pauschale Invaliditätsleistung i.H.v. € 3.500,00 angeboten, was unser Mandant ablehnte und uns mit der Klage beauftragte.

Das Landgericht Berlin hörte unseren Mandanten persönlich zum Unfallgeschehen an und vernahm außerdem seinen Kollegen als Zeugen, der bei dem Einsatz dabei war, sich aber nur noch grob an den Ablauf erinnern konnte. Nachdem die Richterin aufgrund der Schilderungen des Mandanten vom Vorliegen eines bedingungsgemäßen Unfallgeschehens überzeugt war, beauftragte sie einen medizinischen Sachverständigen, welcher zu dem Ergebnis kam, dass der Mandant sich bei dem Kampf mit dem Einbrecher einen Riss des vorderen Kreuzbands zugezogen und diese eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Kniegelenks als Dauerschaden hinterlassen hatte.

Obwohl die Zurich im Klageverfahren noch einmal drei gutachterliche Stellungnahmen von Herrn Besig beibrachte, die - auf aufwändig begründet - Zweifel an der Verursachung des Schadens durch den Unfall wecken sollten, verurteilte das Landgericht die Zurich Unfallversicherung mit Urteil vom 23.07.2013 zu einer Zahlung i.H.v. 17.780,00 € Invaliditätsentschädigung zuzüglich Verzugszinsen und einen überwiegenden Teil der Verfahrenskosten.

Die Zurich wollte aber auf keinen Fall ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen und erhob gegen das Urteil Berufung.

Dabei monierte sie (u.a.) insbesondere dass der Zeuge die Unfallschilderung des Klägers nicht in vollem Umfang bestätigt hatte. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass die Gesundheitsschädigung durch eine (nicht versicherte) Eigenbewegung eingetreten sei. Auch hätte bereits früher eine Kreuzbandverletzung eingetreten sein können. Die Unfallschilderung des Klägers bestritt die Zurich.

Dem hielt das Kammergericht entgegen:

„Dies überzeugt nicht, denn die Beklagte berücksichtigt nicht, dass auch die Angaben des Klägers bei der Überzeugungsbildung berücksichtigt werden können und müssen, wenn diese glaubhaft sind. Denn der Versicherungsnehmer will erkennbar für die Beklagte auch dann Versicherungsschutz genießen, wenn er allein einen Unfall ohne Zeugen erleidet. In diesen - nicht seltenen - Fällen wäre die Unfallversicherung entwertet, wenn die eigene Unfallschilderung des Versicherten nicht berücksichtigt werden könnte. Im Regelfall ist von einem redlichen Versicherungsnehmer auszugehen.“

Die Zurich bzw. deren anwaltliche Vertreter meinten darauf noch, „dass bei Verneinung eines Versicherungsschutzes in Fällen wie dem Vorliegenden die private Unfallversicherung leerlaufen werde“, könne „nicht vom Beweismaß des § 286 ZPO wegführen“. Mit anderen Worten der Versicherer will dann ausdrücklich durch Beweisnot des Versicherungsnehmers „die private Unfallversicherung leerlaufen“ lassen!

Dies half der Zurich nichts mehr. Ihre Berufung wurde per einstimmigem Beschluss des Kammergerichts zurückgewiesen.

Anmerkung Rechtsanwalt Kohn, Fachanwalt für Versicherungs- und Sozialrecht:

Knieverletzungen – wie hier eine Kreuzbandruptur - sind ein regelmäßig auftretendes  Problem in der privaten Unfallversicherung. Sehr oft kommen Versicherungsgutachter wie Herr Klaus Besig zu dem Ergebnis, dass eine degenerative Vorschädigung bestehe und die Invalidität keine kausale Unfallfolge sei.

Um den Versicherungsnehmer seiner rechtlichen Möglichkeiten zu entheben, bietet man schließlich ein „Almosen“ (hier 3.500 €) an, in der Hoffnung, dass dieser das Angebot aus wirtschaftlichen Zwängen heraus annimmt.

Der hier vorgestellte Fall zeigt einmal mehr, dass man sich von den Behauptungen der Unfallversicherungen nicht beeindrucken lassen sollte.

Tatsächlich kommt es bei der Prüfung des Unfallzusammenhangs im Wesentlichen darauf an, ob:

·        Ein geeignetes Unfallereignis vorlag

·        Unmittelbar nach dem Unfall einschlägige Beschwerden/Beeinträchtigungen vorlagen

·        Vor dem Unfall Beschwerdefreiheit bestand

Besonders bemerkenswert an diesem Fall ist aber die eindeutige Positionierung des Kammergerichts hinsichtlich der Beweisbarkeit des Unfallgeschehens. Diese Rechtsprechung, die zentral auf den „redlichen Versicherungsnehmer“ abstellt, ist sonst eher von der Sachversicherung bekannt. Dass auch die Schilderung des Klägers bei der Überzeugungsbildung berücksichtigt werden kann und muss, wenn sie glaubhaft ist, und dass hierbei im Regelfall von einem redlichen (also glaubwürdigen) Versicherungsnehmer auszugehen ist, ist von sehr hoher praktischer Bedeutung und wert, einmal mehr vom Gericht ausdrücklich festgestellt zu werden.

Leider ist es nicht selten, dass Unfallversicherungen ein vom Versicherungsnehmer geschildertes Unfallgeschehen in Frage stellen und bereits aus diesem Grunde ablehnen. Im hier vorgestellten Fall wurde dieser Versuch erst durch die Rechtsanwälte der Zurich Unfallversicherung im Prozess unternommen; dem hat das Kammergericht erfreulicherweise eine klare Absage erteilt.

Wie empfehlen unseren Mandanten, sich möglichst frühzeitig an uns zu wenden. Bereits im Rahmen der Unfallmeldung können Fehler geschehen, welche im Ergebnis erhebliche Probleme bei der Regulierung bereiten bzw. später gar nicht mehr zu „retten“ sind. Keinesfalls aber sollten Sie ungeprüft auf „Angebote“ der Unfallversicherung zu abschließenden Regulierung eingehen – hier können Sie nur verlieren!

Kontaktieren Sie uns und nehmen Sie unser  Angebot einer kostenlosen Ersteinschätzung  wahr!


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